Die Qualität von Schule ist ein Thema, dass uns Bildungsinteressierte nicht loslässt und nicht loslassen darf. Nina-Cathrin Strauss und Hansjürg Brauchli gehen folgenden Fragen auf den Grund: Was meint Schulqualität? Und wie können wir Schulqualität (weiter)entwickeln?
Als Lehrpersonen, Schulleitungen, Behördenmitglieder, Forschende, Weiterbildnerinnen und Weiterbildner und nicht zuletzt auch Schülerinnen und Schüler, Eltern und weiterführende Institutionen liegt unser Interesse in einer hohen Qualität von Schule. Doch zuerst schauen wir uns den Begriff genauer an.
(Schul)qualität: Wer, wie was?
Betrachten wir den Begriff Qualität näher, wird es schnell vielseitig und individuell, ähnlich wie bei Begriffen wie Schönheit, Gerechtigkeit oder Freiheit, wie Lee Harvey und Diana Green (2000) deutlich machen. Denn Qualität ist «relativ zu demjenigen, der diesen Begriff verwendet sowie abhängig von den Kontexten, in denen er verwendet wird». Qualität ist eine Zuschreibung, für jede Person etwas anderes und somit abhängig vom Blickwinkel und von den Interessen, Erfahrungen, Überzeugungen und Zielen der Person, welche die Qualität bestimmt. Eine Lehrerin der 3. Sek kann einen anderen Blick auf die Qualität ihrer Schule haben als ein Mitglied einer Schulbehörde.
Dann ist es auch eine Frage, was wir betrachten. Qualität kann sich um Prozesse oder Ergebnisse drehen, um die soziale oder pädagogische Interaktion im Unterricht oder um die Leistungen der Schülerinnen und Schüler – in der Forschung zu Schulqualität übrigens oft nur die Leistungen in vermeintlich wichtigeren oder leichter überprüfbaren Fächern wie Mathematik.
Ausserdem geht die Bestimmung von Qualität immer aus von einer bestimmten gesellschaftlichen Realität und den Werten und Zielen in Bezug auf Bildung, die damit verbunden sind. Heute sind dies die Individualisierung, Inklusion oder Bildungsgerechtigkeit, die unsere Schulen und die Erwartungen an Schule prägen; in den 1950ern waren dies andere gesellschaftliche Realitäten.
Schulqualität: Merkmale und Empfehlungen
Solche gesellschaftlichen Entwicklungen werden Teil des Wertesystems und gewinnen an Bedeutung. Und wir finden sie in den Modellen, Rahmenkonzepten, Orientierungs- und Referenzrahmen für Schulqualität, die uns Empfehlungen machen oder Hinweise darauf geben, was denn Merkmale von guten Schulen sein könnten.
Die Modelle unterscheiden einerseits strukturell den Kontext (bildungspolitische Rahmenbedingungen), die Schule und die Unterrichtssituation, andererseits dynamisch die Voraussetzungen, Prozesse und Ergebnisse in Bezug auf Merkmale von Schulqualität. In den Referenz- oder Orientierungsrahmen sind diese Merkmale gebündelt und strukturiert für Schulen aufbereitet worden, meist ausgehend von Politik beziehungsweise Behörden.
Im Kanton Zürich ist es das Handbuch für Schulqualität, das «Qualitätsansprüche an die Zürcher Volksschule» unterteilt in Qualitätsbereiche beschreibt. Das Handbuch dient der Orientierung in schulinternen Diskussionen über Qualität und enthält zugleich aber auch Ansprüche an die Qualität von Schule, herausgegeben von der Zürcher Bildungsdirektion. Zugegeben, im internationalen Vergleich sind die Ansprüche «sanft» formuliert und es wird betont, dass es nicht das Ziel genauer gesagt nahezu unmöglich ist, alle Ansprüche zu erfüllen. Dennoch zeigt sich hier die normative Seite von Schulqualität. Denn DIE Schulqualität beziehungsweise DIE gute Schule gibt es nicht und somit auch nicht das klare Rezept davon, was genau eine gute Schule ausmacht respektive wie man eine gute Schule wird. Es braucht die Arbeit in der Praxis mit diesen Qualitätsansprüchen, um Entwicklungen anzustossen.
