Digitaler Wandel Schule

Den digitalen Wandel in der Schule kompetent gestalten

Wenn Schüler:innen im Unterricht ein Video produzieren, die Klassenlehrerin die Eltern über ein digitales Kommunikationstool zum Beurteilungsgespräch einlädt und die Lehrpersonen der Mittelstufe gemeinsam die nächste Projektwoche auf die Beine stellen, braucht es zweifelsohne die notwendige Infrastruktur dafür. Diese ist aber nur dann hilfreich, wenn man weiss, welche digitalen Werkzeugen wann zum Einsatz kommen und wie adäquat damit umgegangen werden kann. Eliane Burri geht der Frage nach, was die Kompetenzentwicklung von Lehrpersonen vor dem Hintergrund des digitalen Wandels bedeutet und wie der Kompetenzaufbau begünstigt werden kann.

Lehrpersonen sind von den durch die Digitalisierung ausgelösten Veränderungen in hohem Masse betroffen. Die Unterrichtsinhalte ändern sich, neue Kompetenzanforderungen werden an die Schüler:innen und auch an die Lehrpersonen gestellt. Die damit verbundenen Entwicklungsprozesse gestalten Schulleitungen und Lehrpersonen gemeinsam. Dadurch ergeben sich neue Anforderungen an die professionellen Kompetenzen von Lehrpersonen. Über ihre fachliche und pädagogische Expertise hinaus müssen sie zunehmend in der Lage sein, digitale Medien in der Schule und im Unterricht sinnvoll zu integrieren.

Bereits bevor digitale Geräte im Schulzimmer Einzug gehalten haben, musste beispielsweise eine Mathelehrperson über das notwendige inhaltliche Wissen verfügen, das sie vermitteln soll. Sie brauchte aber auch pädagogisches Wissen über die Gestaltung von Lehr- und Lernprozessen. Mit dem Einbezug von digitalen Technologien beim Lehren, Lernen und Arbeiten braucht es zusätzlich Digitalitätskompetenzen:

«Lehrpersonen, die über Digitalitätskompetenzen verfügen, können digitale Phänomene aus drei Perspektiven betrachten: Wie wird es angewendet, wie funktioniert es und wie wirkt es?» (Döbeli, 2021)

Computer, interaktive Whiteboards und Applikationen müssen bedient werden können. Zusätzlich braucht es ein Verständnis über die Funktionsweise digitaler Technologien. Wie funktioniert zum Beispiel eine adaptive Lernsoftware oder wie beeinflussen Algorithmen Recherchen? Nebst der technologischen und der anwendungsorientierten Perspektive soll auch die gesellschaftlich-kulturelle Perspektive eingenommen werden. Hier stellen sich Fragen wie:

Welchen Einfluss haben digitale Medien in der Gesellschaft und insbesondere auf die Lebenswelt von Schüler:innen? Wie kommunizieren sie, wie informieren sie sich, wie lernen sie? Welche Erfahrungen bringen sie mit?

Die Vernetzung von inhaltlichen und pädagogischen Kompetenzen sowie Digitalitätskompetenzen befähigt schliesslich Chancen und Herausforderungen von digitalen Technologien zu erkennen und den Unterricht sowie die Schule zu verändern, damit Schüler:innen befähigt werden, in einer digitalisierten Welt mündig zu handeln.

Zur Kompetenzentwicklung ermutigen

Argumente, die für die Notwendigkeit der permanenten Weiterentwicklung respektive der Professionalisierung von Lehrpersonen sprechen, gibt es nicht erst im Zusammenhang mit dem Leitmedienwechsel. So halten Keller-Schneider und Hericks, (2017, 302) fest: «Lehrerinsein oder Lehrersein ist nicht nur eine Frage von Lehrerinwerden bzw. Lehrerwerden, sondern auch von Lehrerinbleiben bzw. Lehrerbleiben».

Lehrpersonen sind herausgefordert, sich über den gesamten Bogen ihrer Berufsbiografie weiterzuentwickeln. Der Neueinsteiger ist die ersten zwei, drei Jahre damit beschäftigt, seine Klasse zu führen, den Unterricht vorzubereiten.

Eine erfahrene Lehrerin hat im Vorbereiten meist Routine, ist mit dem Stoff vertraut und kann den Fokus vielleicht verstärkt auf die Lernprozessbegleitung legen. Ob alt oder jung, erfahren oder wenig erfahren: Die fortschreitende Digitalisierung lässt sich in beiden Fällen nicht ausklammern, wenn es darum geht, Schüler:innen auf dem Weg zur digitalen Souveränität zu begleiten. Weiterbildungsmassnahmen, welche auf die individuelle Ausgangslage der Lehrpersonen abgestimmt sind und im Rahmen der Personalentwicklung gemeinsam vereinbart werden, stellen optimale Voraussetzungen für die Kompetenzentwicklung dar.

Definierte Entwicklungsziele als Richtungsgeber

Oft sind mit digitalen Medien Ängste verbunden, es nicht zu schaffen, den Anschluss nicht mehr zu finden. Das Gefühl überfordert zu sein, löst gegenüber Veränderungen schnell einmal Ärger und Widerstand aus. Zuhören und diskutieren, tragen dazu bei, Gründe für Verunsicherung offen zu legen und stützende Massnahmen zu skizzieren.

Ein Orientierungsrahmen mit definierten Entwicklungszielen kann als Richtungsgeber dienen. Darin sind Kompetenzen deklariert, die für das Unterrichten und die Teilhabe an der Schulkultur bedeutsam sind. Persönliche Entwicklungsziele können entlang eines Kompetenzrahmens eruiert und der Kompetenzaufbau entsprechend schrittweise geplant werden. Komplexe Ziele, die in kleinere Zwischenetappen heruntergebrochen werden, scheinen eher bewältigbar.

