Fiktives Bewerbungsinterview für eine Schulleitungsstelle

Bewerbungscoaching – Unterstützung für den Berufsfeldwechsel

Der zweite CAS Quereinstieg Schulleitung schliesst im Juni 2023 ab. Die Absolvent:innen haben sich während eines Jahres mit der Führung einer Schule und der Frage, ob sie den Einstieg in den Schulbereich machen wollen, auseinandergesetzt. Bei einem Ja stehen sie nun vor der Herausforderung, eine passende Schulleitungsstelle zu erhalten. Parallel dazu müssen sich die Entscheidungsträger:innen in den Schulgemeinden damit auseinandersetzen, ob sie sich auf eine branchenfremde Schulleitung einlassen. Im Bewerbungscoaching treffen die Absolvent:innen mit Schulbehörde-Mitgliedern zusammen, um sich darauf vorzubereiten. Natalie Glatthaar Brändle erklärt den Ablauf.

Unsere Gesellschaft ist über die vergangenen Jahrzehnte pluralistischer geworden. So gibt es keine selbstverständliche Kultur und Zugehörigkeit mehr. In unserer westlichen Gesellschaft gibt es die Freiheit, sich zu entscheiden und auch einmal etwas auszuprobieren. Und der Beruf als eine der wichtigen Säule unserer Identität ist ein Teil davon. Laufbahnen werden zunehmend individueller. Das Konzept der ‘Boundaryless Career’ von Arthur und Rousseau in der Laufbahnforschung bildet diesen Trend ab.

Individuen in Wissensberufen steuern ihre Karrieren dynamisch über die Grenzen der Branche. Oft ist es selbst gewollt, manchmal sind diese Wechsel jedoch aufgrund äusserer Umstände notwendig. Und die Schule ist für viele Berufsleute ein attraktiver beruflicher Schritt – häufig wird hierbei der Sinn als ein zentraler Faktor für die Attraktivität genannt.

Welches ist mein Antrieb für den Berufsfeldwechsel?

So haben sich auch die Teilnehmenden des Wahlmoduls «Bewerbungscoaching» am ersten Tag intensiv mit der Frage nach dem Warum und Ihrem Antrieb für eine Schulleitungsstelle auseinandergesetzt. Dies auf dem Hintergrund des Golden Circle, einem Denkmodell aus dem Marketing von Sinek, wonach der eigene Auftritt an Überzeugungskraft gewinnt, wenn man diesen Kern kennt.

In einem weiteren Schritt ging es um Fragen: Passe ich eher in eine grössere und urbane Struktur oder in eine kleine ländliche Gemeinde mit kurzen Entscheidungswegen? Welches soziale Umfeld passt zu mir? Welche pädagogischen Ansätze sind in den Inseraten zu erkennen und was spricht mich dabei an? Die Passung darf aber keineswegs als ein einmaliger Vorgang verstanden werden, wie das Einsetzen eines Puzzleteils. Sondern es ist ein Prozess der Rollenfindung, welcher sich in der Zusammenarbeit weiterentwickelt und im Falle einer Anstellung in einem umsichtigen «Onboarding» aktiv begleitet werden kann.

So verläuft das Bewerbungsinterview

Bei der Personalauswahl wird eine Prognose über den Erfolg des/der Kandidat:in in der künftigen Funktion angestrebt. Interviewende haben das Ziel, eine Fehlanstellung zu verhindern. Ihr Gegenüber hingegen, der/die Kandidat:in für eine Stelle, hat für sich ein anderes Risiko, welches es zu verhindern gilt. Sie fürchten trotz Eignung und hoher Motivation, die Stelle nicht zu erhalten. Daher wollen sie sich in einem möglichst guten Licht darstellen. Es gilt also für Interviewende mit einer guten Fragetechnik zu konkreten Beispielen zu kommen, die unterschiedlichen Bewerbenden dank eines Anforderungsprofils möglichst objektiv einschätzbar zu machen und zugleich eine einladende Atmosphäre zu schaffen, damit die Kandidat:innen sich möglichst offen mit ihrem Potenzial aber auch den Schwächen zeigen können.

