Austausch Teacher Leader Schulqualität

Teacher Leader im Einsatz für die Schulqualität

Schulqualität ist nicht allein Aufgabe von Schulleitungen oder den formalen Entscheidungsträger:innen in Schulen. Die gemeinschaftliche Auseinandersetzung mit Qualität ist ein wichtiges Anliegen an guten Schulen – auch, aber nicht nur, wenn die externe Schulevaluation mal wieder vorbeikommt. Ein Praxisbeispiel für Schulqualität als gemeinsame Verantwortung zeigt Janine Freivogel vom Zentrum für Brückenangebote Baselland.

In einer «guten Schule» ist die systematische Auseinandersetzung mit der Qualität der eigenen Arbeit und der Leistungen auf Ebene der ganzen Organisation ein wesentliches Merkmal. Im Diskurs über die Zusammenhänge zwischen Schulführung und dem Lernen der Schüler:innen («Leadership for Learning») spricht man in diesem Zusammenhang von einer «shared accountability», von einer gemeinschaftlich geteilten Verantwortung für die Schüler:innen und Lernenden – für ihre Entwicklung beziehungsweise ihre Leistungen.

Diese gemeinsame Verantwortung nimmt an organisationalen Grenzen nicht unbedingt ein Ende, sondern bezieht sich auf das System als Ganzes. Dies zeigt sich am Beispiel von Janine Freivogel, wissenschaftliche Mitarbeiterin am kantonalen Zentrum für Brückenangebote Baselland (ZBA BL). Das Zentrum begleitet Lernende ohne Anschlusslösung nach der Sekundarschule beim Übergang in die Berufsbildung. Freivogel beschreibt in aller Kürze anhand eines Beispiels, welche Elemente wesentlich waren für die Arbeit an Schulqualität:

  • Klare Aufträge durch Entscheidungsträger:innen;
  • sinnvoll zusammengesetzte Arbeitsgruppen, in denen Teacher Leader eine Veränderung mitgestalten, die sie dann auch motiviert realisieren wollen;
  • eine systematische, prozessbegleitende Überprüfung von Massnahmen, datenbasiert und mit verschiedenen Perspektiven.

Auftrag der Schulleitung für die Neukonzipierung eines Angebotes

An einem Beispiel aus dem ZBA BL erläutere ich, wie bei uns Entwicklungsprojekte und die Auseinandersetzung mit Qualität erfolgen können: Durch gesamtschulische Umstrukturierungen mussten wir unter anderem ein Förderangebot für Lernende neukonzipieren, die eine anspruchsvolle berufliche oder schulische Ausbildung anstrebten und deren Selbstständigkeit gefördert werden sollte.

Die Schulleitung erteilte einer freiwilligen Arbeitsgruppe den Auftrag. In sechs Arbeitstagen zwischen Februar und Juli 2021 wurden die beteiligten Personen von ihren üblichen Aufgaben befreit und besuchten zur Horizonterweiterung andere Bildungsinstitutionen, vertieften sich zum Thema des selbstorganisierten Lernens und entwickelten ein Konzept. Die Schulleitung stand für Fragen und Austausche jederzeit zur Verfügung.

Im Schuljahr 2021/22 wurde das Angebot pilotiert. Klassische Unterrichtssettings werden dabei aufgebrochen. In rund 18 Lektionen des selbstorganisierten Lernens (SOL) bauen die Lernenden Kompetenzen in individuellem Lerntempo auf und legen Zeitpunkte für Leistungsüberprüfungen selbstständig fest. Lehrpersonen stehen den Lernenden jedoch immer zur Klärung von Fragen zur Verfügung und gestalten zusätzlich Inputlektionen zu spezifischen Themen. In der Lernbegleitung planen und reflektieren die Lernenden gemeinsam mit der Klassenlehrperson ihren Lernprozess.

Überprüfen und Anpassen – prozessbegleitend und datenbasiert

Im Pilotjahr tauschte sich die Arbeitsgruppe regelmässig zur operativen Umsetzung aus, was kleine unterjährige Anpassungen im Programm bewirkte. In zwei Austauschsettings zwischen Arbeitsgruppe und Schulleitung wurden zudem geringe Konzeptanpassungen während des Pilotjahrs initiiert. Darüber hinaus ermöglichte eine schriftliche Befragung der Lernenden mit anschliessendem Fokusgespräch sowie eine Telefonbefragung der Eltern, weitere Bedürfnisse und Erfahrungen einzufangen und eine breite Basis für konzeptuelle und operative Weiterentwicklungen zu legen.

