Besondere Leistungen und Beiträge im Team sichtbar zu machen, schafft Anerkennung und stärkt die Handlungsspielräume von Teacher Leadern. Schulleitungen und andere Führungskräfte können hier ihren Beitrag leisten, wie Nina-Cathrin Strauss erläutert.
Sich selbst als kompetent und wirksam zu erleben, ist insbesondere im beruflichen Kontext ein Bedürfnis von Menschen. Das Erleben und Erwarten von Selbstwirksamkeit – dem der kanadische Psychologe Albert Bandura mit der Selbstbestimmungstheorie (1997) federführend zu grosser Bedeutung verholfen hat – ist nach wie vor ein grosses Thema im Bildungsbereich. Denn als Pädagog:innen und Fachpersonen im Bildungsbereich sind wir immer wieder konfrontiert mit dem eigenen und fremden Selbstwirksamkeitserleben. Warum ist das Konzept so wichtig für uns?
«Mit dem Begriff der Selbstwirksamkeitserwartung wird zum Ausdruck gebracht, dass Menschen eine subjektive Überzeugung von ihren Kompetenzen haben. Positive Selbstwirksamkeitserwartungen fördern die Motivation, neue und schwierige Aufgaben zu bearbeiten und dabei Anstrengung aufzuwenden. Negative Selbstwirksamkeitserwartungen dagegen lassen Menschen initiativlos werden oder veranlassen sie vorzeitig aufzugeben.» (Jerusalem 2002, 8)
Ökonomisch betrachtet ist für Führungspersonen das Selbstwirksamkeitserleben ihrer Mitarbeitenden also ein zentraler Faktor für die Leistung und Effektivität in Hinblick auf das Produkt.
Etwas menschlicher betrachtet: Mit Blick auf das Schulwesen ist das Selbstwirksamkeitserleben der Lehr- und Fachpersonen ein Faktor, der Schüler:innen in ihrem Lernen positiv beeinflussen kann. Und hier einen Unterschied zu machen ist Ziel und Anspruch von Schule und Schulführung.
Durch den neuseeländischen Pädagogen John Hattie wissen wir, dass auch die kollektive Selbstwirksamkeitsüberzeugung grosse Wichtigkeit als Teamfaktor mit hoher Wirkung auf die Schüler:innen hat. Diese geht noch einen Schritt weiter und bezieht sich auf die Überzeugung von der Wirksamkeit der Kolleg:innen beziehungsweise des Teams. Solche Teammitglieder sagen beispielsweise (Schwarzer/Jerusalem 1999):
- Ich habe Vertrauen, dass wir Lehrer:innen es an unserer Schule gemeinsam schaffen können, pädagogische Projekte in die Tat umzusetzen, auch wenn Schwierigkeiten auftreten.
- Ich bin davon überzeugt, dass wir als Lehrer:innen gemeinsam für pädagogische Qualität sorgen können, auch wenn die Ressourcen der Schule geringer werden sollten.
- Ich bin sicher, dass wir als Lehrer:innen pädagogische Fortschritte erzielen können, denn wir ziehen gemeinsam an einem Strang und lassen uns nicht von den Alltagsschwierigkeiten aus dem Konzept bringen.
Wie würden Sie reagieren? Wie schätzen Sie Ihr Team ein?
Anerkennung durch Sichtbarkeit schaffen
Das Vertrauen in die Kompetenz der Kolleg:innen ist also wichtig, um für das Lernen der Schüler:innen einen Unterschied zu machen. Dafür müssen wir voneinander wissen, unsere Praxen kennen und von unserer Expertise wissen. Welche Rolle spielt dabei die Führung? Für eine Kultur, in der Anerkennung, Wertschätzung ebenso wie konstruktives Feedback erlebt und gelebt werden, eine ganz Wesentliche. Schulleitungen können individuell Feedback geben, loben und wertschätzen und einzelne Mitarbeitende für ihre Leistung in Beurteilungs- oder Zielgesprächen anerkennen. Zur Stärkung des kollektiven Vertrauens in die Wirksamkeit und Kompetenz des Teams braucht es jedoch mehr – und zwar Sichtbarkeit. Eine Erfahrung dazu.
