«Thinking out of the box» ist einer der Metaphern, welche man in der modernen Führungsliteratur immer wieder findet. Eine der dahinterstehenden Fragen ist, wie es gelingen kann, mit einer anderen Perspektive auf die eigene Schule zu schauen. Dies mit dem Ziel, Dinge neu zu sehen. Aber auch zu erkennen, welche Elemente einem warum wichtig sind und was man anders, sinnvoller machen könnte.
Führungspersonen haben meist eine hohe Identifikation zu ihrer eigenen Schule und diese verhindert manchmal, dass man einen Schritt zurücktritt und wohlwollend kritisch die eigene Schule und das eigene Handeln betrachtet. Um sich und die Schule jedoch weiter zu entwickeln, braucht es immer wieder diesen Schritt zurück.
Eine gute Möglichkeit dafür, ist die Hospitation einer anderen Schule. Dadurch kann man Neues kennenlernen und gleichzeitig das Eigene im Fremden erkennen. Vor welchen Problemen steht diese Schule und wie geht sie damit um? Wie löst diese Schule Fragen, welche sich auch bei uns stellen? Was gefällt mir an dieser Schule und warum? Mit Fragen durch eine fremde Schule zu gehen, ist eine Auseinandersetzung mit seinen eigenen. Dabei ergeben sich auf einmal Fragestellungen, welchen man sich vorher noch gar nicht bewusst war.
Perspektivenwechsel durch Hospitationen
Eine interessante und produktive Art der Hospitationen ist das Projekt Zaungäste. Das Prinzip ist einfach, aber effektiv: Wenige Schulen sind in einer Gruppe verbunden und besuchen sich gemeinsam innerhalb eines Tages. Die Besuche sind so organisiert, dass jeweils einmal pro Halbjahr alle aus der Gruppe eine Schule besuchen. Im neuen Halbjahr wird die nächste Schule besucht, bis am Ende jede Schule einmal Gastgeberin war. Die besuchte Schule gibt den Zaungästen – es sind jeweils 2-3 Gäste pro Schule – einen Beobachtungsauftrag.
An meiner damaligen Schule haben wir den Gästen den Auftrag gegeben, zu schauen, wo sie unser Leitbild «lache, läbe, lerne» an der Schule überall finden, um herauszufinden, ob wir dieses im Schulalltag auch tatsächlich leben. Die Zaungäste besuchen während eines Vormittags den Unterricht, sprechen mit verschiedenen Personen und ziehen sich nach dem Mittagessen zur Beratung zurück. In dieser Beratung werden die verschiedenen Einblicke und Beobachtungen ausgetauscht und diskutiert. Am Ende des Austausches bekommt die besuchte Schule eine Rückmeldung von den Gästen. Sie erhält auch Hinweise, was den Besuchenden besonders aufgefallen ist und was sie für die eigene Schule mitnehmen.
Welche Vorteile Studienreisen haben
Noch wertvoller als Hospitationen erachte ich Studienreisen. Studienreisen haben den Vorteil, dass man längere Zeit miteinander unterwegs ist. Als Schulleiter hatte ich das Glück, dass ich mit allen Lehrerinnen und Lehrern meiner Schule während zwei Tagen die Laborschule in Bielefeld besuchen durfte. Es waren intensive Tage. Am intensivsten war jedoch die Rückfahrt mit dem ICE nach Zürich. Während sechs Stunden sassen wir uns gegenüber und diskutierten über unsere Eindrücke und Ideen. Bei der Ankunft in Zürich hatten wir unseren Entwicklungsplan.
Vor einigen Wochen hatte ich das Vergnügen, mit allen Schulleitenden der Schulen der Stadt Dietikon nach München zu reisen. Während drei Tagen haben wir unterschiedliche Schulen besucht, unsere Eindrücke gesammelt und miteinander geteilt. Schnell und auch lustvoll taucht man so in pädagogische Diskussionen. Ohne es explizit zu thematisieren, findet dadurch eine Annäherung und gleichzeitig Klärung der verschiedenen Haltungen statt.
Da man neben den Schulbesuchen und den Gesprächen auch gemeinsam Essen geht und eine gute Zeit erlebt, werden die Beziehungsarbeit und die Teamentwicklung gefördert. Ich fand es spannend, zu sehen, welche Unterschiede und Gemeinsamkeiten es zwischen den verschiedenen Schulleitungen und damit auch zwischen den verschiedenen Schulhäusern gibt. Darauf kann bei der Weiterentwicklung der gemeinsamen Schule, aber auch in den einzelnen Schulhäusern, aufgebaut werden.
Voneinander und miteinander lernen, beruht auf gemeinsamen Erfahrungen. Hospitationen und noch mehr Studienreisen bieten dazu eine gute Gelegenheit. Wichtig ist aber, die Bereitschaft sich darauf einzulassen und nicht einfach ein «Reisli» zu machen. Dazu gehört eine grosse Portion Neugierde und die Bereitschaft, sich auf Neues einzulassen. Manchmal muss einem dafür auch jemanden in den Weg stehen. Ziel ist nicht das Beurteilen, sondern ein Verstehen.
Niels Anderegg, Leiter Zentrum Management und Leadership, PH Zürich
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Anlässe zum Thema:
- PS: Wer Lust hat selbst auf eine Studienreise zu gehen: Wir bieten wie jedes Jahr eine Studienreise extra für Führungspersonen von Bildungsorganisationen an. In diesem Jahr geht es Ende Mai nach Innsbruck und wir machen uns auf die Spuren guter Schulen mit dem Schwerpunkt Diversität. Hier findet man alle Informationen dazu.
- PPS: Es muss nicht immer eine Studienreise und auch nicht das Ausland sein. Vor einiger Zeit hat Marcel Bayer die Leserinnen und Leser des Blogs an seine Schule eingeladen und eine Gruppe von Interessierten haben sich zum Schulbesuch in Volketswil eingefunden: «Visit my School». Ich würde mich freuen, wenn eine nächste Schulleitung die Lesenden des Blogs für einen nächsten Schulbesuch einlädt.
- PPPS: Und wenn jemand die Laborschule in Bielefeld besuchen möchte: Im CAS Pädagogische Schulführung werden wir ein ganzes Modul an der Laborschule absolvieren. Wir werden an der Schule gemeinsam mit den Schülerinnen und Schülern sowie Lehrerinnen und Lehrern lernen und arbeiten. Es ist ein Experiment, auf das ich mich schon heute freue. Wie ihr seht: Auch wir machen «Thinking out of the box» :-).
Lieber Niels
Inspirierende Ideen, um mal wieder über den eigenen Tellerrand zu schauen. Danke dafür!
Es gibt nichts Spannenderes als andere Schulen zu besuchen und deren Innovationen, Ideen und Umsetzung zu erforschen. So lernt man auch als Schulleiter*in.
Was auch hilft ist, so bin ich schon lange der Meinung, der Austausch mit Erwachsenen. Das kommt im Alltag viel zu kurz, leider.
Darum: tolle Idee zur Nachahmung empfohlen!