Mit dem Entscheid des Kantonsrates vom 20. April 2020 wird es zukünftig möglich sein, dass Gemeinden ihre Schule mit einer zusätzlichen Hierarchiestufe organisieren – Leitung Bildung. Einige Gemeinden im Kanton Zürich haben sich schon so eingerichtet. Andrea Hugelshofer hat mit Markus Fischer, Leiter Bildung in Bülach, über seine Aufgabe gesprochen.
Jede und jeder im Stadtrat Bülach hat eine Abteilungsleitung für das eigene Ressort. In meiner Funktion ist das die Leitung Bildung, sagt Markus Fischer. Der Stadtschreiber führt quasi als CEO diese Abteilungsleitungen und gewährleistet im Rahmen der Geschäftsleitung (GL) eine enge Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Abteilungen.
Die Abteilung Bildung – zu dem auch die schulergänzenden Dienste (Therapiebereich, SPD, SSA, Betreuung) gehören – wird über ein GL-Modell geführt. Die Idee dahinter ist, dass operative und strategische Führung klarer getrennt werden. Da dies aus gesetzlichen Gründen noch nicht vollständig möglich ist, ist das Schulpräsidium Mitglied der GL.
Die Aufgaben der Geschäftsleitung
Die GL ist die Drehscheibe oder Schnittstelle zwischen der strategischen und der operativen Führungsstufe. Sie hat diverse Aufgaben übernommen, die vorher in der Kompetenz der Schulpflege waren: Zum Beispiel sonderpädagogische Beschlüsse oder die Zuteilung der Kinder auf die Schulhäuser. Sie bereitet Themen vor, welche von der Schulbehörde oder sogar vom Stadtrat genehmigt werden müssen. Zudem setzt sie Beschlüsse der Schulpflege um, oder weist sie den zuständigen Stellen zur Bearbeitung zu. Oft kümmert sich dann die Bildungskonferenz um die konkrete Umsetzung von Massnahmen, die für alle Primarschulen in Bülach gelten.
Zur Bildungskonferenz gehören alle Schulleitungen, die Leitung der schulergänzenden Dienste sowie die Leitung Schulverwaltung. Geführt wird dieses Gremium durch mich als Leiter Bildung, sagt Fischer. Zusätzlich haben wir noch einen Koordinator Schulen. Er ist ein erfahrener Schulleiter, welcher neben seinem Führungspensum übergreifende Aufgaben, vor allem im pädagogischen Bereich wahrnimmt (zum Beispiel Lehrplan 21, pädagogische Konzepte oder Projektkoordination).
Als ich 2014 als Leiter Bildung in Bülach vom Stadtrat gewählt wurde, waren die pädagogische Organisation (die Schulen) und die städtische Organisation (Verwaltung, schulergänzende Dienste) noch stärker getrennt, wie Fischer erzählt. Direkt unterstellt waren mir ausschliesslich die städtischen Mitarbeitenden, wobei bei auch die Schulverwaltung, der SPD (Schulpsychologische Dienst der Stadt Zürich), die SSA (Schulsozialarbeit), die Leitung Therapien oder die Hortmitarbeitenden dazugehören.
Zu dem Zeitpunkt hatte ich keine Vorgesetztenfunktion gegenüber den Schulleitenden. Fischer ergänzt: Hingegen war ich als Schulsekretär bereits verantwortlich für alle Geschäfte, welche in dem Gremium behandelt wurden. Bei der Umsetzung arbeitete ich schon damals eng mit den Schulleitungen zusammen, jedoch ohne Weisungsbefugnis. Mit einer Organisationsentwicklung (OE) verfolgte die Schulpflege die Zielsetzung, den städtischen Teil (Einfluss über die Finanzen und Führungsverantwortung gegenüber kommunal angestellten Personen) und den kantonalen Teil (Führungsverantwortung gegenüber den Schulleitungen) mehr zusammenzubringen. Uns ist in Bülach wichtig, dass die Schulorganisation keinen Selbstzweck darstellt, sondern Synergien nützt, gute Schulen ermöglicht und die Schulen gut aufgestellt sind für die Zukunft.
Die neue Organisation verfolgt eine klare Struktur
Ähnlich wie in den anderen sechs Abteilungen in Bülach steht nun auch dem Ressort Bildung eine Abteilungsleitung vor, welche die operative Gesamtverantwortung für alle Belange hat. Es gibt Gemeinden, welche die pädagogische Leitung und die Verwaltungsleitung auf gleiche Hierarchiestufe gestellt haben. Das wollten wir nicht, weil uns von Anfang an wichtig war, die beiden Bereiche näher zusammenzubringen und klare Strukturen zu schaffen.
So sieht die neue Organisationsform im Organigramm aus:
Rückblickend war es eine Chance, dass ich einen pädagogischen Hintergrund habe, auch wenn das damals kein Pflichtkriterium bei der Auswahl war, sagt Fischer. Wir hatten schon vor dem OE-Projekt eine grosse Bereitschaft, zusammenzuarbeiten mit einem guten Netzwerk in der Abteilung Bildung sowie zwischen den Schulleitungen und mir. Die intensive Zusammenarbeit, auch im Rahmen der Erarbeitung des neuen GL-Modells sowie meine Akzeptanz bei den Schulleitenden war sicher eine wichtige Grundlage, dass dieses Modell überhaupt zum Tragen kam und in der Praxis auch funktioniert.
