Lehrperson Beurteilung von Schülerin

Kompetenzorientierte Beurteilungspraxis – Wie Sie Erziehungsberechtigte mit ins Boot holen

Das Vertrauen von Erziehungsberechtigten in die Lehrperson hängt stark davon ab, ob ihre Prüfungs- und Beurteilungspraxis nachvollzogen werden kann. Viele Erziehungsberechtigte haben jedoch eine andere Beurteilungspraxis erlebt, als sie aktuell nach Vorgaben des Lehrplans 21 umgesetzt wird. Welche Informationen sind für Eltern in Zusammenhang mit kompetenzorientierter Beurteilung bedeutsam? Christine Eckhardt geht der Frage nach.

Schulen sind aus verschiedenen Perspektiven aufgefordert, Erziehungsberechtigte bei der Thematik kompetenzorientiertes Beurteilen ins Boot zu holen. Einerseits fordern die kantonalen Rahmenbedingungen, dass Eltern informiert werden, was die Kinder und Jugendlichen wissen und können, wie diese lernen und wie man sie dabei wirksam unterstützen kann. Transparenz ist gefordert und entspricht auch einem Bedürfnis der Erziehungsberechtigten, wie Umfrageergebnisse der kantonalen Elternmitwirkungs-Organisation aufzeigen. Andererseits ist es bedeutsam, die Eltern im Boot zu haben, da die Leistungsbeurteilung in Anlehnung an Studienergebnisse in einem engen Zusammenhang steht, wie viel Vertrauen die Eltern in die Lehrpersonen haben, was wiederum Auswirkungen auf den Lernerfolg der Kinder hat.

Kompetenzorientierte Beurteilung steht im Kontrast zu den persönlichen Schulerfahrungen der Erziehungsberechtigten

Historisch gesehen war Wissen früher in der Schule zentral. In unserer schnelllebigen Zeit hat sich der Fokus auf das Verstehen und Anwenden von Wissen verschoben. Kompetenzen beinhalten Wissen, Können und Wollen. Eltern sollten daher erfahren, dass es nicht ausreicht, wenn ihr Kind etwas nur auswendig wiedergeben kann beziehungsweise die Aufgaben in Mathematik abrechnen kann. Zentral ist, dass die Lernenden die Sache verstehen und ihr Wissen zur Lösung von Problemen anwenden können. Dies entspricht der Kompetenzausrichtung des Lehrplans 21.

Auch das Wort «Beurteilen» im Sinne des Lehrplans 21 ist mehr als bewerten und benoten (Vgl. Maienfisch 2022). Viele Erziehungsberechtigte haben vermutlich genau dieses verkürzte Beurteilungsverständnis in ihrer Schulzeit erlebt. Auch in unserem alltäglichen Sprachgebrauch verwenden wir «bewerten» und «beurteilen» als Synonyme. Beurteilung im Sinne des Lehrplans 21 fokussiert aber im alltäglichen Unterricht das formative Beurteilen, welches den Zweck hat, das Lernen der Schüler:innen bestmöglich zu unterstützen.

Des Weiteren sollten die Erziehungsberechtigten die Veränderungen in der Notengebung erfahren. Dass nämlich Noten in den kantonalen Rahmenbedingungen nur in Zusammenhang mit dem Zeugnisreglement erwähnt werden und Lehrpersonen daher nicht verpflichtet sind, ausserhalb des Zeugnisses bei Prüfungen oder anderen Beurteilungssituationen Noten zu vergeben.