Alles eine Frage der Haltung?

Nebst Kompetenzen und Infrastruktur spielen auch die Haltungen von Lehrpersonen und Schulteams gegenüber digitalen Technologien eine zentrale Rolle. Sie können mit dem Boden verglichen werden, auf dem Veränderungen gedeihen oder zum Scheitern verurteilt sind (Brückel & Spierig, 2021). Es ist lohnend, Haltungen durch Dialog im Kollegium explizit zu machen. Miteinander über das Für und Wider zu sprechen, trägt dazu bei, individuelle und kollektive Haltungen offen zu legen.

Um alte Haltungen in Bewegung zu bringen, kann es unterstützend sein, wenn Raum für neue Erfahrungen geschaffen wird: Vielleicht besteht die Möglichkeit, im Team Teaching ein neues Lernsetting auszuprobieren. Oder Lehrpersonen erstellen gemeinsam Unterrichtsarrangements. Hospitation eröffnen neue Perspektiven und regen das Lernen von- und miteinander an. Auch ein Einblick in Lehrberufe, die bereits einen hohen Grad an Digitalisierung aufweisen, können den Erfahrungshorizont erweitern.

Das Personas-Karussell – ein Instrument zum Eruieren von Entwicklungsmassnahmen

Verordnete Weiterbildung ist auf Dauer meistens nicht zielführend. Lehrpersonen richten ihre Handlungen eher an einem gemeinsamen Orientierungsrahmen aus, wenn Haltungen in Bezug auf den Einsatz neuer Technologien geklärt sind, wenn das Warum, Wie und Was diskutiert und abgestimmt sind.

Es stellt sich die Frage, wie Entwicklungsmassnahmen möglichst individuell und massgeschneidert auf Lehrpersonen und Schulteams abgestimmt werden können.

Ein dafür hilfreiches Instrument kann das Personas Karussell sein. Es beinhaltet neun skizzierte Profile von Lehrpersonen. Diese sind bewusst überzeichnet dargestellt. Sie orientieren sich im weiteren Sinne an die von Meyer und Junghans (2019) umrissenen Lehrpersonen-Profile.

Es geht nicht darum, Etikettierungen vorzunehmen, sondern kann für Schulleitungen hilfreich sein, die unterschiedlichen Lehrpersonen und ihre Situationen zu antizipieren und daraus mögliche Entwicklungsmassnahmen für Lehrpersonen und das ganze Schulteam zu skizzieren. Die Personas regen dazu an, Fragen nachzugehen, wie nachhaltige Weiterbildungen gestaltet sein könnten, welche Unterstützungsmassnahmen zielführend wären, was zur Motivation beitragen könnte, welchen Einfluss Personen auf das Schulteam haben und wie dieser positiv genutzt werden könnte.

Das Personas Karussell ist Bestandteil des Kartensets Kompass für den digitalen Wandel. Es versteht sich als Orientierungsinstrument für Schulentwicklungsprozesse im digitalen Wandel und hilft, den Überblick über die verschiedenen Faktoren zu gewinnen und daraus mögliche Handlungsfelder und Prioritäten abzuleiten. Die Webressourcen zum Kartenset bieten einen Fundus an Informationen, Ressourcen und Methoden rund um Veränderungsprozesse im digitalen Wandel.

Nebst einer positiven Einstellung und einer adäquaten Infrastruktur stellen die Fähigkeiten von Lehrpersonen im Umgang mit digitalen Technologien eine wichtige Gelingensbedingung für die Integration von digitalen Medien in Schule und Unterricht dar. Individuell abgestimmte Weiterbildungsmassnahmen für Lehrpersonen und ganze Schulteams begünstigen Innovationsprozesse. Über Weiterbildungsprogramme hinaus braucht es aber auch Raum und Zeit, sich im Dialog über Ziele, Haltungen und Werte des Digitalen in der Schule zu verständigen.

INFOBOX

Weiterbildungen zum Thema Digital Leadership finden Sie hier.

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Zur Autorin

Eliane Burri

Eliane Burri leitet das Zentrum Medienbildung und Informatik an der Pädagogischen Hochschule Zürich. Ihre Arbeitsschwerpunkte sind Digital Leadership in Education und die Begleitung von Schulen im digitalen Wandel. Als ehemalige Schulleiterin verantwortete sie die digitale Schulentwicklung an einer Berufsfachschule. Ab Herbst leitet sie mit Tobias Röhl den neuen CAS Schule entwickeln – Profil Digitalität.  

Redaktion: Melina Maerten
Titelbild: adobe stock

Literaturquellen

  • Brückel, F., & Spirig, R. (2021). Auf die Haltung kommt es an! Zum Umgang mit Haltungen und Emotionen in der schulischen Führungsarbeit. Schule Verantworten | führungskultur_innovation_autonomie, 1(2), S. 29–41.
  • Döbeli Honegger, Beat. DPCK statt TPCK – Beats Blog. Weblog vom 9. Dezember 2021. Zugriff 11.2.2022.
  • Keller-Schneider, Manuela, und Hericks, Uwe. (2017). «Professionalisierung von Lehrpersonen – Berufseinstieg als Gelenkstelle zwischen Aus- und Weiterbildung». In BEITRÄGE ZUR LEHRERINNEN- UND LEHRERBILDUNG, 35 (2), 301 – 317.
  • Meyer, H. & Junghans, C. (2019). Zwölf Prüfsteine für die Arbeit mit digitalen Unterrichtsmedien. In: S.G. Huber (Hrsg.). Jahrbuch Schulleitung, (S. 354-380). Neuwied: Carl Link Verlag. 

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