Helen Hora, Schulleiterin Schule Holderbach in Zürich

Onboarding-Konzept hilft neuen Lehrpersonen, sich einzuleben

Der Lehrpersonen-Mangel war ein grosses Thema im Sommer 2022. Schweizweit haben sich Schulleitungen um die Besetzung von Stellen bemüht und kreative Lösungen gesucht, um Lücken zu füllen. Die Anstellungen von Personen ohne Lehrdiplom wurden viel diskutiert. Helene Hora, Schulleiterin an der Schule Holderbach Zürich, hat sich zu dieser Zeit im Rahmen ihrer Zertifikatsarbeit in der Schulleitungsausbildung mit Onboarding beschäftigt. Sie berichtet von ihren Erfahrungen.

Seit 2021 sind so viele Kinder auf die Welt gekommen wie seit 1972 nicht mehr. Die Personen aus geburtenstarken Nachkriegs-Jahrgängen wurden oder werden pensioniert. Die Schüler:innenzahlen wachsen und auch in den kommenden Jahren ist ein Anstieg zu erwarten, besonders in den Städten. Für den Schulalltag bedeutet dies eine gegenwärtige Herausforderung. Schulen müssen sich auf die neue «Babyboomer-Generation» einstellen. Diese Tatsache war für mich im Dezember 2022 sehr klar, als ich vor der Herausforderung stand, in Zeiten des Lehrermangels ganze 16 neue Lehrpersonen einzustellen. Dass ich damit nicht allein war, zeigte sich an den vielen Mails unter Schulleitungen nach dem Motto: «Wer hat? Ich suche noch.»

Verschiedene Erlebnisse während der Suche zeigten mir, dass auch das grösste Engagement beim Inserieren nur schwer hilft, um mehr Sichtbarkeit oder motivierte Interessierte zu erreichen. So konnte ich eine Kindergartenstelle kaum besetzen, stellte das Inserat auf diverse Seiten, animierte mein Team, die tatkräftig halfen und das Inserat ihrerseits in diverse Chats stellten. Die Forderung einer Interessierten, die Schule solle doch Kosten und Logis übernehmen, verblüffte mich zu der Zeit kaum noch. Und nach dem Anruf einer ausgebildeten Heilpädagogin hatte ich das Gefühl, den Jackpot gewonnen zu haben. Rückblickend eine sehr ereignisreiche, intensive Zeit – vor allen Dingen weil ich frisch im Amt war.

Neues versuchen mit «Employer Branding»

Schnell wurde deutlich, dass ich andere Wege suchen musste, um mit einem vollständigen Team starten zu können. Mit einem sogenannten «Employer Branding» verfolgte ich das Ziel, unsere Schule als attraktive, unverwechselbare und glaubwürdige Arbeitgeberin darzustellen und im Wettbewerb um gutes Personal als Marke positiv zu positionieren. Der Weg zu einer Arbeitgebermarke, einem Employer Brand, war ein einjähriger Prozess und muss im Gesamtkontext der Schule strategisch gesehen werden, um einerseits bestehende Lehrpersonen zu binden, andererseits passende Bewerbungen zu erhalten.

Dafür entwickelte ich partizipativ ein neues, wertbasiertes Leitbild mit dem Ziel, die Mitarbeitendenzufriedenheit und -motivation durch gemeinsam definierte Werte zu erhöhen. Ich erhoffte mir dadurch eine stärkere Identifikation mit der Schule, weil die Werte diskutiert beziehungsweise erlebbar gemacht werden und sich dadurch das Arbeitsklima verbessert, was wiederum zufriedene und loyale Lehrpersonen mit sich bringt. Dies wiederum wirkte sich positiv auf die Leistungsmotivation aus, was letztendlich den Kindern zugutekommt. Des Weiteren beeinflussten gemeinsame Anlässe und das Sichtbarmachen von kleinen Erfolgen auf einer gemeinsamen digitalen Plattform das Arbeitsverhältnis und -klima positiv. Eine gemeinsame Corporate Identity schaffte eine gewisse visuelle Einheit. Die neu überarbeitete Webseite und der eigene Werbefilm für unsere Schule, steigerte den Bekanntheitsgrad und führte zu mehr Bewerbungen.

Doch es ging nicht nur um die Aussenwirkung, denn die Massnahmen waren für unseren Prozess als Schule wichtig. Intern führt eine hohe Arbeitgeberattraktivität zu einer gesteigerten Identifikation mit der Schule und zu einem Zusammengehörigkeitsgefühl innerhalb des Personals. Die internen Effekte führen zu einem Zirkeleffekt, indem die neuen Mitarbeitenden effizienter eingearbeitet und sozialisiert wurden und indem stolze und zufriedene Lehrpersonen die beste Werbung für eine Schule sind.

