Stehen die Sorgeberechtigten, die Schule oder die zuständigen Lehrpersonen in der Verantwortung, Bekleidung und weitere Ausrüstungsgegenstände auf Zweckmässigkeit und Sicherheit hin zu überprüfen? Wer ist für die korrekte Einstellung der Sicherheitsbindung zuständig? Besteht eine Helmtragepflicht beim Schlitteln, Snowboarden oder Skifahren? Dürfen Schülerinnen und Schüler temporär in Gruppen und ohne Begleitung Erwachsener auf markierten, gesicherten Pisten fahren gelassen werden? Falls ja – ab welchem Alter und nach Massgabe welcher persönlichen Voraussetzungen? Jurist Thomas Bucher mit den Antworten.
Um Fragen der genannten Art beantworten zu können, ist zu Beginn die Rechtsstellung von Eltern, Lehrpersonen und der Schule zu prüfen. Klar ist indes, dass die Erziehung des Kindes in der Verantwortung der Eltern beziehungsweise der Erziehungsberechtigten liegt und die zur elterlichen Sorge gehörende Obhut unübertragbar und unverzichtbar ist. Die faktische Obhut geht dagegen an Schneesporttagen und in Schneesportlagern gestützt auf den gesetzlich verankerten Bildungs- und Erziehungsauftrag auf die Schule beziehungsweise die Lehrpersonen über.
66 Abs. 1 lit. b der Volksschulverordnung des Kantons Zürich gibt vor, dass Eltern sowie Dritte, denen die Schülerinnen und Schüler anvertraut sind, dafür verantwortlich sind, dass diese für den Unterricht und für die üblichen besonderen Anlässe wie Schulreisen oder Exkursionen zweckmässig bekleidet und ausgerüstet sind. Damit wird klar, dass es sich um eine Verbundaufgabe handelt und die Schule nicht stillschweigend davon ausgehen darf, dass jedes Kind zweckmässig bekleidet und ausgerüstet zum Schneesporttag oder Schneesportlager erscheinen wird.
Schüler vor Gefahren warnen
Die der Lehrperson im Rahmen ihrer Berufsausübung zukommende sogenannte Garantenstellung bewirkt, dass die ihr anvertrauten Kinder besonders zu schützen sind, also unversehrt bleiben. Gefahren müssen vorausschauend erkannt, richtig eingeschätzt und nach zumutbarer Möglichkeit von den Kindern ferngehalten werden. Ist ein Gefahrenzustand bereits eingetreten, hat die Lehrperson alles ihr Zumutbare zu tun, damit sich die Gefahr nicht verwirklicht (zum Beispiel umkehren anstelle des Betretens eines stark abschüssigen, gefährlichen Schneefeldes). Ebenso sind Dritte vor Schadenszufügung durch Schülerinnen und Schüler zu schützen.
Als Teilgehalt der beruflichen Sorgfaltspflichten hat die Lehrperson die Kinder nach Massgabe der konkreten Verhältnisse im Einzelfall zu beaufsichtigen. Ist ein Kind im Rahmen eines Schulanlasses schwer verunfallt oder gar tödlich verletzt worden, werden mitunter die subjektiven Voraussetzungen des Kindes überprüft. In nicht abschliessender Aufzählung gehören dazu: Alter, Bildungs- und Entwicklungsstand, sprachliche und soziale Kompetenzen, intellektuelle Fähigkeiten, besonderes bekanntes Verhalten, besondere körperliche Voraussetzungen.
Das subjektive Handeln oder Unterlassen der Lehrperson wird seitens der Gerichte insoweit objektiviert, als die Frage gestellt wird, wie sich eine gewissenhafte, besonnene Lehrperson mit derselben Ausbildung und denselben individuellen Fähigkeiten in der fraglichen Situation verhalten hätte.
Das Mass der wahrzunehmenden Sorgfalt richtet sich nach Gesetzen, Verordnungen, Reglementen, Weisungen und Empfehlungen. Kumulativ dazu wird geprüft, ob zwischen der Sorgfaltspflichtverletzung – sollte überhaupt eine solche vorliegen – und dem eingetretenen Erfolg ein sogenannter adäquater Kausalzusammenhang besteht. Bei Bejahung desselben muss nach allgemeiner Lebenserfahrung und nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge das fragliche Verhalten an sich dazu geeignet sein, den Erfolg der eingetretenen Art herbeizuführen. Der Kausalverlauf hätte somit – zumindest grob – vorausgesehen werden können und müssen.
Eine Verletzung von Sorgfaltspflichten kann straf- und/oder haftpflichtrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen sowie administrativ- beziehungsweise anstellungsrechtliche Massnahmen zur Folge haben.
Wie nehmen die Schule, die Lehrpersonen ihre Pflichten – in nicht abschliessender Aufzählung – mit dem notwendigen Mass an Sorgfalt wahr?
- Bekleidung und Ausrüstung auf Funktionalität und Sicherheit überprüfen (zum Beispiel korrektes Einstellen der Skibindung auf das Kind durch dafür ausgebildete Fachperson ausführen lassen).
- Eine bundesgesetzliche Helmtragepflicht besteht weder für das Schlitteln noch für das Ski- oder Snowboardfahren. Dennoch ist dringend anzuraten, dass Schülerinnen und Schülern einen solchen tragen.
- Die Regeln, insbesondere FIS- und SKUS-Verhaltensregeln, sind vorgängig zu vermitteln und vor Ort mit klaren Anweisungen durchzusetzen.
- Schülerinnen und Schüler sowie Lehr- und Begleitpersonen sind mit einem Notfallzettel auszustatten.
- Begleitpersonen sind sorgfältig auszuwählen und zu instruieren.
- Schülerinnen und Schüler fahren nicht unbegleitet und nur auf geöffneten Pisten und Abfahrtsrouten (auch nicht wenige Meter abseits der Piste).
INFOBOXWeitere Informationen finden sich auf der Website der Beratungsstelle für Unfallverhütung – bfu:
Skifahren und Snowboarden – Tipps für mehr Sicherheit
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Schlitteln ohne Unfall – Sicher ins Tal statt ins Spital
Schlitteln – Sicher in Fahrt
Zum Autor
Thomas Bucher ist Dozent der Abteilung Bildung und Erziehung (Schule und Gesellschaft) an der PH Zürich. Seine Arbeitsschwerpunkte liegen in den Bereichen Schulrecht, allgemeines Verwaltungsrecht, Personalrecht und Schweizerisches Arbeitsrecht.
Redaktion: Melina Maerten
Titelbild: pixabay.com