Partizipation ist wichtiger als Hierarchien oder Rollen

Im Rahmen des Schulleitungsmonitors Schweiz erhielten über 2’000 Schulleitende die Gelegenheit, frei ihre Vision der Schule des 21. Jahrhunderts zu beschreiben. Nachfolgend skizziert Ella Grigoleit die zentralen Themenfelder der 1100 eingegangenen Rückmeldungen.

Für viele der befragten Schulleitungen fusst die Schule des 21. Jahrhunderts auf einer engen Zusammenarbeit verschiedener Anspruchsgruppen: Sie wünschen sie sich intensivere Austausch- und Kooperationsformate mit Bildungsinstitutionen, Betrieben und übergeordneten Instanzen wie kantonalen Vertretungen und Gemeinden. Auch die schulinterne Zusammenarbeit und Partizipation sowohl in der Gestaltung des Alltags als auch in Schulentwicklungsbelangen sollte, so die Befragten, in der Schule der Zukunft noch intensiver sein.

Damit einher geht auch mehr Partizipation: Die Schule des 21. Jahrhunderts bietet laut vielen der befragten Schulleitungen stärkere Mitgestaltungsmöglichkeiten für der Lehrpersonen, Eltern und Lernende für die gemeinsame Organisation und Entwicklung der Schule unter Berücksichtigung der vielfältigen Interessen. Eine grosse Mehrheit der Befragten spricht sich vor diesem Hintergrund für ein erweitertes Führungsverständnis aus, in dem Interessensvertreterinnen und -vertreter im Sinne der Schulgemeinschaft vermehrt Verantwortung übernehmen und Entscheidungen treffen können und sollen.

«Die Führung der Schule, die Lehrenden und die Lernenden (und ihre rechtlichen Vertretungen) bilden eine Gemeinschaft, in der Partizipation wichtiger ist als Hierarchien oder Rollen.»

Die Schule des 21. Jahrhunderts bietet darüber hinaus gemäss der Befragten mehr zeitliche Freiräume und Ressourcen für die aktive Beteiligung an Schulentwicklungsprozessen. Auf diese Weise werden die Möglichkeiten der Partizipation und Verantwortungsübernahme verbessert, ohne die Beteiligten zusätzlich zu belasten.

Auch der Unterricht verändert sich

Viele der Befragten sprechen sich dafür aus, dass Lehrpersonen die Rahmenbedingungen ihres Kerngeschäfts flexibler gestalten und sich arbeitsteilig unterstützen können. Regelmässige Austauschformate und die Nutzung digitaler Möglichkeiten sollen selbstverständlich werden; ebenso eine Kultur des Teilens von Wissens. Manche stellen auch das aktuelle Notensystem in Frage und sehen in seiner Abschaffung z.B. die Gelegenheit, Schule und Unterricht stärker kompetenzorientiert auszurichten.

Auch Schülerinnen und Schüler sollen in der Schule des 21. Jahrhunderts vermehrt Möglichkeiten der Mitgestaltung eingeräumt werden. Die Befragten sprechen sich in diesem Zusammenhang für die weitgehende Selbstbestimmung im Lernprozess durch die Lernenden aus. Als Voraussetzung führen sie eine hohe Individualisierung und Diversität der Lerngelegenheiten und -formen an, aus denen sich die Kinder und Jugendlichen unter Begleitung der Lehrpersonen passende Angebote auswählen. Das projekt- und modulförmige Lernen soll in diesem Zusammenhang im Vordergrund stehen und gemeinsam mit ausserschulischen Lernpartnern umgesetzt werden. Die Schulleitenden appellieren für eine frühe Stärkung der Selbstständigkeit und Selbstverantwortung seitens der Schülerschaft. Unterstützend sollen digitale Medien und die Veränderung der Rolle der Lehrpersonen hin zu Lernbegleitern wirken.

Was es jetzt noch braucht

Einige Befragte liefern Hinweise darauf, wie ihre Visionen bereits heute in einzelnen Schulen existieren, doch fehlen (derzeit) die Rahmenbedingungen, um ihre Visionen in der Breite umsetzen zu können. Hier sind auch Bildungsdepartemente und Pädagogische Hochschulen in der Pflicht, entsprechende Rahmenbedingungen und Unterstützungsangebote zu bieten. Auch das gemeinsame Verständnis über Entwicklungsprozesse, eine hohe Identifikation mit ihrer jeweiligen Schule und der Institution Schule allgemein, gegenseitige und gesellschaftliche Wertschätzung sowie eine angenehme Lern- und Arbeitsatmosphäre stellen, so die Befragten, hierfür wichtige Säulen dar.

Weitere Ergebnisse, z.B. zur Frage welche Rolle die Eltern in der Schule des 21. Jahrhunderts spielen könnten, werden bis zum Sommer unter www.vslch.ch und www.schulleitungsmonitor.ch veröffentlicht. Wir danken der Stiftung Mercator Schweiz und der Jacobs Foundation für die Förderung des Projekts.

INFOBOX

Den Gesamtbericht des Schulleitungsmonitors Schweiz SLMS finden Sie auf der Website des Verbandes Schulleiter:innen Schweiz VSLCH.

Zur Autorin

Ella Grigoleit forscht im Zentrum Bildungsmanagement und Schulentwicklung an der Pädagogischen Hochschule FHNW. Ihre Arbeitsschwerpunkte sind Fragen der Führung und der Organisationsentwicklung in Bildungsorganisationen. Gemeinsam mit Nadia Cometti, Gloria Sposato, Pierre Tulowitzki und Jörg Berger schreibt sie für den Schulleitungsmonitor Schweiz.

Redaktion: Jörg Berger

Titelbild: VSLCH, zVg

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