Revision des Volksschulgesetzes: Zürcher Kantonsrat hat entschieden

Nicht in der Messehalle, sondern per schriftlichem Verfahren hat am vergangenen Montag, 20. April, der Kantonsrat in zweiter Lesung die Vorlage zur Änderung des Volksschul- und Lehrpersonalgesetzes (5507b VSG und LPG) verabschiedet. Hierbei werden Kompetenzen zwischen Schulbehörde und Schulleitung weiter geklärt und es wird den Gemeinden ermöglicht, eine sogenannte Leitung Bildung einzuführen. Wir haben Christoph Ziegler, den Präsidenten der Kommission für Bildung und Kultur des Kantonsrats (KBIK) zu diesem Entscheid interviewt:

Herr Ziegler, wie verlief die zweite Lesung bezüglich der Einführung von Gesamtschulleitungen im Kantonsrat?

Wegen der Coronakrise gab es bei der zweiten Lesung ein schriftliches Verfahren ohne Diskussion. Es gab also (wie übrigens auch fast immer bei einem normalen Verfahren) keine Änderungen zur ersten Lesung, wo ja hitzig diskutiert und argumentiert wurde.

Welchen Nutzen sieht die Kommission und der Kantonsrat in der Einführung einer Gesamtschulleitung?

Die mögliche Schaffung einer neuen Stelle soll in erster Linie die Schulpflegen in grösseren Gemeinden entlasten. Die Anforderung an das Amt der Schulpflegepräsidien übersteigt dort oft die zeitlichen Möglichkeiten von Milizpolitiker*innen.

Was waren in der Diskussion die umstrittenen Punkte?

Der Kommission war wichtig, dass im Sinne der Gemeindeautonomie eine solche Stelle vom Volk (Gemeindeordnung) bewilligt werden muss. Daneben befürwortet eine Mehrheit, dass nur Schulpflegeaufgaben, nicht aber Schulleitungsaufgaben an die neue Stelle übertragen werden können. Die Kommission wollte auch die Schaffung einer Stelle auf mittelgrosse und grosse Gemeinden beschränken, da sie nur in diesen Gemeinden einen Handlungsbedarf sieht.

Welche Kompetenzen können an die neue Instanz delegiert werden, welche müssen bei der Schulpflege bzw. bei der Schulleitung bleiben?

Folgende Aufgaben der Schulpflege sind nicht delegierbar:
Bestimmen der Schuleinheiten, Erlassen des Organisationsstatuts, Genehmigen des Schulprogramms, Zuteilung und Kontrolle der Finanzen, Anstellung/Entlassung und Beurteilung der Schulleitungen, Entlassung der Lehrpersonen, Schulbesuche
Folgende Aufgaben können von der Schulpflege delegiert werden:
Anstellung der Lehrpersonen, Aufsicht über die Schulleitungen und die Lehrpersonen, Zuteilung der SchülerInnen, Vertretung der Schule nach aussen.
Schulleitungsaufgaben sind die folgenden:
Administrative Führung der Schule, personelle Führung und Beurteilung der Lehrpersonen, Festlegen der Stundenpläne, Verwaltung der zugeteilten Mittel, Leitung der Schulkonferenz.

Sie selbst sind Sekundarlehrer. Was würden Sie sich aus dieser Perspektive von der Möglichkeit einer Gesamtschulleitung erhoffen, was befürchten?

Ich bin der Ansicht, dass unsere finanziellen Ressourcen, wenn immer möglich, direkt im Klassenzimmer ankommen sollen. Es darf nicht sein, dass Investitionen in Verwaltung und Leitung einer Schule auf Kosten von anderen Aufgaben wie Klassengrösse, Infrastruktur etc. gehen. Es wäre fatal, wenn dort dann die Mittel fehlen. Es gilt auch festzuhalten, dass eine ausgebaute Hierarchie die Führung einer Schule nicht unbedingt einfacher macht. Dank einer Leitung Bildung können die einzelnen Schulen einer grossen Gemeinde besser koordiniert und die Schulpflegepräsidien entlastet werden.

Ist damit die Revision des Schulorganisationsgesetzes abgeschlossen?

Grundsätzlich stelle ich fest, dass sich die jeweilige Situation in jeder Gemeinde immer noch recht unterschiedlich präsentiert. Das ist im Hinblick auf die Gemeindeautonomie auch gut so. Ob und wie die Bildungsdirektion und die Politik mit den unterschiedlichen Modellen umgehen können, wird sich weisen.

INFOBOX

Christoph Ziegler ist Zürcher Kantonsrat der Grünliberalen Partei GLP, Gemeindepräsident in Elgg und Sekundarlehrer.

Er stellt unserer Blogleserschaft den Antrag der KBIK und das Gesetzesdokument bereits heute zur Verfügung:

Den Kommissionsantrag finden Sie hier. 

Das Gesetzesdokument der 2. Lesung ist hier abgelegt.

Zur Autorin

Andrea Hugelshofer ist Dozentin im Zentrum Management und Leadership an der PH Zürich. Sie beschäftigt sich als Beraterin und Dozentin mit Themen rund um Personalentwicklung, den Erhalt von Gesundheit und Leistungsfähigkeit sowie dem Umgang mit Konflikten. Insbesondere verantwortet sie spezifische Weiterbildungsangebote für Mitglieder von Schulbehörden.


Redaktion: Jörg Berger

Titelbild: André Springer 30.03.2020, Tages-Anzeiger: https://www.tagesanzeiger.ch/damit-zuerich-keine-diktatur-wird-729206445808

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