Aber die Personalauswahl bleibt ein Verfahren ohne 100 Prozent Sicherheit. Auch mit einem multimodalen Vorgehen (Kombination von strukturiertem Bewerbungsinterview, Fallübungen und IQ-Test) kann höchstens eine Prognose mit 70 Prozent Sicherheit erreicht werden kann. So resümiert Schuler, dass offenbar bei derzeitigem Wissensstand eine Grenze der Prognostizierbarkeit menschlichen Verhaltens existiert. Und beim Vergleich all der unterschiedlichen Personalauswahlverfahren schneidet das kriterienbasierte Bewerbungsinterview am besten ab, wenn neben der Aussagekraft, die Machbarkeit und Akzeptanz eines Verfahrens miteinbezogen werden.

Bei Quereinsteigenden in eine neue Branche – und so auch im Schulwesen – ist die Unsicherheit für die Entscheidungsträger:innen noch grösser. Wie kann man Fragen stellen, wenn noch keine effektiven beruflichen Erfahrungen gemacht wurden? Wie kann man einschätzen, ob sich jemand in den Strukturen und Gegebenheiten der Volksschule zurechtfinden wird? Und sind Führungserfahrungen aus anderen Branchen übersetzbar für die Schule? Ein Weg zur Einschätzung sind die sogenannten tätigkeitsübergreifenden beruflichen Kompetenzen und passenden offenen Fragen hierzu.

Fiktive Interviews als Übungsfeld für Teilnehmende und Behördenmitglieder

Im Bewerbungsoaching war das Interview das Herzstück am zweiten Tag. Die Schulpräsidien führten fiktive Kurzinterviews mit den Kandidat:innen durch. Diese wurden von ihnen als ein lehrreiches Übungsfeld erlebt. Aber auch für die Interviewenden war es eine gute Möglichkeit, ihre Technik bei Bewerbungsgesprächen zu üben, die eigenen Auswahlkriterien zu reflektieren und sich im Austausch mit den Teilnehmenden mit dem Feld an Kandidat:innen für Schulleitungsfunktionen auseinanderzusetzen. Gerade damit schärfen sie auch ihr Gefühl für den Arbeitnehmer:innen-Markt und verbreitern ihre Vergleichsbasis von möglichen Kandidat:innen.

Beim anschliessenden Mittagessen im Tagungszentrum Schloss Au ging der Austausch ungezwungen weiter zwischen den Behördemitgliedern und den Antwärter:innen für eine Schulleitungsfunktion. Es wurden aktuelle Schulthemen erörtert, die Unterschiede zwischen den Gemeinden diskutiert und so das intensive Training abgeschlossen. Den Teilnehmenden steht nun der Praxistest bei den Bewerbungen auf Schulleitungsstellen bevor, um ihren angestrebten Berufsfeldwechsel weiter zu verfolgen.

INFOBOX

Möchten Sie als quereinsteigende Führungsperson sich selbst erfolgreich bewerben und eine Schulleitungsstelle antreten? Dann lesen Sie sich in die Ausschreibung vom CAS Quereinstieg Schulleitung ein, der im September 2023 beginnt.

Literaturnachweise

  • Arthur, M.B. & Rousseau, D.M. (1996).The boundaryless career: A new employment principle for a new organisazional era.  New York: Oxford University Press.  
  • Schuler, Heinz (2018). Das Einstellungsinterview – 2., überarbeitete Auflage. Göttingen: Hogrefe Verlag.
  • Sinek S. (2014). TED Talk: How great Leaders inspire Action.

Zur Autorin

Natalie Glatthaar Brändle

Natalie Glatthaar Brändle, arbeitet seit 2022 als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der PH Zürich im Zentrum Management und Leadership. Sie hat dabei ihre Schwerpunkte im Personalmanagement und -entwicklung. Vor ihrem Einstieg war sie beruflich in unterschiedlichen Branchen und der Verwaltung im HR tätig unter anderem als Fachbereichsleiterin Personal in einer grossen Zürcher Schulgemeinde. Nebenbei ist sie selbstständige Mediatorin SDM und begleitet Teams in der Konfliktklärung und Entwicklung.

Redaktion: Melina Maerten


Titelbild: Daniela Jung und Ladina Fluri (Teilnehmerinnen im CAS Quereinstieg) mit Susanne Hänni, Schulpräsidentin Dübendorf (v. l.), bei einem der fiktiven Interviews im Schloss Au.

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