Matthias Weisenhorn, Leiter Abteilung Lehrpersonal, VSA ZH

«Es ist an der Zeit, Leitung Bildung zu ermöglichen»

Der Regierungsrat hat entschieden, mit der Leitung Bildung eine neue Hierarchiestufe an den Volksschulen des Kantons Zürich zu ermöglichen. Jörg Berger hat Matthias Weisenhorn, Leiter Abteilung Lehrpersonal, VSA Kanton Zürich, befragt, wie er dazu steht.

Matthias Weisenhorn, sind Sie glücklich über den Entscheid des Regierungsrats?

Es ist ein Schritt in die richtige Richtung. In den Schulen im Kanton Zürich herrscht eine grosse strukturelle Vielfalt. Neben der Grossstadt Zürich gibt es kleine ländliche Gemeinden. Hier eine Struktur zu finden, die für alle passt, ist eine grosse Herausforderung. In diesem Sinn ist es richtig, mit der Leitung Bildung eine Möglichkeit zu bieten, Aufgaben und Verantwortungen anders zu verteilen, als dies bisher zwischen Schulleitung und Schulpflege der Fall war.

Politisch war dieser Prozess nicht unumstritten. Wie haben Sie diesen erlebt?

Interessant ist, dass diese Idee bereits früher beim Projekt «Belastung / Entlastung» diskutiert wurde. Damals war aber die Zeit nicht reif. Jetzt stand die Frage im Raum, Schulleitungen zu kommunalisieren und daraus ein Gesamtpaket zu verabschieden, sodass die gesamte Schulführung auf Gemeindeebene geregelt wird. In diesem Kontext wurde vielen klar, dass es an der Zeit ist, Leitung Bildung zu ermöglichen. Klar gab es verschiedene politische Meinungen. Speziell beim Thema Volksschule zeigt sich, dass alle mitreden wollen.

Was hat dazu beigetragen, dass die Zeit reif ist für die Leitung Bildung?

In immer mehr grösseren Gemeinden nahm der Druck auf die Schulpflegen zu. Was vermag eine Schulpräsidentin oder ein Schulpräsident zu leisten? Lassen sich aus der Bevölkerung Personen finden, die über die notwendigen Qualifikationen verfügen und die zeitlichen Ressourcen mitbringen? Anstatt das Milizsystem grundsätzlich infrage zu stellen, wurde nun mit der Leitung Bildung die Möglichkeit geschaffen, dass es die Schulpflege als Milizbehörde weiterhin geben kann.

Kantonsrat Ziegler sagte uns in seinem Interview, dass eine weitere Hierarchiestufe das System komplexer statt einfacher macht. Teilen Sie seine Ansicht?

Ich würde es anders formulieren und fragen: Wie viel Hierarchie verträgt die Volksschule? Vor 12 Jahren mit der Einführung der Schulleitungen schaltete man erstmals eine Führungsebene zwischen Lehrpersonen und Schulpflege. Nun kommt eine weitere dazu. Für mich steht die Frage im Mittelpunkt, wie solide die gute Arbeitskultur gepflegt und gelebt wird, was nicht mit der Anzahl Hierarchiestufen zusammenhängen muss.

Spannender Aspekt! Wie müsste Ihrer Meinung nach die Arbeitskultur an den Zürcher Volksschulen denn sein?

Ich erachte es als elementar, dass die Schulpflegen sich weiterhin für ihre Schule vor Ort interessieren und sich nicht bloss auf einer strategischen Führungsebene befinden. Sollte sie sich so weit zurückziehen, dass sie den Schulalltag nicht mehr kennt, geht etwas Wichtiges verloren. Für Schulen, die nun eine Leitung Bildung einrichten, bleibt die Herausforderung bestehen, wie stark eine Behörde loslassen kann, ohne die Wahrnehmung für das Ganze zu verlieren. Gelingt dieser Spagat, ist es für alle Beteiligten ein grosser Gewinn.

Die Stadt Bülach hat sich bewusst dazu entschieden, die pädagogische Führung nicht auf die gleiche Ebene wie die der Verwaltung zu setzen. Ist dies der Königsweg?

Ich glaube nicht, dass die Struktur darüber entscheidet. Es sind die Menschen in der Organisation, die den Unterschied ausmachen. Sind die Stellen mit geeigneten Personen besetzt, funktioniert es. Andersrum wird keine Struktur die richtige sein.

Gibt es für Sie neben dem umsichtigen Handeln und der damit verbundenen Akzeptanz weitere Gelingensbedingungen?

Die Schulleiterinnen und Schulleiter erfahren in der neuen Verordnung einen gewissen Schutz bezüglich ihrer Kompetenzen und Zuständigkeiten. Ich stehe hinter diesem Ansatz. Es führt aber unweigerlich dazu, dass sich die Leitung Bildung Gedanken über ihr Selbstverständnis machen muss. Was erwartet sie? Wie stark nimmt sie Platz ein in der gesamten Führungsthematik? Wie viel Freiraum gewährt sie der Schulleitung? Das sind für mich die entscheidenden Fragen, ob das Zusammenspiel gelingt.

Da schwingt für mich eine gewisse Skepsis mit.

Leitung Bildung ist eine wichtige Stellung. Wenn das Führungsverständnis der Leitung Bildung «top-down» geprägt ist, wird es schief gehen. Die Schulleitungen haben eine wichtige Kaderfunktion. Ihnen sind wesentliche Aufgaben und Verantwortlichkeiten zugewiesen. Sie dürfen nicht in ihrer Autorität beschnitten werden, im Gegenteil. Sie sollen von der Leitung Bildung bestmöglich miteinbezogen werden. Dann wird sie auch im Bereich der Schul- und Unterrichtsentwicklung von Schulleitenden als Sparringpartner erlebt und geschätzt. Matchentscheidend wird sein, dass die richtige Person für die Stelle als Leitung Bildung gewonnen werden kann.

Womit wir wieder bei der zuständigen Schulpflege sind.

Genau! Auch eine Leitung Bildung muss gut geführt werden und die Erwartungen an sich und ihre Funktion kennen. Wohin soll es gehen? Wo ist Gestaltungsfreiraum, wo sind die Grenzen? Dazu genügt ein Konzept nicht, sondern es braucht die Schulpflege, die im Alltag hinschaut, nachfragt und bei Bedarf interveniert und klärt.

 Welchen Wunsch möchten Sie den Schulpflegen mit auf den Weg geben?

Überlegt euch gemeinsam, welchen Weg ihr gehen wollt. Was ist euch wichtig? Achtet darauf, dass es den Schulleitenden mit der neuen Form wohl ist. Auch sie sollen einen Gewinn haben.

Zum Autor

Jörg Berger ist verantwortlich für den Blog Schulführung. Er arbeitet in der Lehrgangsleitung des CAS Digital Leadership in Education, als Schulleiter an der Schule Knonau und in der Geschäftsleitung des Fachverbandes Schulleiterinnen und Schulleiter Schweiz VSLCH.

Redaktion: Melina Maerten

Titelbild: zVg

Ein Gedanke zu „«Es ist an der Zeit, Leitung Bildung zu ermöglichen»“

  1. Ein zeitgemässer Schritt zur Entlastung des Schulpräsidiums und unter Umständen auch der Schulleitung. Nach wie vor ist die Führungsspanne der SL riesig. Mit der Reduktion des MAB Aufwandes geht es auch in die richtige Richtung….

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