In einer grösseren Runde mit der Arbeitsgruppe, einer Resonanzgruppe und der Schulleitung wurden Lösungsansätze für Herausforderungen erarbeitet. Anschliessend widmete sich die Arbeitsgruppe nochmals einen Tag konzeptuellen Arbeiten.

Rolle und Verantwortung: koordinieren, vernetzen und beraten

Als wissenschaftliche Mitarbeiterin begleite ich Entwicklungsprozesse von A bis Z und übernehme inhaltliche Vorabklärungen, die Vorbereitung der Sitzungstermine, die Protokollierung, die Erstellung von Konzepten, die Rücksprachen mit der Schulleitung und weiteren Personen sowie die Planung, Durchführung und Auswertung von Evaluationen.

Durch meine unterstützende, administrative und beratende Funktion habe ich einen Überblick über die laufenden Projekte, kann Verknüpfungen herstellen und die mitwirkenden Personen entlasten. So entwickeln unsere Lehr- und Fachpersonen tragfähige und kreative Lösungen für Herausforderungen im Bildungssystem.

Schlussfolgerungen für die Steuerung von Qualitätsentwicklung

Jedes Projekt verlangt zwar andere Rahmenbedingungen, einige Parameter konnten wir in den letzten Jahren jedoch als Standard etablieren:

  • Die Schulleitung erteilt einen Arbeitsauftrag und verabschiedet das erarbeitete Produkt oder Vorhaben für die Umsetzung im Betrieb.
  • Die Arbeitsgruppen werden möglichst divers aus Freiwilligen zusammengesetzt, um Entwicklungen von Anfang an mehrperspektivisch anzupacken.
  • Es werden Pilotphasen mit vordefinierten Evaluationszeitpunkten durchgeführt.
  • Veränderungen werden aufgrund einer möglichst breiten Datenlage initiiert.

Eine unserer Herausforderungen in Entwicklungsprojekten ist die Kommunikation. Uns gelingt es noch nicht immer, das gesamte Kollegium regelmässig und frühzeitig über die einzelnen Schritte gut zu informieren. Derzeit ist zwar ein stetig aktualisiertes Kanban-Board mit den Entwicklungsprojekten im Schulhaus installiert, dieses Tool bedient aber nur bedingt das Informationsbedürfnis unserer Mitarbeitenden.

INFOBOX

Der CAS Schulqualität richtet sich an Führungspersonen und Qualitätsverantwortliche, an verschiedenen Schnittstellen im Bildungswesen – Schulleitungen, Teacher Leader mit Qualitätsverantwortung oder Schulbehörden und Leitungen Bildung, die sich mit der Steuerung und Entwicklung von Qualität befassen.

Die nächste Durchführung des Lehrgangs CAS Schulqualität beginnt am 31.8.2023, die Anmeldung ist noch offen.

Am 19. Oktober 2023 startet das Angebot «Grundlagen Teacher Leadership». Hier stärken Lehr- und Fachpersonen in unterschiedlichen Rollen ihre Führungskompetenzen.

Am Freitag, 23. Juni 2023 folgt auf unserem Schulführungsblog ein weiteres Praxisbeispiel für Schulqualität als gemeinsame Verantwortung der Primarschule Elgg mit Sandra Probst.

Zu den Autorinnen

Janine Freivogel

Janine Freivogel ist Absolventin des CAS Schulqualität. Als Wissenschaftliche Mitarbeiterin am ZBA BL begleitet, unterstützt und berät sie die Schulleitung, die Lehr- und Fachpersonen und das administrative Personal in diversen Schulentwicklungsprojekten. Ihr beruflicher Background ist vielseitig, aber stets mit dem Blick auf Bildung und deren Qualität: Als DaZ-Lehrperson, Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der PH FHNW, dem Kanton Baselland und nun dem ZBA BL interessiert sie sich dafür, wie gutes Lernen und gute Schulen funktionieren und gestaltet werden können.

Nina-Cathrin Strauss ist Dozentin am Zentrum Management und Leadership. Als Weiterbildnerin und Forscherin interessiert sie sich für moderne, gemeinschaftliche Formen von Führung und die Professionalisierung der beteiligten Führungspersonen, insbesondere Teacher Leader und Schulleitungen. Sie ist Leitungsmitglied im CAS Schulqualität, DAS Schulleitung und verantwortet den Themenschwerpunkt Teacher Leadership.

Redaktion: Melina Maerten
Titelbild: adobe stock / Rudzhan

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