In unserer Rubrik «5 Fragen an…» interviewt Schulleiter Thomas Walker den Schulleiter Pirmin Stadler über den Einsatz von digitalen Geräten im Unterricht. Er übernimmt den Stafetten-Stab.
An einigen Schulen im Kanton Uri ist 1to1 – Ausstattung bei digitalen Schülerinnen und Schülern sowie Schülergeräten – schon Realität. Viele Schulen stehen kurz vor der Umsetzung.
Pirmin, was können Schulleitungen tun, damit der Einsatz von digitalen Geräten die Unterrichtsentwicklung positiv beeinflusst?
Die kurze Antwort: Auf den richtigen Zeitpunkt warten. Denn digitale Medien wirken als Verstärker. Sie machen guten Unterricht noch besser. Und schlechten Unterricht noch schlechter.
Die längere Antwort: Die These des Medienpädagogen Jöran Muuss-Merholz sagt, dass digitale Medien als mächtige Verstärker für Vorhandenes wirken. Wer gerne Zeit auf dem Sofa verbringt, kann mit digitalen Medien noch besser Zeit auf dem Sofa verbringen. Wer sich gerne mit anderen Menschen vernetzt und Neues entdeckt, kann das mit digitalen Medien noch besser tun.
Wer gerne lehrerzentriert und mit enger Kontrolle unterrichtet, kann das mit digitalen Medien noch besser tun. Zu diesem Unterricht passen dann eine interaktive Wandtafel, automatische Anwesenheitsberichte bei Videokonferenzen und Aufgaben am Computer, bei denen kontrolliert werden kann, wer wann was gelöst hat.
Wer den Lernenden ermöglicht, persönliche Ziele zu verfolgen und Mitverantwortung für ihr Lernen zu übernehmen, erhält mit digitalen Medien noch mehr Möglichkeiten. Die Lernenden werden dann Bücher, Bleistift und Computer nutzen, um gemeinsam ihren Fragen nachzugehen und Probleme zu lösen. Es entstehen unterschiedliche Lernprodukte in analoger und digitaler Form.
Darum lohnt es sich, zu fragen: Welchen Unterricht wollen wir verstärken? Verstärken und optimieren wir nur das Lernen des 19. und 20. Jahrhunderts? Oder entwickeln wir neue Formen? Und vielleicht ist es dann auch sinnvoll, mit einer 1to1-Ausstattung als Verstärker noch zu warten, bis man als Schule gemeinsame Antworten auf solche Fragen gefunden hat.
Welchen Mehrwert für die Schüler:innen, Lehrpersonen und Schule erkennst du betreffend den Einsatz von digitalen Geräten?
Warum müssen nur digitale Medien einen «Mehrwert» beweisen? Was ist der Mehrwert eines Buches? Einem Bleistift? Einem Arbeitsblatt? Vielleicht gibt es so etwas wie einen «Anderswert» statt «Mehrwert».
Ein Beispiel: Austausch und Diskussionen im Lehrerzimmer sind und bleiben wichtig. Mit den sozialen Medien wird das Lehrerzimmer jedoch grösser. Im «Lehrerzimmer» auf Twitter und Instagram ist ein Austausch mit sehr vielen Lehrpersonen möglich, die unterschiedlichste Interessen haben.
Wie müsste man den Einsatz von pädagogischem ICT-Support (PICTS) organisieren, damit ihr Fachwissen direkt die Lernleistungen von Schülerinnen und Schülern positiv beeinflusst?
Vor über zehn Jahren haben wir zusammen so etwas wie eine kurze PICTS-Ausbildung gemacht. Als einige Teilnehmende nach ein paar Jahren gefragt wurden, was sie als PICTS genau machen, mussten viele eingestehen, dass sie ihre Ressourcen für den technischen Support einsetzen. Damit PICTS tatsächlich pädagogische Aufgaben übernehmen können, sollte der technische Support funktionieren und wenn möglich nicht von PICTS gemacht werden müssen.
