In einigen Kantonen benötigen Schulleiter:innen nicht mehr zwingend ein Lehrerdiplom, um eine Schule zu führen. Dies ermöglicht auch Führungspersonen aus der Privatwirtschaft den Einstieg in das Schulsystem. Andrea Hugelshofer hat sich mit Lukas Schütz, Moderator und Schauspieler und jetzt quereinsteigender Schulleiter in Kloten, getroffen.
1. Lukas, wie ist dein beruflicher Werdegang und was hat dich dazu bewogen, Schulleiter zu werden?
Nach über 20 Jahren auf der Bühne, im Radio und Fernsehen und einem Masterabschluss an der HAP (Hochschule für angewandte Psychologie) gründete ich eine GmbH mit dem Ziel, Moderationen für Grossanlässe, Coachings von Einzelpersonen und Teamentwicklungen anzubieten.
In den ersten Jahren lief alles wie geschmiert, dann kam Corona und die Auftragslage brach von einem Tag auf den anderen völlig zusammen. Dies bewog mich zu einer Neuorientierung. Ich bewarb mich auf ein Stelleninserat, in dem ein Schulleiter mit Coachingerfahrung gesucht wurde.
Das könnte doch eine spannende und sinnvolle Herausforderung sein, dachte ich mir. Nach einem Bewerbungsgespräch und einer Präsentation zur Lösung der Fallvorlage, wie ich eine Schule aus einem Tief herausführen würde, war ich als Schulleiter gewählt. Was kommt da auf mich zu? Aber es blieb mir nicht viel Zeit zum Nachdenken. Ich stieg im August 2020 in die Schulführung ein wie Kinder ihre Schullaufbahn starten, ohne Vorlauf – ein Kaltstart.
2. Mit welchen Erwartungen bist du in die Aufgabe eingestiegen?
Ich hatte nicht wirklich eine Vorstellung der Aufgabe – nur die kleinen Anhaltspunkte, die ich als Vater von zwei Jungs selbst an Elterngesprächen gemacht hatte und dies waren nicht wirklich gute Erfahrungen. Ich vergleiche die Schule gerne als Kloster mit dicken Mauern, welche möglichst wenig Einblick für Aussenstehend wie Eltern gibt. Dies kann eine Haltung ausdrücken: Innerhalb der Mauer seien Lehrpersonen, die schon wissen, was sie zu tun haben und die Eltern aussen verstehen eh nicht, um was es geht.
Ich wusste, Schule ist ein völlig anderes Umfeld und birgt andere Herausforderungen als die Privatwirtschaft. Ich war wahnsinnig gespannt und freute mich extrem auf die Herausforderung.
Für mich war klar, ich musste mir erst einmal einen Überblick verschaffen und erst, wenn ich das System verstehe, eine Änderung einleiten. Ich wollte eine Schule entwickeln, in der das Kind im Zentrum steht. Ein Ort, an denen sich Kinder gerne hinbegeben, einen Ort der Begegnung, des Lebens und der Leidenschaft zu Lernen und zu erfahren. Mir war von Anfang an klar, dass wir die Zusammenarbeit mit den Eltern brauchen, also müssen eine Öffnung und viele Dialogmöglichkeiten möglich sein.
Es war eine grosse Herausforderung, auch weil an dieser Schule in den letzten zwei Jahren acht Schulleiter kamen und relativ schnell wieder gingen. Diese Unruhe hatte auch zur Folge, dass es sehr viele Wechsel bei den Lehrpersonen gab. Also eine Schule, die keine Konstanz hatte und dadurch auch irgendwie an Lebendigkeit verlor.
3. In welchen Aspekten haben sich deine Erwartungen an die neue Aufgabe bestätigt?
Für mich gibt es einen Grundsatz in der Führung. Einen Schlüssel, um Menschen zu begeistern und zu bewegen. Authentisch, freundlich und respektvoll – das war immer schon meine Devise und im Umfeld Schule, wo die Lehrpersonen selten ein Feedback erhalten, ist es umso wichtiger, ihnen mit Wertschätzung und Anerkennung zu begegnen.
Der Lehrerberuf stellt in der heutigen Zeit grosse Herausforderungen an die Lehrpersonen, besonders in einer Stadt wie Kloten, in der viele unterschiedliche Kulturen aufeinandertreffen. Da ist es oft ein grosser Spagat, diese Unterschiedlichkeiten auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen.
