Oft nehmen Schulleitende oder Lehrpersonen Aufgaben in der Weiterbildung wahr: Sie unterrichten Erwachsene und konzipieren Lernangebote, sie arbeiten in der Personalentwicklung oder leiten ein schulinternes Fachteam. Die Didaktik der Schulwelt lässt sich aber nur bedingt in den Kontext der Weiterbildung übertragen. Ohne eine ausgeprägte erwachsenendidaktische Kompetenz wird die Qualität der Weiterbildung erheblich beeinträchtigt. Erik Haberzeth und Gabriel Flepp
Lehrpersonen sind pädagogisch und didaktisch hoch qualifiziert ausgebildet – allerdings für eine Tätigkeit in der Volksschule, nicht in der Erwachsenenbildung. Die Erwachsenenbildung funktioniert nach einer anderen Logik: Die Schulpflicht von Kindern und Jugendlichen ist gesetzlich geregelt. Eine dementsprechende Weiterbildungsverpflichtung gibt es nicht. Es gilt – zumindest weitestgehend – das Prinzip der Freiwilligkeit der Teilnahme. Praktisch bedeutet dies, dass Anbietende von Weiterbildungen um die Teilnehmenden werben und sich um eine Reduzierung des Drop-outs bemühen müssen, dass Erwachsenenbildung in anderer Weise als die Schule zur «Kundinnen- und Kundenfreundlichkeit» genötigt ist. Wenn niemand kommt, findet auch keine Weiterbildung statt. So einfach ist das.
Ein weiteres Stichwort ist Anschlusslernen. Während bei Kindern und Jugendlichen ein Neulernen dominiert, müssen Erwachsene vor allem auch um- und verlernen. Sie verfügen bereits über vielfältige Berufs- und Lernerfahrungen, ihre Biografien sind entsprechend reichhaltig und verschieden. Daraus resultieren ausgeprägte Ansprüche an eine Selbst- und Mitbestimmung im Lernen. Diese Ansprüche professionell aufzunehmen und sie produktiv zu nutzen und dabei für Überraschungen offen zu sein, erfordert ein ausgeprägtes didaktisches Wissen sowie eine geschulte Beobachtungs- und Analysefähigkeit.
Eine Tätigkeit im Bereich der Weiterbildung umfasst oftmals nicht primär die Vorbereitung und die Durchführung von Unterricht (wie in der Schule). Es müssen weitergehend Möglichkeiten geprüft werden, wie Bedingungen hergestellt und Anregungen gegeben werden können, die es Erwachsenen ermöglicht, für sich selbst Chancen des Lernens und des veränderten Handelns zu entwickeln. Dies bedingt die Fähigkeit, non-formales und informelles Lernen zu gestalten.
Erfahrungen und Kompetenzen als Lehrperson nutzbar machen
Viele Erfahrungen und Kompetenzen können als Lehrperson für die Arbeit in der Erwachsenenbildung genutzt werden wie etwa didaktische Gestaltungsmodelle, die Begleitung von Gruppen in selbstorganisierten Lernphasen, die Moderation von Gruppengesprächen oder die Beratung und Begleitung von einzelnen Lernenden. Wenn es aber beim «Sprung» von der Schule in die Erwachsenenbildung um eine Nutzung dieser Erfahrungen und Kompetenzen geht, bedarf es einiger (selbst-)kritischer Fragen:
- Wie berücksichtige ich die Unterschiede zwischen dem Lernen von Kindern und Jugendlichen und dem von Erwachsenen bei meinem didaktischen Handeln?
- Welche habituellen Denk- und Handlungsmuster haben sich bei mir eingeschliffen, die für eine Arbeit mit Erwachsenen möglicherweise nicht mehr adäquat sind?
- Wie viel Verantwortung für die Lernprozesse von erwachsenen Teilnehmenden soll ich übernehmen? Neige ich bei Begleitungsaktivitäten dazu, zu sehr zu betreuen?
- Wie reagiere ich, wenn sich Erwachsene wie Schülerinnen und Schüler verhalten? Wie reagiere ich generell auf Widerstandsphänomene von erwachsenen Teilnehmenden?
- Wie reagiere ich auf erwachsene Teilnehmende, die älter sind als ich? Wie reagiere ich auf solche, welche in ihren Arbeitsfeldern über mehr Kompetenzen und Erfahrungen verfügen als ich?
Diese und ähnliche Fragen verweisen darauf, dass bei einer Tätigkeit von Lehrpersonen in der Weiterbildung transferierbare Erfahrungen und Kompetenzen aus der Schulwelt in die Welt der Erwachsenenbildung erst eruiert werden müssen. Dazu gehört es, pädagogische Gestaltungskonzepte aus dem Schulbereich auf ihre Tauglichkeit für den Bereich der Erwachsenenbildung hin zu überprüfen und typische Muster und Fallen zu beachten, welche sich aus einem zu schnellen Transfer von schulpädagogischen Konzepten in die Erwachsenenbildung ergeben.
Auf der Grundlage dieser Überlegungen hat die Pädagogische Hochschule Zürich einen neuen Zertifikats-Lehrgang in Erwachsenenbildung entwickelt.
INFOBOX Der Lehrgang «CAS Erwachsenenbildung» startet am 1. September 2021. Anmeldeschluss ist der 31. Mai 2021. Alle Informationen finden Sie hier. Im untenstehenden Video erhalten Sie einen ersten Einblick zum CAS. Am CAS interessierte Volksschullehrpersonen, die noch nicht über das «SVEB-Zertifikat Kursleiter/-in» verfügen, empfehlen wir, dieses in einer verkürzten Dauer bei unserem Kooperationspartner EB Zürich zu erwerben.
Zu den Autoren
Erik Haberzeth ist Professor für Höhere Berufsbildung und Weiterbildung im Zentrum Berufs- und Erwachsenenbildung der PH Zürich.
Gabriel Flepp ist als wissenschaftlicher Assistent am Zentrum für Hochschuldidaktik und -entwicklung der PH Zürich.
Redaktion: Melina Maerten
Titelbild: Screenshot aus dem Video