Kindergartenstufe

Pädagogische Schulführung im Kindergarten

«Kleine Kinder kleine Sorgen, grosse Kinder grosse Sorgen», ein bekannter Spruch aus dem Volksmund, der die Herausforderungen des Aufwachsens für das familiäre und soziale Umfeld eines Kindes umschreibt. Ob diese verallgemeinernde Aussage auch heute noch seine Gültigkeit hat, darf bezweifelt werden, wie Eliane Bernet und Catherine Lieger im Zusammenhang mit der pädagogischen Schulführung im Kindergarten sagen.

Die Herausforderungen, denen die erste Bildungsstufe unseres Schulsystems mit den sogenannt kleinen Kindern gegenüberstehen, sprechen eine deutlich andere Sprache als in der Einleitung angesprochen. Die Sorgen der Lehrpersonen sowie Fachexpertinnen und Fachexperten dieser Stufe sind gross, die unterschiedlichen Ansprüche und Erwartungen riesig, die Anerkennung und Wertschätzung für deren Arbeit winzig.

«Jö wie herzig!», ein Ausruf, den man oft hört, wenn kleinen spielenden Kindern zugeschaut wird. Es wird davon ausgegangen, dass die Kleinen einfach spielen können, quasi als angeborenes Gut. Dass jedoch eine immense pädagogische Arbeit hinter einem gelungenen freien Spiel steht, wird kaum zur Kenntnis genommen, ebenso wenig, dass Spielen das Lernen in diesem Entwicklungsalter ist. Kinder dieser Altersstufe lernen nicht systematisch, sondern beiläufig. Das beiläufige Lernen geschieht durch Handeln und Erleben und wird erst später in der nächsten Entwicklungsphase durch bewusstes Lernen abgelöst.

Beiläufig heisst aber nicht zufällig und geschieht einfach so. Es bedarf einer speziellen Didaktik, die sich an der Entwicklung des Kindes orientiert, die ganzheitliches Fördern anstrebt und die es den Kleinen ermöglicht, sich Inhalte handelnd, forschend und erlebend anzueignen.

Kinder durch freies Spielen motivieren

Dem freien Spiel im Kindergarten kommt eine ausserordentlich zentrale Bedeutung zu. Spielen ist keine Zeitverschwendung, es ist lernen pur. Freies spielen heisst aber nicht, die Kinder einfach machen zu lassen, es braucht eine professionelle Spielbegleitung, die entwicklungsorientiert Impulse setzt und die sie individuell fördert.

Diese individuelle Förderung ist im Kindergarten essenziell. Obwohl die Kinder beim Eintritt in den Kindergarten alle rund vier Jahre alt sind, ist ihr Entwicklungsstand unglaublich unterschiedlich. Kindern, die komplett unselbstständig sind, stehen gleichaltrigen Kindern gegenüber, die selbstständig Routineabläufe wie sich organisieren oder sich anziehen, managen, die lesen und am Rechnen interessiert sind. Diese enorme Heterogenität, die für eine einzelne Lehrperson kaum handhabbar ist, ist eine der grossen Herausforderungen dieser Stufe und kann eigentlich nur durch intensive Zusammenarbeit in multiprofessionellen Teams gelöst werden.

Als ein weiteres spezielles Merkmal der Kindergartenstufe ist die erste Begegnung der Kinder und Eltern mit der Institution Schule. Auch für Eltern kann der Eintritt ihres Kindes in den Kindergarten eine grosse Herausforderung darstellen. Der persönliche familiäre Rahmen wird erweitert, die Kontrolle über das eigene Kind geht zumindest ein Stück weit verloren und Eltern sind von nun an ein Teil des obligatorischen Bildungssystems, das seine eigenen Regeln, Werte, Gesetze kennt und lebt. Damit dieser Übergang vom Elternhaus in den Kindergarten und somit in unser Bildungssystem gelingt, ist eine enge Zusammenarbeit zwingend. Schulleitungen, die für Kindergärten verantwortlich sind, sollten die Spezifika dieser Stufe kennen.

INFOBOX

Die Bedeutung des Spiels, Spielformen, entwicklungsorientierten Zugängen, guter Unterricht im Kindergarten, Spielbegleitung und Elternzusammenarbeit werden im Modul Pädagogische Schulführung im Kindergarten bearbeitet, sodass Schulleitende die Arbeit in den Kindergärten unterstützen und beurteilen können.

Zur Autorin Eliane Bernet

Dozentin Eliane Bernet

Eliane Bernet setzt sich seit vielen Jahren als Dozentin und Beraterin mit den Themen professionelles Lehrer/innenhandeln auf den verschiedenen Schulstufen und mit wirksamem Führungshandeln auseinander. Sie ist mitverantwortlich für den Lehrgang CAS Führen einer Bildungsorganisation und spezialisiert auf Coaching von Führungspersonen und Konfliktmanagement in Organisationen.

Zur Autorin Catherine Lieger

Catherine Lieger

Catherine Lieger, Dr. phil., ist Leiterin im Schwerpunktprogramm Elementarbildung an der PH Zürich, Dozentin und Beraterin. Zudem ist sie in verschiedenen Entwicklungs- und Forschungsprojekten tätig.



Redaktion: Melina Maerten

Titelbild: Catherine Lieger

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