Personalentwicklung von Schulleitenden als (aktuelle) Kernaufgabe von Schulbehörden

Gibt es zu wenige Lehrer:innen, wählen sich diese ihre Schulen und damit auch ihre Schulleitungen aus. Gibt es zu wenige Schulleitende, so suchen sich diese ihre Schulen und ihre Schulpflegen aus. Personalentwicklung wird dadurch für die Schulpflegen zu einem viel wichtigeren Thema. Niels Anderegg zeigt auf, dass es einen Zusammenhang zwischen dem Mangel an Lehrer:innen und an Schulleitenden geben kann.

Zurzeit steht der Lehrpersonenmangel im Zentrum vieler Diskussionen. Gute Schulen brauchen gute Lehrer:innen – fehlen diese, so besteht die Gefahr, dass auch die Qualität der Schule sinkt. Der Fachkräftemangel betrifft jedoch nicht nur die Lehrpersonen, sondern auch die Schulleitenden. Schon seit einiger Zeit scheint der Markt an guten Schulleiter:innen trocken zu sein und etliche Präsident:innen von Schulpflegen haben in den letzten Jahren berichtet, dass es immer schwieriger wird, eine gute Schulleitung zu finden. Findet man jedoch keine geeignete, wird es in mehrfacher Hinsicht teuer:

  • Besetzt man die Stelle mit einer ungeeigneten Person, besteht die Gefahr, dass gute Lehrer:innen die Schule verlassen und die Suche nach neuen dadurch nicht vereinfacht wird. Wer will – wenn man schon die Auswahl hat – an einer Schule arbeiten, die von Lehrer:innen verlassen wird?
  • Trennt man sich nach etlichen Schwierigkeiten und Krisen von der Schulleitung, steht man wieder am Anfang der Suche. Jedoch aus einer deutlich geschwächten Position heraus. Wer will eine Schule leiten, welche in den letzten Jahren etliche Schwierigkeiten und Krisen hatte?
  • Stellt man statt einer ungeeigneten Person eine:n Springer:in ein, hat man die Chance, dass die Schule ruhig weiterläuft. Man gibt jedoch einiges an Geld aus und gewonnen hat man – ausser der Zeit – noch nichts. Die neue Schulleitung muss weiterhin gefunden werden.

Was kann man als Schulpflege tun, damit man nicht in einen solchen Teufelskreis kommt? Nachfolgend werden drei Themenfelder zur Diskussion gestellt.

Gute Schulen finden einfacher gute Schulleiter:innen, dadurch auch gute Lehrer:innen

Der Personalmangel sowohl bei den Schulleiter:innen als auch bei den Lehrer:innen zeigt sich an den verschiedenen Schulen sehr unterschiedlich. So gibt es welche, die weiterhin auswählen können, während andere schon beinahe aufgegeben haben, überhaupt einigermassen ausgebildete Personen zu finden. Ohne wissenschaftlich erhobene Zahlen, kann man wohl davon sprechen, dass es «guten»[1] Schulen leichter fällt, gutes Personal zu finden als den «schlechten» Schulen. Oder anders ausgedrückt: An welcher Schule würden Sie lieber arbeiten?

Eine «gute Schule» sein zu wollen, ist eigentlich eine Selbstverständlichkeit, welche sich jedoch durch den Fachkräftemangel noch weiter akzentuiert. «Tue Gutes und sprich darüber» wird zu einer wichtigen Führungsmaxime. Es gibt viele «gute Schulen», aber auch einige «nicht-so-gute» und auch «schlechte Schulen». Leider.

Wie sieht es mit Ihrer Schule aus? Machen Sie den Test:

In welchen Bereichen ist Ihre Schule eine «gute»? Woran erkennen Sie dies? Würden andere Personen – beispielsweise Schüler:innen, Eltern und Lehrlingsbetriebe dies auch so sehen? Oder wie würden sie antworten?

In welchen Bereichen könnte Ihre Schule noch besser werden? In welchen Bereichen muss Ihre Schule noch besser werden? Wie würden andere Personen dies einschätzen?

Die regelmässige Auseinandersetzung mit den beiden Fragenkomplexen sind wesentliche Voraussetzungen einer «guten Schule». Wenn man sich als Schule seinen eigenen Stärken bewusst ist und darüber spricht, sich schrittweise mit den eigenen Schwächen auseinandersetzt und machbare Entwicklungsschritte angeht, dann hat man gute Chance eine «gute Schule» zu sein oder ist mindestens auf dem Weg dorthin. Dort ist es attraktiv als Schulleiter:in zu arbeiten.

