Wir haben für die Tagung «Teacher Leadership – Schule gemeinschaftlich führen» vom November 2020 an der PH Zürich Interviews mit Personen in unterschiedlichen Funktionen und Aufgaben an Schulen geführt. In den nächsten drei Wochen zeigen wir Ihnen Eindrücke aus der Praxis und den Erfahrungen der Praktikerinnen und Praktiker. Heute steht das Verständnis von gemeinschaftlicher Schulführung im Fokus. Nina-Cathrin Strauss.
In Schulen existiert neben Schulleitung und Schulbehörde eine Vielfalt an Führungspersonen, die Verantwortung tragen, Einfluss nehmen, Veränderungen planen oder Aufgaben koordinieren. Wir sprechen hier von gemeinschaftlicher Führung. An der gemeinschaftlichen Schulführung beteiligen sich nicht nur Schulleitende, Schulbehörden und Schulverwaltungen, sondern auch Betreuungsleitungen, Stufenleitungen und andere Teacher Leader. Sie alle haben ihre Stärken und Kompetenzen und leisten ihren Beitrag für die Gestaltung des Lehrens und Lernens in der Schule. Die Gemeinschaft ist dafür der Rahmen, der für das Teilen gewisser Werte und Ziele steht.
Durch gemeinschaftliche Führung werden offizielle Führungsfunktionen nicht überflüssig, sondern umso wichtiger. Denn für Schulleitende oder Rektoren ergeben sich so neue oder andere wichtige Aufgaben und Rollen, wie Sie in dem folgenden Video hören werden. Sie sind «Expertin für das Herauskitzeln von Talenten», sind Gatekeeper oder Brückenbauer und prägen mit ihrer Haltung die Prozesse und die Kultur ihrer Schule. Denn das Führungsverständnis ist die Basis für das eigene Führungshandeln und die Beziehungen mit den Mitarbeitenden, Kolleginnen und Kollegen. Schulleitungen prägen die Handlungsmöglichkeiten der anderen Beteiligten, wenn sie Räume öffnen, den Rücken stärken oder Vertrauen in die Kompetenzen von Mitarbeitenden vermitteln.
INFOBOX Zum Thema gemeinschaftliche Schulführung startet am 18. Mai 2021 eine Themenreihe mit dem Anlass «Zyklus-, Stufen-, Jahrgangsleitungen». Im November 2020 ist ausserdem der Sammelband «Teacher Leadership: Schule gemeinschaftlich führen» erschienen, herausgegeben von Nina-Cathrin Strauss und Niels Anderegg. Ein zweiter Band zum Thema «Leadership for Learning» ist in Arbeit und erscheint im Winter 2021/22.
Zur Autorin
Nina-Cathrin Strauss beschäftigt sich als Dozentin und Forscherin mit der Frage, wie gemeinschaftliche Führung zur Entwicklung als gute Schule beitragen kann. Neben dem CAS Pädagogische Schulführung ist sie Ko-Leiterin im CAS Schulqualität.
Redaktion: Melina Maerten
Titelbild: Screenshot aus dem Video
Liebe Nina-Cathrin Strauss
Das ist ein wirklicher interessantes Spotlight zur Führung. Ich kenne ein weiteres Element, das sich zunehmend etabliert: das Schulmanagement, oder Entwicklungs,- oder Innovationsteam in Schulen. Sie sind oftmals das verbindende und damit auch verbindlich werdende Gremium, das notwendige Entwicklungen fördert oder auch hemmen kann.
Entstehen Sie aus der Mitte des Kollegiums heraus, kann das sehr sehr wertvoll sein und Schulleitungen entlasten.
Sie gehören zwar nur indirekt zur Führung (haben also keine Anweisungsbefugnis), aber sind ganz wichtige Motivierer zur Partizipation.
Mit dem holistischen Ansatz ändern sie letztendlich die Führung auch.
Zählen diese auch dazu? Gibt es Erfahrungen damit?
Liebe Grüsse!
Danke, liebe Susanne Reuls! Sie sprechen einen wichtigen Punkt an, denn ich würde klar sagen, dass Führung nicht zwingend mit einer “Anweisungsbefugnis” verknüpft sein muss. Führung meint im eigentlichen Sinne ja Einfluss nehmen und das muss nicht auf eine Leitungsfunktion zurückgehen, sondern kann auch auf besonderer Expertise oder spezifischem Wissen basieren. Also sind für mich solche Entwicklungstems auch ein gutes Beispiel dafür, wie sich Führung verteilt und gemeinschaftlich gelebt wird. Nach meiner Erfahrung kann es sich aber stark unterscheiden, wieviel Führungseinfluss genommen wird, das ist dann oft auch abhängig von den Rahmenbedingungen und der Besetzung dieser Gruppen.
Oder was meinen Sie?
Herzliche Grüsse
Nina
Vielen Dank liebe Nina-Cathrin Strauss für die Antwort und das Aufwerfen der Frage.
Ja, ich bin persönlich von einer partizipativen Führung wirklich überzeugt. Eben diese Teacher-Leaders und Entwicklung-oder Innovationsteams kommen aus der Mitte und wissen um die hohe Autonomie der Lehrpersonen, die ja wichtig ist.
Mit ihnen ändert sich auch die Aufgabe der Schulleitung und es kann zu einer Art “New Work” in der Schule kommen.
Bildung ist häufig ganz klar von oben nach unten durchstrukturiert, aber dabei geht die Vernetzung und das Miteinander verloren. An der “Spitze” wird es dann einsam, wie man so sagt. Das holistische Modell dagegen wird für mich eher dem Bedürfnis von Menschen gerecht auch wirksam zu sein und gesehen zu werden.
Ich glaube, wenn man solch ein ganzheitliches Modell umsetzen möchte, muss sich (wohlgemerkt als Führungsperson) auf Augenhöhe begeben mit den Lehrpersonen. Und man sollte sich darüber klar sein, dass diese Teacher-Leaders einen eigenen Kopf und eigene Ideen haben, die sie verwirklichen möchten (=Purpose/Sinn). Projektionen und Einflussnahme im Sinne der eigenen Philosophie sind eher kontraproduktiv in diesem Kontext.
Aber eine Steuerung durch die Weitergabe wesentlicher Informationen aus dem SL-Leben sind durchaus Steuergrössen.
Und während ich dies schreibe, fällt mir auf, wie weise und achtsam Führung gestaltet werden muss.
Kann das in etwa so hinkommen? Was meinen Sie?
Ich freu mich über den Austausch und schicke ganz herzliche Grüsse!