Doch gerade an unseren kleinen Urner Schulen geraten sie schnell an Grenzen: Die Abgrenzung zum technischen Support ist schwierig, für PICTS stehen nur wenige Lektionen zur Verfügung und bei einem Minipensum ist die Bereitschaft, eine grössere Ausbildung zu absolvieren, eher klein.
Ich finde keine befriedigende Antwort auf deine Frage. Einige Ansatzpunkte: Auch an kleinen Schulen steuert eine Steuergruppe zusammen mit der Schulleitung die Schulentwicklung. In der Steuergruppe ist jemand vertreten, der zumindest eine hohe Affinität zum Digitalen besitzt. PICTS könnten mehrere Schulen betreuen. Damit geht zwar die Niederschwelligkeit etwas verloren, doch immerhin kann jemand mit einer guten Ausbildung auch ein grösseres Pensum als PICTS übernehmen.
Du hast einen besonderen Weg eingeschlagen, was die Gestaltung und Organisation der Lehrpersonen und Arbeitsplätze angeht. Bitte beschreibe kurz und beantworte dann die Frage: Welche Veränderungen betreffend Unterrichtsqualität und Zusammenarbeiten sind schon eingetreten?
Wir haben an unserer Oberstufe eine kleine Änderung gemacht: Wir haben die Pulte der Lehrpersonen aus den Schulzimmern geholt und in ein gemeinsames Zimmer gestellt. Das ist Teil einer Entwicklung von «Ich, meine Klasse, mein Fach und mein Schulzimmer» zu «Wir und unsere Schüler:innen». Zugegeben, einige waren etwas überrumpelt. Ob sich das Umstellen positiv auf die Zusammenarbeit auswirkt, werden wir sehen.
Die letzte Frage speziell für dich als bekennenden Star-Wars-Nerd. «Möge die Macht mit dir sein.» Wofür wirst du «die Macht» an deiner Schule gezielt einsetzen?
Star Wars ist voller Lehrer-Figuren (leider kaum Lehrerinnen) und Zitaten übers Lernen. Zum Beispiel von Meister Yoda (in seiner eigenwilligen Grammatik): «Der grösste Lehrer Versagen ist.» Schulentwicklungsprojekte scheitern häufig. Insbesondere Vorhaben mit digitalen Medien sind oft mit Ernüchterung und Enttäuschung verbunden.
Man könnte fast sagen: Scheitern ist der Normalfall. Doch es wird selten darüber gesprochen. Auch Schulleiter:innen und Lehrer:innen sollten ihre Scheitergeschichten erzählen. Damit sie kein Tabu bleiben, um Kränkungen zu überwinden und daraus zu lernen. Dafür würde ich «die Macht» einsetzen.
INFOBOX Schulleiter Thomas Walker wurde von Schulentwicklerin Rahel Tschopp interviewt. Seine Schulvisionen erfährt ihr im Beitrag: 5 Fragen an Thomas Walker
Zum Autor
Thomas Walker leitet seit vier Jahren die Primarschule Attinghausen und unterrichtet nebenbei auf der Mittelstufe 2. Er hat bereits mehrere Jahre als Klassenlehrperson auf der Primarschule gearbeitet. Während dieser Zeit engagierte er sich ausserdem als kantonaler ICT – Fachdelegierter und wirkte bei der Einführung des Lehrplans 21 als Kaderlehrperson.
Redaktion: Melina Maerten
Titelbild: zVg
Das ist eine sehr pragmatische Sicht, die mir sehr gut gefällt. Ich setze selber IT in der Schule seit fast 30 Jahren zusammen mit Lernenden ein, bin Schulleiter und zugleich SMI (PICT im Kanton Bern). Ergänzend kann ich sagen, alles so einfach wie möglich betreiben und immer unterstützend zur Seite stehen, damit die positive Entwicklung unterstützt wird.