4. Gab es Themen oder Aufgaben, mit denen du nicht gerechnet hättest?
Ich erinnere mich an die ersten Tage in der Schule. Die Leute sprachen von DaZ, von IF, von Förderstufen, alles völlig unverständlich für mich. Erst musste ich mich mit all den Spezialitäten auseinandersetzen und anfreunden. Heute weiss ich auch, dass es für einige Lehrpersonen schon fast eine Farce war, dass man ihnen nach so vielen Schulleiterwechseln nun noch einen Schauspieler und Moderator hinstellte, ohne pädagogischen Hintergrund – das geht ja wohl gar nicht.
Ich startete mit einem Pensum von 50 Prozent und angedacht war, dass mir ein erfahrenerer Co-Schulleiter mit 90 Prozent zur Seite steht. Leider wurde dies schon nach wenigen Wochen durch einen tragischen Schicksalsschlag verhindert und ich stand mit der grossen Aufgabe und dem 140 Prozent Pensum auf mich allein gestellt.
5. Wenn sich jemand für einen Quereinstieg in eine Schulleitungsaufgabe interessiert: Was findest du wichtig als Überlegung für diese Aufgabe?
Grundsätzlich finde ich, dass man Menschen einfach gerne haben muss. Man muss sich mit den Geschichten der einzelnen auseinandersetzen wollen. Es ist ein spezielles Umfeld und es verträgt kaum jemanden, der die Haltung einnimmt: Ich bin hier der Chef! Ich glaube, eine Schule ist nur im Dialog und als Team führbar.
Ich habe mit allen Lehrpersonen ein Einzelgespräch geführt. Ich wollte wissen, was sie für Erwartungen an eine Führungsperson haben und was sie von mir erwarten. Ich finde es auch wichtig, dass man auch klar aufzeigt, welche Erwartungen ich als Führungsperson und als Schulleiter habe. Zudem muss man sich bewusst machen: Die Mühlen mahlen etwas träger und schwerfälliger als in der Privatwirtschaft, es braucht für vieles den Abgleich mit dem VSA (Volksschulamt) und der Stadt, dies macht die Agilität oft etwas schwieriger.
6. Was ist hilfreich, um als Quereinsteiger:in möglichst gut in der Schulleitungsrolle anzukommen?
Was ich mir gewünscht hätte, wäre eine Art Crashkurs. Einen Überblick zu erhalten wäre sicher sehr hilfreich gewesen. Nur schon das System etwas transparenter kennenlernen zu dürfen, hätte einiges erleichtert. Ich hatte leider diese Möglichkeit nicht, ich war gezwungen, alles zu erfragen und zusammenzusuchen. Wie heisst es so schön: Help yourself.
7. Welchen Beitrag kannst du leisten zu Schulentwicklung?
Eine Schule hat oft viele ambitionierte Ziele und scheitert manchmal an dieser Menge Anforderungen. Heute weiss ich, weniger ist mehr und der Faktor Zeit ist entscheidend. Es braucht wenige Ziele, aber diese müssen erreicht werden, damit alle Beteiligten ein Erfolgserlebnis haben. Um Ziele zu erreichen, braucht es Zeit. Ich versuche, alle Vorhaben aus unterschiedlichen Perspektiven zu betrachten, als Vorgesetzter, als Vater und als Mensch.
8. Hat sich der Weg bisher gelohnt?
Ja, die Herausforderung, eine Schule zu leiten ist für mich eine unglaublich sinnstiftende Arbeit. Jeder Tag ist gefüllt mit neuen Anforderungen und Situationen, die es als Team zu bewältigen gilt. Eine wundervolle Aufgabe mit und für Menschen sowie dem Ziel, junge Leute auf das Leben vorzubereiten und ihnen einen realen Einstieg ins Berufsleben zu ermöglichen.
INFOBOX Verfügen Sie über Führungserfahrung aber fehlt Ihnen der pädagogische Background? Dann könnte der Lehrgang CAS Quereinstieg Schulleitung der richtige für Sie sein. Lesen Sie auch: Im vorherigen Beitrag von Andrea Hugelshofer ging es im Gespräch mit Bea Krebs, Schulpräsidentin in Schlieren über die Schulleitungsrekrutierung ihrer Gemeinde.
Zur Autorin
Andrea Hugelshofer ist Dozentin im Zentrum Management und Leadership an der PH Zürich und Mitglied einer Kreisschulpflege in Winterthur. Sie beschäftigt sich als Beraterin und Dozentin mit Themen rund um Personalentwicklung, den Erhalt von Gesundheit und Leistungsfähigkeit sowie dem Umgang mit Konflikten. Insbesondere verantwortet sie spezifische Weiterbildungsangebote für Mitglieder von Schulbehörden.
Redaktion: Melina Maerten
Titelbild: zVg