European Conference Educational Research ECER

Jeweils im September findet die Europäische Konferenz für erziehungswissenschaftliche Forschung statt. Neben vielen Teildisziplinen gibt es auch einen Themenstrang zu Educational Leadership. Kolleginnen und Kollegen teilen mit uns ihre Eindrücke vom diesjährigen ECER.

Schon fast wie bei einem Klassentreffen versammeln sich alle europäischen Forschende – und auch viele Kolleginnen und Kollegen aus Übersee – im Bereich Schulführung und stellen sich während vier Tagen ihre neusten Forschungsprojekte und -resultate vor. Dieses Jahr war die Universität Hamburg Gastgeberin der ECER.

Niels Anderegg hat Kolleginnen und Kollegen gebeten, in einem kurzen Beitrag etwas mit uns zu teilen, dass sie für sich an der ECER entdeckt haben. So erhalten wir ihre Eindrücke und einen Einblick in die verschiedenen Forschungsprojekte.

Markus Ammann, Universität Innsbruck:

Die ECER fand in diesem Jahr unter dem Motto «Education in an Era of Risk – the Role of Educational Research for the Future» statt. Zweifellos spielen besonders Schulleitungs- und Schulentwicklungsforschung bedeutende Rollen, wenn es um das Bewältigen der aktuellen und künftigen Herausforderungen geht, wie etwa die zunehmende Verschärfung der gesellschaftlichen Unterschiede oder die Digitalisierung in allen Lebensbereichen. Es sind vor allem die Schulen, in denen die verschiedensten individuellen Bedürfnisse der Kinder, Jugendlichen aber auch des pädagogischen Personals, wie zum Beispiel von Lehrerinnen und Lehrern oder Freizeitpädagoginnen und Freizeitpädagogen aufeinanderprallen.

Die Zunft ist sich dieser Herausforderungen bewusst und auf der Suche nach guten Lösungen. Diese sollen jenen, die täglich in den Schulen ihrer Arbeit nachgehen, helfen, gute Konzepte zu entwickeln, um mit den Risiken besser umgehen zu können. Die zahlreichen Vorträge zum Thema Schulführung, die ich hören konnte, zeigen deutlich, dass es mehr denn je notwendig ist, näher an die Schulen und die dort handelnden Akteure heranzutreten, um die Mikroprozesse in diesen Schulen besser zu verstehen.

Es gibt keine Rezepte oder den optimalen Stil, der von einer Schule auf eine andere übertragen werden kann. Genug wurde über Aufgaben und Rollen, die Schulleiterinnen und Schulleiter haben, geschrieben. Allerdings gibt es zu wenig Wissen darüber, was in erfolgreiche Schulen im Fluss der täglichen Arbeit geschieht, um das Lernen der Schülerinnen und Schüler zu fördern. Die Hinweise verdichten sich, dass Schulleitungen in lernwirksamen Schulen responsiv auf die verschiedenen Menschen, die ihnen täglich begegnen, reagieren. Sie nehmen die Kontexte und schulrelevanten Daten an und bringen diese in einen fruchtbaren gemeinsamen «Dialog» mit den verschiedenen schulischen Akteuren.

Dieser Dialog kann dazu beitragen, Konzepte zu entwickeln, die den Schulen helfen mit den verschiedenen Risiken und Herausforderungen umzugehen. Diese sind – eben abhängig vom Kontext – für jede Schule anders. Dazu braucht es von angehenden Lehrerinnen und Lehrern auch die entsprechenden Inhalte in Bezug auf Schulführung und Schulentwicklung in der Ausbildung. Somit können sie die Sinnhaftigkeit von Schulentwicklung und Schulführung verstehen und den Mehrwert für die eigene Arbeit und in letzter Konsequenz für die Kinder erkennen. Diese Inhalte fristen – soweit ich das überblicken kann – zumindest im deutschsprachigen Raum tendenziell noch ein «Schattendasein».