In Modulen zeigen Organisationsanalysen von Teacher Leadern aber auch Schulleitungen immer wieder «blinde Flecken» auf. Sich zu überlegen, wer in der Schule spezielle Themen verantwortet, für Bereiche oder Abteilungen Ansprechperson ist oder sich informell einbringt, macht das Engagement Einzelner ebenso sichtbar wie das der Gemeinschaft. Im Gegensatz dazu ist es schwierig für Teacher Leader, sich einzubringen, wenn sie für die Kolleg:innen mit ihrer Expertise nicht sichtbar sind und beispielsweise keinen Raum an Teamkonferenzen erhalten, um sich mit ihren Themen und Ideen einzubringen. Ein reelles Negativbeispiel aus meiner Forschungsarbeit, in der eine themenverantwortliche Lehrperson so keinerlei Handlungsspielraum hatte, um sich mit ihrer Expertise in einem speziellen Thema einzubringen. Sie wurde von Kollegium und Schulleitung schlicht nicht wahrgenommen.
Als Schulleitung (Behördenmitglied oder Leitung Bildung) habe ich die Möglichkeit, der Expertise und Leistung im Team Raum zu geben und Sichtbarkeit für die Beiträge verschiedener Kolleg:innen zu schaffen. Beides drückt Anerkennung aus und öffnet Raum, damit sich eine gemeinschaftliche pädagogische Verantwortung im Kollegium entwickelt. Während einige von uns mit öffentlichem Lob oder zu grosser Sichtbarkeit vielleicht hadern, ist dies wichtige Voraussetzung für den Erfolg als Team.
Sichtbarkeit von individueller Verantwortung, Zusatzaufgaben und Spezialwissen stärkt die Legitimation und den Handlungsspielraum für Teacher Leader, um sich kompetent und effektiv einzubringen. So wird es möglich, Einfluss zu nehmen und sich als wirksam zu erleben. Führungspersonen fördern durch die Sichtbarkeit eine offene und konstruktive Lernkultur im Kollegium. Sie leisten einen wichtigen Beitrag für das kollektive Vertrauen in die Kompetenz und Einsatzbereitschaft als Team.
INFOBOX Die Themenreihe «Teacher Leadership» thematisiert ab Mai 2023 verschiedene Aspekte von Teacher Leadership als Teil einer gemeinschaftlich gestalteten Schulführung. Praxisbezogen und wissenschaftsbasiert blicken wir auf die Rolle von Teacher Leadern, Schulleitungen und weiteren Führungspersonen in der Gestaltung und Entwicklung von guten Schulen. Einsatz für die Schulqualität, Lernseits führen und Steuergruppen stehen zu Beginn der Themenreihe im Fokus. Die Handlungsspielräume von Teacher Leadern sind zudem im Fokus der «Grundlagen Teacher Leadership». Im Lehrgang befassen sich Lehr- und Fachperson mit ihren spezifischen Führungsrollen in Schulen, stärken ihre Führungskompetenzen und ihre Einflussmöglichkeiten.
Literaturnachweise
Matthias Jerusalem. 2002. „Einleitung“. Herausgegeben von Matthias Jerusalem und Diether Hopf. Selbstwirksamkeit und Motivationsprozesse in Bildungsinstitutionen, Zeitschrift für Pädagogik, Beiheft, 44: 28–53.
Bandura A. (1997). Self-efficacy: The exercise of control. New York, NY: Freeman.
Zur Autorin
Nina-Cathrin Strauss, Dr. phil., leitet und begleitet verschiedene Weiterbildungsangebote für Führungspersonen im Schulfeld und ist Studiengangsleiterin im DAS Schulleitung an der PH Zürich. Sie beschäftigt sich als Dozentin und Forscherin im Zentrum Management und Leadership mit Teacher Leadership und gemeinschaftlicher Führung im Schulfeld sowie der Professionalisierung von Führungspersonen in Bildungsorganisationen.
Redaktion: Melina Maerten
Titelbild: adobe stock/Jacob Ammentorp Lund