Der Schulbehörde kommt in dieser Auseinandersetzung um die «gute Schule» eine wichtige Aufgabe zu. Wenn sie regelmässig – beispielsweise einmal im Jahr – in einer Klausur mit der Schulleitung und allenfalls mit Lehrer:innen über diese Fragen wohlwollend kritisch in die Auseinandersetzung gehen, fördern sie einen produktiven Umgang mit Qualitätsfragen und kommen gleichzeitig ihrer Aufsichtsfunktion nach. Dabei geht es nicht darum, die Schulleitung zu gängeln oder zu kontrollieren, sondern sich für ihre Arbeit zu interessieren und sich gemeinsam für die «gute Schule» zu engagieren.

Bei Sachen, welche an einer Schule verbessert werden müssen, soll nicht der gemachte Fehler, sondern die mögliche Lösung im Vordergrund stehen. Wer kann was tun, dass die Schule sich in diesem Bereich verbessert? Dadurch wird ein entwicklungsorientierter Ansatz gewählt. Ein wesentliches Qualitätsmerkmal einer «guten Schulleitung» ist ihre stetige Weiterentwicklung im Sinne der Professionalisierung. Die Schulpflege als vorgesetzte Behörde kann dafür einen wesentlichen Anstoss geben.

Personalentwicklung beginnt bei der Nachwuchsförderung

Eine Schulpflege, welche die Professionalisierung der Schulleitung unterstützt und selbst entwicklungsorientiert führt, hat eine hohe Chance, dass die Schulleitungen lange bleiben und gute Arbeit leisten. Sie haben aber auch die Möglichkeit – und wie ich gleich ausführen werde auch die Pflicht – Nachwuchsförderung zu betreiben.

Die heutige Schulführungsforschung geht davon aus, dass die Führung einer Schule auf verschiedene Schultern verteilt ist und Schulleitungen weder Supermänner noch Wunderfrauen sind, welche alles können. Die Führung einer Schule braucht unterschiedliche Personen: angefangen bei der Schulpflege über die Schulleitung, die Leitung der Schulverwaltung, Leitung Betreuung und unterschiedlichen Teacher Leaders. Während die Schulleitung, die Schulbehörde, die Leitung der Schulverwaltung oder auch die Leitung Betreuung spezifische Führungsausbildungen haben, geht man bei den Lehrpersonen meist davon aus, dass diese sowieso führen können. Schliesslich leiten sie auch ihre Klassen.

Ich bin überzeugt, dass dies ein Fehlschluss ist, da die Führung einer Klasse deutlich andere Kompetenzen benötigt als Kolleg:innen zu leiten. Damit Teacher Leaders effektiv führen können, brauchen sie spezifische Instrumente wie beispielsweise die Kompetenzen eine Sitzung zu leiten oder Projekte zu strukturieren und die Auseinandersetzung mit der eigenen Führungsrolle. Für die Schulbehörden besteht die Möglichkeit, hier zukünftige Schulleitungen zu rekrutieren.

Viele Teacher Leaders werden Lehrer:innen bleiben und das ist auch gut so. Es gibt auch solche, welche später in die Schulleitung wechseln wollen. Diese im Auge zu haben, sie in ihrer Entwicklung zu unterstützen, kann dazu führen, dass die für eine Schulleitungsaufgabe geeigneten Personen diesen Weg gehen. Personen, welche weniger geeignet sind, werden dies während der ersten Ausbildungsschritte hoffentlich merken und sich geeigneteren Entwicklungsmöglichkeiten zuwenden.

Einige werden nun einwenden, dass sie die neue Schulleitung nicht aus dem eigenen Team rekrutieren wollen. Das mag in gewissen Situationen sinnvoll sein. Die geförderte Person wird in diesem Fall beim Schritt in die Schulleitung die Schule verlassen und eine andere kann davon profitieren. Wenn dies ein Grund ist, die Person nicht zu fördern und alle Schulen so denken, dann gibt es keine Nachwuchsförderung. Wenn aber alle Nachwuchsförderung betreiben, dann können Schulen voneinander profitieren. Es ist dann gut möglich, dass ein geeigneter Teacher Leader als Schulleitung an die eigene Schule wechselt.

Schulleiter:innen fördern und fordern

Das letzte Themenfeld beschäftigt sich mit einer der wichtigsten Aufgaben der Schulbehörde: der Personalführung und damit auch Personalentwicklung von Schulleitenden. Einfacher als gute Schulleitungen zu finden ist es, geeignete an der eigenen Schule zu halten. Es kann in gewissen Situationen Sinn machen, dass ein:e Schulleiter:in nach vielen Jahren einmal die Schule wechselt.

Ein Wechsel gibt immer neue Impulse. Die durchschnittliche Verweildauer einer Schulleitung im Kanton Zürich ist ungefähr sieben Jahre. Das hört sich im ersten Moment lange an, ist jedoch, wenn man bedenkt, dass viele Schulleitungen deutlich länger als sieben Jahre an einer Schule sind, nicht besonders lange. Hier gibt es Potenzial, Kosten zu sparen und Qualität zu gewinnen.