Zippora Bührer und Andrea Keck Frei, PH Zürich:

Im Symposium «Supporting Teachers Continuous Professional Development: Challenges, Opportunities And Limits Of The Use Of Online Tools» steuerten wir einen Beitrag zum Thema Online-Coaching zur Unterstützung von Lehrpersonen am Ende der Berufseinführungsphase bei. Der Beitrag zeigte Ergebnisse aus qualitativen Analysen von Interviews mit professionellen Beratenden, die ein Online-Coaching durchgeführt hatten.

Wir konnten von überwiegend positiven Rückmeldungen zur verwendeten Online-Plattform berichten. Und das Online-Coaching sei als ressourcenschonende, flexible und trotzdem gehaltvolle Alternative zu traditionellem Face-to-Face-Coaching zur Unterstützung von Lehrkräften in Herausforderungen im Schulalltag geeignet. Ein Votum aus dem Publikum betraf Personen, die aus dem Coaching ausgestiegen waren, weil sie bereits gute Unterstützung am Arbeitsplatz erhielten. Es wurde diskutiert, dass die Schulleitungen besser in solche Unterstützungsprogramme einbezogen werden müssten.

Malte Gregorzewski, Berlin:

Deutschland hat nicht nur interessante Forschung zu bieten, sondern ist auch auf praktischer Ebene mit nicht unbedeutenden Herausforderungen, speziell im Bereich Schulführung, gesegnet: Es fehlen grob geschätzt 15’000 Lehrkräfte an deutschen Schulen. Nach einer Forsa-Umfrage ist dies eines der Themen, die jede zweite Schulleitung in Deutschland umtreibt; sofern es diese denn überhaupt noch gibt.

In Deutschlands bevölkerungsreichsten Bundesland Nordrhein-Westfalen beispielsweise fehlen 1600 Schulleitungen. Bundesweit sind 1000 Grundschulleitungen unbesetzt – alles grob geschätzt. Deutschlands Weg für mehr gute Schulen findet unter diesen und anderen Bedingungen statt. Dennoch arbeiten tagtäglich zehntausende von Pädagoginnen und Pädagogen in Schulen und ausserhalb erfolgreich daran, die Kinder für ihre Zukunft stark zu machen.

Bei der ECER fiel mir besonders das gut besuchte Symposium auf. Es hat sich auf eine qualitative Art und Weise, phänomenologisch orientiert und das Schulleitungshandeln an Preisträgerschulen genähert. Das Forschungsprojekt unter Leitung von Univ.-Prof. Dr. Michael Schratz, dem Sprecher der Jury des Deutschen Schulpreises, hat vor kurzem eine erste, deutschsprachige Publikation veröffentlicht. Sie präsentiert neben einem Einblick in die Methodik auch eine Facette als Ergebnis. Auf der ECER wurden nun einige Facetten mehr vorgestellt und das Projekt als Ganzes in englischer Sprache den Interessierten, unter anderem aus Übersee (Neuseeland) und Cambridge (England), zugänglich gemacht. Als ein an dem Forschungsprojekt aktiv Beteiligter, habe ich mich über die tiefe Resonanz im Austausch sehr gefreut und auch viele gute Ideen und kluge Gedanken mitgenommen.

Die nächste ECER findet an der Universität Glasgow statt. Allenfalls sind Sie interessiert, daran teilzunehmen. Für forschungsinteressierte Führungspersonen ist die ECER sicher eine gute Möglichkeit. Und wer eine Konferenz besuchen möchte, an der die Praxis, Politik und Wissenschaft im Bereich Schulführung und Schulentwicklung interessiert ist, dem sei die ICSEI-Konferenz empfohlen.

Sie findet nächsten Januar in Marrakesch statt. Eine Delegation des Zentrum Management und Leadership wird an der Konferenz teilnehmen und wir nehmen gerne auch Gäste aus der Praxis mit. Interessenten können sich bei mir melden.

Niels Anderegg, Leiter Zentrum Management und Leadership, PH Zürich

Bild: Hamburg von pixabay.com/KarstenBergmann

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