Onboarding als Spiegel der Führungs- und Teamkultur

Ein neu erstelltes Onboarding-Konzept sollte eintretenden Lehrpersonen helfen, sich in den ersten Monaten in der Schule einzuleben und sich zu integrieren, da die erste Zeit im neuen Job prägend für die Berufsidentität und somit entscheidend für die Motivation und weitere Professionalisierung sind. Die Art und Weise, wie man willkommen geheissen wird, setzt einen bedeutsamen Akzent in Bezug auf die Wahrnehmung der vorherrschenden Kultur. Mir war es wichtig, hier selbst als Schulleitung präsent zu sein, neue Teammitglieder in Empfang zu nehmen und das nicht zu delegieren.

Die Austauschsitzungen gaben mir die Möglichkeit, auf Irritationen oder Unsicherheiten zu reagieren, welche die Einarbeitung im Team ausgelöst hatte, zum Beispiel durch Aussagen von meinungsstarken erfahrenen Teammitgliedern. So gesehen sind diese Onboarding-Gespräche der Spiegel der aktuellen Teamkultur und zeigen auch mir die Stärken und Schwächen in Organisation, Alltag und im Miteinander auf. Ich habe die Möglichkeit, darauf zu reagieren. Onboarding ist somit eine Aufgabe, die für mich zu den Verantwortungsbereichen einer Schulleitung zählt und nicht delegiert werden kann, da sie für die Identifikation mit der Organisation und die Mitarbeitendenbindung positiv beeinflusst werden kann.

Alle Herausforderungen bei der Suche nach Lehrpersonen verflogen?

Ein Jahr später haben sich nicht alle meine Herausforderungen in Luft aufgelöst und ich suche auch dieses Jahr wieder Lehrpersonen. Das Thema wird uns als Schulen und Schulleitungen weiter begleiten. Doch ich habe gelernt, dass die Lehrpersonen und ihre Kommunikation mit den potentiellen Kolleg:innen eine grosse Hebelwirkung haben können. Das war mir bisher zu wenig bewusst. Ich habe gelernt, dass die Mitarbeitenden mein wertvollstes Gut sind und dass motivierte und qualifizierte Lehrpersonen, die ihren Bildungsauftrag adäquat wahrnehmen, ein zentraler Erfolgsfaktor und eine Gelingensbedingung für eine Schule sind.

Die oben beschriebenen Massnahmen haben aus meiner Sicht die Bindung zu den Mitarbeitenden gestärkt, weil die gelebten Werte zum Beispiel in «Wertewochen» im Schulalltag umgesetzt werden und die Schulleitung diese vorlebt. Durch das Ziel, die Aussenwahrnehmung unserer Schule zu stärken, haben wir uns als Team weiterentwickelt und am gemeinsamen Fundament gearbeitet: unserer Identität als Schule und Team.

INFOBOX

Was können Schulen in Zeiten des Fachkräftemangels tun? Ein Webdialog der Reihe #schuleveranworten zu diesem Thema findet am 1. Juni 2023 statt.
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Literaturnachweise

  • Lohaus, Daniel und Habermann, Wolfgang, 2015. Integrationsmanagement: Onboarding neuer Mitarbeiter. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht.
  • Böckelmann, Christine und Mäder, Karl, 2017. Fokus Personalentwicklung: Konzepte und ihre Anwendung im Bildungsbereich: Zürich: Springer
  • Gerny, Daniel und Aschwanden, Erich. 2022. «Neuer Babyboom verschärft den Lehrermangel.» Neue Zürcher Zeitung, 11. Juni.
  • Kriegler, Wolf Reiner, 2012. Praxishandbuch Employer Branding: mit starker Marke zum attraktivem Arbeitgeber werden

Zur Autorin

Helen Hora

Helen Hora, begann mit einer kaufmännischen Ausbildung, arbeitete auf einer Schweizer Bank und erfüllte sich anschliessend ihren Mädchentraum, als Luftverkehrsangestellte und Flight Attendant zu arbeiten. Mit einer Ausbildung zur Primarlehrperson konnte sie sich ihrer Herzensangelegenheit, den Kindern, widmen. Ab 2014 unterrichtete sie als Klassenlehrperson an der Schule Holderbach in Zürich und wechselte 2021 in die Schulleitung.

Redaktion: Melina Maerten
Bilder: zVg

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