Die gute Schule als gemeinschaftliche Verantwortung
In unserer Arbeit in Schulen sind wir regelmässig mit der Frage konfrontiert, was wir bewirken und bewirken können, wenn wir versuchen, das Lernen und die Entwicklung der Kinder und Jugendlichen fördernd zu beeinflussen. Auf die Frage, was eine gute Schule ausmacht, hören wir in Schulen häufig die Antwort, dass die Kinder und Jugendlichen gerne in die Schule kommen. Das ist ein ganz wesentlicher Aspekt von Schulqualität, der sich aber auf sehr unterschiedliche Dinge beziehen kann: auf die Prozesse in der Schule, das Klima, die Beziehungen und die Entwicklungsmöglichkeiten und Unterstützungssysteme, aber auch auf die (guten) Leistungen, die die Kinder und Jugendlichen bestärken. Es liegt aber auf der Hand, dass die Lösung nicht «Sechser für alle» sein kann.
Ein Lösungsweg liegt vielmehr darin, die gute Schule, den guten Unterricht und das Lernen aller Kinder und Jugendlichen als gemeinschaftliche Verantwortung zu verstehen. Das bedeutet, seine eigenen Vorstellungen von Schulqualität miteinander zu teilen und gemeinschaftlich weiterzuentwickeln, und zwar nicht nur als Bildungsbehörde, sondern als Schulleitung, Lehrperson, pädagogische Fachkraft, Mutter oder Mittelstufenschüler. Qualität wird so zur Führungsaufgabe, die jedoch nicht allein Schulbehörden oder Schulleitungen übernehmen, wie Niels Anderegg in seinem Beitrag anfangs Woche bereits aufgezeigt hat.
Qualität und Qualitätsentwicklung beziehungsweise die Arbeit an der guten Schule wird gemeinschaftlich getragen, nicht zuletzt auch unter Einbezug der Kinder und Jugendlichen, die hier ganz wichtige Vorstellungen haben. Entwicklungsprozesse, auch in Hinblick auf die Qualität von Schule, brauchen die Diskussionen darüber, welche Erfahrungen gemacht werden und welche unterschiedlichen Ziele und Vorstellungen vorhanden sind.
INFOBOX: Im Herbst 2020 startet der CAS Schulqualität an der PH Zürich unter der Leitung von Hansjürg Brauchli, Nina Strauss (PH Zürich) und Andreas Brunner (Fachstelle für Schulbeurteilung, Kanton Zürich). Der CAS richtet sich bewusst an unterschiedliche Personen im Schulsystem, die sich mit Schulqualität auseinandersetzen möchten: ausgehend von ihren unterschiedlichen Perspektiven, anwendungsorientiert und mit der Möglichkeit, sich in individuell sinnvollen Profilen zu vertiefen. Weitere Informationen erhalten sie an den Infoveranstaltungen oder hier.
Zur Autorin
Nina-Cathrin Strauss beschäftigt sich als Dozentin und Forscherin mit der Frage, wie gemeinschaftliche Führung zur Entwicklung als gute Schule beitragen kann. Neben dem CAS Schulqualität ist sie Ko-Leiterin im CAS Pädagogische Schulführung.
Zum Autor
Hansjürg Brauchli setzt sich mit Fragen zu Schulführung, Schulentwicklung und ihrem Zusammenhang zur Qualität einer Schule auseinander. Er ist Mitglied der Lehrgangsleitung des CAS Führen einer Bildungsorganisation (Schulleitungsausbildung) und Ko-Leiter im CAS Schulqualität.
Redaktion: Melina Maerten
Titelbild: zVg