Mit der Änderung des Volksschulgesetzes per 1. Januar 2021 erlaubt nun der Gesetzgeber im Kanton Zürich den Gemeinden, selbst zu entscheiden, ob sie eine weitere Hierarchiestufe zwischen Schulleitung und Schulpflege führen wollen – etwas, was viele Gemeinden schon lange vor dieser Gesetzesänderung getan haben. Rektor, Abteilungsleiterin, Schulkoordinator, Geschäftsleiterin – die Begriffe dafür waren so vielfältig wie die Aufgaben dazu. Karin Zulliger, Leiterin Bildung, Primarschule Dübendorf, stellt sich vor.
Der Gesetzgeber vollzog mit der Gesetzesänderung einen Wandel in der Organisation der Volksschulen im Kanton Zürich, welcher bereits schon seit Jahren an vielen Schulen zum Alltag gehört. Wie beispielsweise an der Primarschule Dübendorf.
Die Stadt Dübendorf ist die viertgrösste Gemeinde im Kanton Zürich. Sie gehört zur Einheitsgemeinde und die Sekundarschule Dübendorf bildet zusammen mit Schwarzenbach eine eigene Schulgemeinde.
An der Primarschule Dübendorf gibt es eine ähnliche Funktion unter dem Namen Geschäftsleitung bereits seit 2006. Sie bestand von 2006 bis 2021 aus zwei Personen – der Leitung Schulen und der Leitung Dienste. Einfach formuliert waren alle Aufgaben mit einem pädagogischen Bezug bei der Geschäftsleitung Schule angesiedelt. Diese Definition erwies sich als immer schwieriger umzusetzen, da letztendlich – und zum Glück – in der Schule ja alles einen pädagogischen Bezug hat oder haben sollte. Dies führte dazu, dass die Schulpflege sich 2020 auf den Weg machte, die Organisation der ganzen Primarschule Dübendorf grundsätzlich zu überprüfen. Per 1. August 2021 wurde die Geschäftsleitung aus zwei Personen durch eine Leiterin Bildung ersetzt.
Der Alltag einer Leiterin Bildung
In meinem Alltag als Leiterin Bildung tanze ich auf den unterschiedlichsten Hochzeiten. Ich erachte es als sehr hilfreich, dass ich lange Jahre als Schulleiterin und Lehrerin tätig war und das Tagesgeschäft sehr gut kenne. Als Bindeglied zwischen Schulpflege und Schulleitungen kann ich so immer wieder Übersetzungsarbeit leisten, was für die Nachvollziehbarkeit und das Verständnis der jeweiligen Arbeit und Aufgaben aus meiner Sicht einer der wichtigsten Gelingensfaktoren ist.
Vom eigentlichen Kernauftrag der Schule – Unterricht und Betreuung im Alltag – bin ich als Leiterin Bildung relativ weit weg. Mein enger Kontakt innerhalb der gesamten Führungsorganisation der Primarschule Dübendorf inklusive Sonderpädagogik, Tagesstrukturen und Musikschule ermöglicht es mir aber, am Puls der Schule zu bleiben. Dies ist mir ein grosses und wichtiges Anliegen. Alles, was wir als Schule tun, muss am Bildungsauftrag für die einzelne Schülerin und den einzelnen Schüler ausgerichtet werden. Und da haben wir noch viele Herausforderungen vor uns. Darin sind wir uns vermutlich alle einig.
Leitung Bildung als Treiber zusätzlicher Administration?
In der Diskussion zur Gesetzesänderung im Kantonsrat 2020 kam die Frage auf, ob mit der Funktion der Leitung Bildung nicht noch mehr Administration auf die Schulen zukommen wird. Aus meiner Sicht ist die Frage nach der zunehmenden Administration sehr ernst zu nehmen und tatsächlich ein Problem im System der Volksschule im Kanton Zürich. Sie allerdings mit der Funktion der Leitung Bildung zu verknüpfen, finde ich falsch.
Sowohl Schulleitungen als auch Leitungen Bildung würden es im Kanton Zürich möglich machen, den Schulen mehr Autonomie und Gestaltungsspielraum zu geben, im Wissen um die fachlich kompetente Schulführung vor Ort in den Gemeinden im Zusammenspiel mit den Schulbehörden. Leider erlebe ich aber das Gegenteil. Es werden nicht Regulierungen abgebaut, sondern noch neue geschaffen und ich frage mich, ob mit den Änderungen im Volksschulgesetz tatsächlich die Autonomie der Gemeinden erhöht wird oder ob nicht gleichzeitig neue Kontrollmechanismen und Abläufe diese Autonomie gerade wieder zunichtemachen.
Volksschulen im Kanton Zürich zukunftsorientiert und verantwortungsbewusst weiterentwickeln
Immer wieder werden neue Aufgaben an die Schule herangetragen. Dazu zähle ich nicht nur zentrale gesellschaftliche Aufgaben wie die Integration. Bewegen sich die Kinder zu wenig, so brauchen diese im Unterricht mehr Bewegung. Geben die Jugendlichen zu viel Geld aus, so organisiert die Schule Schuldenprävention. Können die Kinder zu wenig gut mit den neuen Medien umgehen und setzen sich den Gefahren dieser neuen Welt aus, dann organisiert die Schule Präventionsangebote. Die Liste lässt sich noch lange weiterführen und wurde in den vergangenen zwei Jahren auch noch mit Aufgaben im Zusammenhang mit der Pandemie ergänzt, die wir uns nie haben erträumen lassen.
Die Schule wird sich zwangsläufig und sinnvollerweise weiterentwickeln und damit auch die Strukturen der Organisation. Mit dem neuen Gesetz und der Möglichkeit der Schaffung einer Stelle für Leitungen Bildung hat die Schule aus meiner Sicht einen wichtigen Schritt getan. Die strategische Verantwortung und die operative Führung der Schule werden professionalisiert. Die Schulpflege kann sich auf ihre Aufgabe der politischen Führung und Steuerung konzentrieren und die Leitung Bildung trägt die operative Gesamtverantwortung für die Organisation.
Ich wünsche mir aber, dass die Schulen in ihrer Entwicklung und in ihrer Autonomie zukünftig noch weiter gestärkt werden und dass der Gesetzgeber dies nicht nur möglich macht, sondern aktiv und vorausschauend unterstützt.
INFOBOX Lesen Sie auch das Interview mit Jörg Berger und Matthias Weisenhorn, Leiter Abteilung Lehrpersonal, VSA Kanton Zürich. Er sagte: «Es ist an der Zeit, Leitung Bildung zu ermöglichen».
Zur Autorin
Karin Zulliger, 47-jährig, ist seit Juli 2021 Leiterin Bildung der Primarschule Dübendorf. Sie trägt die operative Gesamtverantwortung für den Schul- und Betreuungsbetrieb mit rund 2000 Schüler:innen.
Redaktion: Melina Maerten