Wie gelingt es, dass eine Schulleitung länger an der Schule bleibt? Eine Antwort darauf ist Personalführung und darin eingeschlossen Personalentwicklung. Oder anders ausgedrückt: Schulleitungen fördern und fordern.

Auch in einem sehr kollegialen Schulklima ist die Schulleitung doch nicht Kolleg:in der Lehrer:innen, sondern deren Vorgesetzte:r. Dies macht etwas mit den Menschen und aus diesem Grund erleben Führungspersonen immer auch wieder Momente, in denen sie auf sich allein gestellt sind. Gerade bei schwierigen Geschäften sind sie häufig einsam und bewegen sich zwischen den verschiedenen Ebenen. Da ist es sehr hilfreich, wenn die Schulleitung mit der Schulbehörde beziehungsweise dem Präsidium in Kontakt ist.

Ein wesentliches Element der Personalführung ist, sich für die Personen zu interessieren und mit ihnen regelmässige, professionelle Gespräche zu führen. In diesem geht es um Themen der Schule – siehe erster Punkt– aber auch der Schulleitung. Die Kunst dabei ist auch Schwieriges, konstruktiv und lösungsorientiert anzusprechen. Die regelmässigen Gespräche helfen, eine Vertrauensbasis und ein Klima der Wertschätzung zu schaffen.

Schulleitungen brauchen aber auch immer wieder Impulse und hier setzt die Personalentwicklung an. Nach der offiziellen Schulleitungsausbildung erlernen die Schulleitenden zu Beginn der Laufbahn die Grundlagen der Schulführung und setzen sich mit der neuen Rolle auseinander. Eine professionelle Schulleitung braucht jedoch mehr als nur die Grundlagen. Der stete Wandel an der Schule bedingt eine fortwährende Weiterentwicklung, auch der Schulleitung. Die wirkungsvollste Form der Weiterentwicklung ist, dass Schulleitende sich mit Fragen aus ihrem Berufsalltag auseinandersetzen, diese immer wieder reflektieren und mit neuem Wissen verbinden.

In der Auseinandersetzung zur eigenen «guten Schule» taucht allenfalls ein Thema auf, welches als nächstes angegangen werden soll. Wie kann die Schulleitung diese Veränderung initiieren? Welchen Beitrag kann sie dazu beitragen? Welche Erfahrungen hat sie in diesem Bereich bereits? Welches Wissen und Können braucht sie zusätzlich? Personalentwicklung meint, sich immer wieder solche Fragen zu stellen und Entwicklungen – auch bei sich selbst – anzugehen.

Personalentwicklung meint nicht, dass die Schulpflege mit den Schulleitungen solche Fragen gemeinsam anschaut. Da ist es oft hilfreicher, wenn Schulleitungen diese Auseinandersetzung ausserhalb der eigenen Organisation in einem Führungscoaching oder einer kollegialen Intervision unter Kolleg:innen durchführt. Die Aufgabe der Schulbehörden besteht jedoch darin, diese anzuregen und zu unterstützen sowie sinnvolle Weiterbildungen zu unterstützen.

INFOBOX

Falls dieser Blog Sie zum Diskutieren anregt, haben Sie die Möglichkeit, das Thema «Personalentwicklung von Schulleitenden als Führungsaufgabe der Schulbehörden» anlässlich der Themenreihe «Fokus Schulbehörden» vom 6. Juni 2023 zwischen 18 und 20 Uhr zu vertiefen. Die Veranstaltung findet online statt, sodass sie bequem von zu Hause aus teilnehmen können. Zudem nimmt das Symposium Personalmanagement vom 16. Juni 2023 das Thema der Führung im Mehrebenensystem auf. Dieses findet an der PH Zürich statt und bietet die zusätzliche Möglichkeit der Vernetzung. Als einer der Hauptreferenten ist Reinhard Sprenger.

[1] «Gute Schule» wie auch «schlechte Schule» wird bewusst in Anführungszeichen geschrieben, da die Definition einer «guten beziehungsweise schlechten Schule» einer normativen Setzung bedarf und es deshalb keine eindeutig messbaren Kriterien für das eine oder andere gibt. Gleichwohl kennen wir alle sowohl «gute» als auch «schlechte Schulen» .

Zum Autor

Niels Anderegg leitet das Zentrum Management und Leadership an der Pädagogischen Hochschule Zürich. Seine Arbeitsschwerpunkte sind Pädagogische Schulführung, Teacher Leadership und Professionalisierung von Führungspersonen von und in Bildungsorganisationen.

Redaktion: Melina Maerten
Titelbild: adobe stock / Nuthawut

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