Andererseits müssen Erziehungsberechtigte aufgeklärt werden, dass die Zeugnisnote in einem Fach nicht mehr, wie vermutlich noch zu ihrer Schulzeit, einer Durchschnittsrechnung der schriftlichen Lernzielkontrollen entspricht. Gemäss den kantonalen Rahmenbedingungen werden heutzutage die Zeugnisnoten, die Gesamtleistung je Fach, basierend auf unterschiedlichen Informationsquellen, unter anderem mündliche und schriftliche Prüfungen, Schülerarbeiten, Vorträge, Portfolios, Beobachtungen und Erkenntnisse aus Lerndialogen erstellt. Hierbei nutzen Lehrpersonen ihren professionellen Ermessensentscheid pflichtbewusst, um den Leistungsstand des Kindes möglichst aussagekräftig abzubilden. Unbenotete und benotete Beurteilungsanlässe, sofern unter dem Schuljahr Noten vergeben werden, aus Prüfungssituationen und Unterrichtssituationen werden von den Lehrpersonen dazu beachtet.

So schaffen Lehrpersonen Vertrauen zu den Erziehungsberechtigten

Beurteilen ist jedoch auch bei wohlwollendster Absicht gewissen Gefahren ausgesetzt, da es der subjektiven Wahrnehmung unterliegt. Darum sollten Lehrpersonen den Erziehungsberechtigen vermitteln, dass sie sich dieser Herausforderung bewusst sind und versuchen dieser zu begegnen, indem sie sich regelmässig unter anderem in der Thematik Beurteilung weiterbilden, im Kollegium austauschen und zusammenarbeiten. Somit kann eine Vergleichbarkeit der Leistungsbeurteilung erhöht werden.

Auch die Anwendung von standardisierten Instrumenten ist zu empfehlen, um die Beurteilungsmassstäbe und Einschätzungen zu eichen. Erziehungsberechtige wollen spüren, dass Lehrpersonen das Anliegen haben, die Leistungen der Kinder angemessen und professionell zu beurteilen.

INFOBOX

Die Weiterbildung «Tangram – kompetenzorientiert beurteilen» (Version Premium oder Light) bietet Lehrpersonen die Gelegenheit, sich mit der Thematik des Beurteilens auseinanderzusetzen. In mehreren Kursnachmittagen werden ausgehend von den Lernzielen verschiedene Beurteilungsanlässe bis hin zum Setzen einer aussagekräftigen Zeugnisnote beleuchtet. Sie sind herzlich zur Informationsveranstaltung Tangram am 3.4.2023 eingeladen.

Zur Autorin

Christine Eckhardt

Christine Eckhardt, Primar- und Sekundarlehrperson, ist als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Pädagogischen Hochschule Zürich v.a. in der Aus- und Weiterbildung tätig. Sie leitet unter anderem die Weiterbildungsangebote «Tangram – Beurteilung, Version Premium / Light», «Wanted: Kompetenzorientierte Beurteilungspraxis» und das neu konzipierte Schulleiterwahlmodul «Gemeinschaftlich eine kompetenzorientierte Beurteilungspraxis etablieren».

Redaktion: Melina Maerten
Titelbild: adobe stock

Literaturverzeichnis

  • Bildungsdirektion Kanton Zürich. O.J. Kompetenzorientiert beurteilen. Zürich.
  • Bildungsdirektion Kanton Zürich. 2022. Beurteilung und Schullaufbahnentscheide. Über das Fördern, Notengeben und Zuteilen. Zürich.
  • Bildungsdirektion Kanton Zürich. 2017. Kompetenzorientiert unterrichten. Einblicke. Zürich.
  • Birri Thomas. 08. Februar 2022. Aussagekräftige Zeugnisnoten setzen. Zürich. Vortrag.
  • Duden | beurteilen | Rechtschreibung, Bedeutung, Definition, Herkunft
  • Kantonale Elternmitwirkungs-Organisation. 2021. Umfrage Schülerbeurteilung. Kanton Zürich.
  • Lötscher, Hanni, Marcel Naas und Markus Roos. 2021. Kompetenzorientiert beurteilen. Bern: Hep Verlag.
  • Sacher, Werner, Fred Berger und Flavia Guerrini. 2019. Schule und Eltern – eine schwierige Partnerschaft. Wie Zusammenarbeit gelingt. Stuttgart: Kohlhammer Verlag.

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