Es gibt viele Argumente für Tagesschulen und Tagesstrukturen. Gleichzeitig haben die verschiedenen Anspruchsgruppen unterschiedliche Vorbehalte. Während sich Befürworterinnen und Befürworter sowie Skeptikerinnen und Skeptiker mit Themen wie Chancengerechtigkeit, Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Finanzierbarkeit oder gesundem Essen beschäftigen, bleibt die Perspektive der Führung von Tagesschulen und Tagesstrukturen vielfach im Hintergrund. Dabei gibt es einige Besonderheiten, welche die Arbeit von Führungspersonen beeinflussen, besondere Sorgfalt erfordern und im besten Fall bereichernd wirken, wie Regula Spirig und Frank Brückel erläutern.
Eltern versprechen sich von Tagesschulen und Tagesstrukturen, dass sie die Vereinbarkeit von Familie und Beruf vereinfachen. Den Kindern sollen sie einen harmonischen Rahmen für ihr Lernen, ihre Freizeit und das Zusammensein mit Freundinnen und Freunden bieten. Die Politik erhofft sich je nach Zuständigkeit positive Auswirkungen auf die Steuererträge oder den Arbeitsmarkt oder einen Standortvorteil gegenüber anderen Gemeinden.
Daneben finden sich kritische Stimmen, die fürchten, dass elterliche Erziehungsaufgaben an die Schulen und den Staat delegiert beziehungsweise den Eltern weggenommen werden. Andere fürchten, dass Kinder den ganzen Tag belehrt und überwacht werden. Aber was macht die Führung von Tagesschulen oder Tagesstrukturen aus?
Den Aufbau und die Entwicklung gestalten
Kinder und Jugendliche verbringen immer mehr Zeit in Tagesschulen und Tagesstrukturen. Für die Schulen wird die Gestaltung des ganzen Tages zu einer wichtigen Aufgabe. Arbeits- und Erholungsphasen sollen sinnvoll rhythmisiert sein, denn es ist wichtig, Tagesschulen und Tagesstrukturen an ihrer pädagogischen Qualität zu messen. Ein wichtiger Indikator dafür ist die Umsetzung eines pädagogischen Konzepts, dass Unterricht und Betreuung zu einem ganzheitlichen Tagesablauf zusammenführen.

Dahinter steht ein aufwendiger Prozess, den verschiedene Führungspersonen gemeinsam gestalten und verantworten. Das Projekt Tagesschule 2025 der Stadt Zürich bietet ein gutes Beispiel, wie die Planung und Umsetzung von Tagesschulen gelingen kann. Unterrichts- und Betreuungsteams sowie Schul- und Betreuungsleitungen arbeiten eng mit Projektverantwortlichen der Stadt und der Behörden sowie mit Fachpersonen der PHZH zusammen. Damit entsteht ein Netz an Wissen, Erfahrung und Support, welches die Prozesse der einzelnen Schulen und das Handeln der Schulführung unterstützt.
Die multiprofessionelle Zusammenarbeit stärken
Die Mitarbeitenden der Betreuung vergrössern und bereichern das Team. Sie können anzahlmässig die Hälfte des Schulteams ausmachen. Sie bringen durch ihre berufliche Sozialisation und Erfahrung geprägtes Wissen mit. Die Führungspersonen stellen sicher, dass die verschiedenen Wissensbestände der unterschiedlichen Professionen für die Schule und das Lernen der Kinder und Jugendlichen fruchtbar gemacht werden.
Dafür braucht es nicht nur strukturelle Anpassungen wie die Schaffung von Kooperationsgefässen. Lehr- und Betreuungspersonen sollen einander als Fachpersonen begegnen und die Zusammenarbeit als Ergänzung und Bereicherung erfahren. Schul- und Betreuungsleitungen berichten, dass sie mit ihrer Zusammenarbeit hier eine grosse Vorbildwirkung haben.
Den Fokus auf Gemeinsames statt Trennendes legen
An Tagesschulen und Tagesstrukturen, die eng mit der Schule zusammenarbeiten, können viele Themen zu Konflikten führen: müde Kinder im Nachmittagsunterricht, begrenzter Schulraum oder unterschiedliche Verhaltens- und Partizipationserwartungen. Wie gelingt es, einen Tag kindgerecht zu rhythmisieren? Wie können Räume gemeinsam gestaltet und genutzt werden? Welche Freiräume und Regeln haben die Kinder? Greifen Führungspersonen solche potenziellen Konfliktherde proaktiv auf, können innovative Lösungen entstehen.
INFOBOX Das Weiterbildungsmodul «Tagesschulen und Tagesstrukturen führen – Führungshandeln im schulischen Ganztag» greift Besonderheiten von Tagesschulen aus der Führungsperspektive auf und richtet sich an Führungspersonen, die eine Tagesschule aufbauen oder weiterentwickeln wollen. Kompakte online-Veranstaltungen widmen sich folgenden Themen: - Qualität und Entwicklung von Tagesschulen - Pädagogische und betriebliche Führung, Finanzierung - Multiprofessionelle Kooperation - Rhythmisierung, Räume und Partizipation
Zu den Autoren
Regula Spirig und Frank Brückel vom Zentrum Schule und Entwicklung der PH Zürich beschäftigen sich mit Themen rund um Tagesschulen, Qualität im Ganztag und Schulentwicklung. Unter anderem begleiten und beraten sie Schulen und Gemeinden beim Aufbau und der Entwicklung von Tagesschulen und gehören der Arbeitsgruppe Tagesschulen der PH Zürich an.

Redaktion: Melina Maerten
Titelbild: zVg