Wer kennt das nicht? Die Schulleitung, Behördenmitglieder oder Lehrpersonen-Teams besuchen eine innovative, vielleicht sogar preisgekrönte Schule, deren Ideen sie überzeugen und möchten die gewonnenen Erkenntnisse an ihrer eigenen Schule umsetzen. Vor Ort sind sie enthusiastisch und motiviert und möchten am liebsten sofort die Ärmel hochkrempeln und loslegen. Alle wissen, was gemacht werden soll, aber nicht so richtig wie. Was sind die ersten Schritte? Wie wird der Prozess geplant und gestaltet? Wer wird involviert? Heike Beuschlein ging diesen Fragen nach.
Aus der Forschung wissen wir, dass gesammelte Daten aus verschiedenen Kontexten, auch «Data Richness» genannt, als ein Merkmal erfolgreicher Schulen identifiziert wird. Damit sind Daten gemeint, die viel Aussagekraft und eine grosse Relevanz für die jeweilige Fragestellung der Schule haben und sich aus der Kombination unterschiedlicher Quellen ergeben. Oft sind dies objektivierbare und quantitativ gesammelte Daten, die sich auf die Leistungen von Schüler:innen beziehen. Die Hospitation und der Besuch an einer anderen Schule können eine weitere Quelle sein, die helfen, Entwicklungsziele zu generieren oder auch einen Handlungsbedarf aufzudecken.
Der Ansatz der «Data Richness» geht davon aus, dass alle an Schulgestaltung beteiligten Personen zielgerichtet und eigenverantwortlich darüber entscheiden, welche Datenquellen sie für Entwicklungen benutzen möchten. Hier ist es entscheidend, dass in Schulen jede eigene Profession ihr eigenes Deutungsmuster hat, wie die gesammelten Daten angenommen und als Basis für weitere Entwicklungen genutzt werden. Unterstützende Behörden orientieren sich vielleicht mehr an juristischen, budgetären, ökonomischen oder infrastrukturellen Gegebenheiten, während Lehrpersonen pädagogisch argumentieren und Sozialpädagogen sich als Anwalt des Kindes verstehen.
Doch zurück zur eigentlichen Frage. Wir wissen, dass die beispielsweise bei einer Hospitation oder aus anderen Quellen gesammelten Daten als Veränderungsimpuls genutzt werden und als Grundlage für die Zielbeschreibung von Entwicklungsprozessen dienen. Die weitere Steuerung ist wenig differenziert beschrieben. Wir wissen auch, dass viele enthusiastisch gestartete Projekte irgendwann stecken bleiben oder gar versanden. Gründe dafür sind vielfältig, es können eine unsorgfältige Planung, unterschiedliche Haltungen und Logiken, vorab anders eingeschätzte Dynamiken im Team oder andere Gründe dahinterstecken. Schulentwicklungsprozesse sind hochkomplex, Rezepte dafür weiterzugeben gelingt nicht, weil die Rahmenbedingungen und der situative Kontext an jeder Schule anders sind.
Es gibt verschiedene Modelle der Schulentwicklung, die bei der Planung und Gestaltung von Entwicklungsprozessen helfen können. Aus einem empirischen Forschungsprozess heraus entstand an der PH Zürich das Schulentwicklungsrad, in dem alle Merkmale zusammengefasst sind, die eine wesentliche Rolle spielen. Wichtig dabei ist, dass das Lernen der Schüler:innen der Dreh- und Angelpunkt aller Überlegungen ist. Das Schulentwicklungsrad kann als Analyse-, als Planungs- und als Reflexionsinstrument eingesetzt werden. Es wird inzwischen erfolgreich in Begleitprozessen, aber auch in Weiterbildungen wie dem CAS Schule entwickeln, eingesetzt. Hier können eigene Projekte oder Ideen begleitet von Expert:innen umgesetzt werden.
Die Realisierung von Ideen mithilfe des Schulentwicklungsrads
Kommen wir zurück zum Schulbesuch. Die Begeisterung soll nun an der eigenen Schule Früchte tragen. Mit dem Schulentwicklungsrad können die Überlegungen in verschiedene Richtungen gehen. In einem ersten Schritt hilft vielleicht zu schauen, wie die gewonnenen Ideen dem (lokalen) gesellschaftlichen Anspruch gerecht werden. Dies kann helfen, das Vorhaben den Eltern oder der Behörde gegenüber mit guten Argumenten zu vertreten. In welcher Form die Innovationen dem Lernverständnis der Schule entsprechen oder es vorantreiben, könnten weitere Fragen sein, welchen nachgegangen wird. Wichtig ist auch die Frage, welche Prozessphasen wesentlich sind oder welche Haltungen und Emotionen dabei im Team aufkommen können.
So wird Schritt für Schritt der Weg zu einer neuen und innovativen Lernkultur bewältigt. Und vielleicht hilft am Ende die Weisheit vom alten Strassenkehrer Beppo, der seiner Freundin Momo verrät, dass er beim Anblick langer Strassen, immer nur an den nächsten Schritt denkt. Dabei empfindet er eine grosse Freude und vor allem kommt er nicht ausser Puste.
INFOBOX Wenn Sie sich wie Beppo begeistern lassen möchten, dann gehen Sie im Oktober an die Studienreise nach Helsinki. Innovative Ideen und Projekte gestalten, können Sie im Lehrgang CAS Schule entwickeln Im Buch Schulentwicklung – gemeinsam unterwegs lernen Sie, wie Sie Veränderungsprozesse analysieren, planen und reflektieren können.
Zur Autorin
Heike Beuschlein ist Zentrumsleiterin für Schule und Entwicklung an der PH Zürich. Sie lässt sich auf Studienreisen gerne von neuen und erprobten Ideen begeistern und ist sehr daran interessiert, die gewonnenen Erkenntnisse für die Schulen nutzbar zu machen. Mit dem CAS Schule entwickeln sieht sie eine Chance für Schulen, sich individuell die Zeit für eine fundierte Planung nehmen können und gleichzeitig von der Expertise sowie den Austausch mit anderen profitieren zu können.
Redaktion: Melina Maerten
Titelbild: zVg
Literaturnachweise:
Klein & Hejtmanek, S. 197ff in Besa, Demski, Gesang & Hinzke 2023
Wurster, Richter, Schliesing & Pant 2013.
Brückel, Guerra, Kuster, Larcher, Spirig & Beuschlein 2023