Ich bin als Leiter Bildung weder die Verwaltungsrepräsentanz noch die pädagogische Repräsentanz. Wir übernehmen gemeinsam Verantwortung und suchen nach guten und praktikablen Lösungen mit Blick auf die Schulqualität. Wir haben hier aus meiner Sicht ein gutes Modell, das auch ein Stück gewachsen ist. Ein Ausdruck davon ist, dass das Vertrauen zwischen der operativen und der strategischen Stufe (Schulpflege) gewachsen ist. Die professionelle Arbeit auf operativer Stufe wird von der Behörde geschätzt, Freiheiten werden gewährt und es gibt wenig Misstrauen gegenüber Anträgen, welche an die Schulbehörde gerichtet werden.
Dieses Gespräch wurde aufgezeichnet von Andrea Hugelshofer.
Zur Autorin

Andrea Hugelshofer ist Dozentin im Zentrum Management und Leadership an der PH Zürich. Sie beschäftigt sich als Beraterin und Dozentin mit Themen rund um Personalentwicklung, den Erhalt von Gesundheit und Leistungsfähigkeit sowie dem Umgang mit Konflikten. Insbesondere verantwortet sie spezifische Weiterbildungsangebote für Mitglieder von Schulbehörden.
Im zweiten Teil spricht Andrea Hugelshofer mit Markus Fischer darüber, wie die Stadt Bülach ihre Zusammenarbeit gestaltet.
Redaktion: Melina Maerten
Titelbild: zVg
Lieber Herr Fischer
Das ist ein interessantes Ergebnis aus einer OE-Massnahme, das sich im Organigramm widerspiegelt. Strukturen und Aufgaben sind damit klar geregelt. Besonders ansprechend ist dabei, dass sie trotz einer „oben-unten“-Darstellung die Zusammenarbeit betonen.
Wo sehen Sie dahingehend die Schnittflächen zwischen Ihnen und den SL? Wie lösen Sie Konflikte ohne einen streng hierarchischen Weg der Weisungsbefugnis?
Die Sichtweisen auf und Bedürfnisse für eine „gute“ Schule unterscheiden sich oft, da die Ebenen so unterschiedlich sind und damit auch die Sichtweisen. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass die operative und strategische Ebene sehr eng zusammenarbeiten müssen und das geht oft nur über eine gemeinsame Vision, an die man sich anbinden kann.
Ich freue mich auf Ihre Antwort und den Austausch.
Beste Grüsse, Susanne Reuls
Liebe Frau Reuls
Ja, die strategische und die operative Ebene müssen eng zusammenarbeiten. In der Praxis ist es natürlich nicht immer so, dass strategische Themen bei der Behörde und operative Aufgaben bei der Schulleitung oder bei mir als Leitung Bildung angesiedelt sind. Wer lange in der operativen Führung tätig ist, denkt automatisch auch strategisch. Deshalb ist es wichtig, dass beim Entwerfen von Visionen, Leitzielen und auch bei den Legislaturzielen der Behörde immer auch die operative Führungsebene eingebunden ist. Das ist bei uns in Bülach glücklicherweise der Fall. So ist sichergestellt, dass die Legislaturziele der Schulpflege, die Schulprogramme und die konkreten Projekte im Schuljahr aufeinander abgestimmt sind.
Noch zu „oben-unten“ zu Schnittflächen und allfälligen Konflikten im Führungsalltag. Ja, es stimmt: Die Sichtweisen sind nicht immer dieselben. Wir haben das Glück, dass wir viele langjährige und kompetente Führungspersonen in der Rolle als Schulleitung haben. Viele von ihnen haben nicht nur die Realität und Bedürfnisse ihrer Schule sonder die Anliegen und Realitäten der Gesamtschule Bülach und des Ressorts Bildung im Auge. Das ist nicht selbstverständlich. In Organisationen, wo noch jeder für sein „Gärtchen“ denkt und sich dementsprechend verhält, braucht es auch mal klare Vorgaben und Entscheide. Vor allem muss eine solche Kultur der gemeinsamen Vision und der übergeordneten Ziele zuerst aufgebaut werden. Das ist eine wichtige Aufgabe der übergeordneten Führungsebene. Mein Glück war, dass ich diesbezüglich schon auf eine gute Grundlage aufbauen konnte. Deshalb gefällt mir meine jetzige Aufgabe so gut.
Beste Grüsse
Markus Fischer
Lieber Herr Fischer
Vielen Dank für Ihre ausführliche Antwort. Es tönt sehr inspirierend, wie es in Bülach läuft und dass alle an einer Weiterentwicklung Interesse haben, strategisch und operativ.
Ich wünsche Ihnen sehr viel Freude im Tun!
Beste Grüsse,
Susanne Reuls