1. Die Verantwortlichen in den Schulen sollen sich intensiver mit dem «Wandel» auseinandersetzen. Gefragt sind sinnstiftende und breitabgestützte Visionen und Kooperationen über alle Ebenen der Schule.
Konfliktauslöser in Schulen sind oft organisationale «Grammatiken», versteckte Überzeugungen und informelle Strukturen auf allen Ebenen. Sie bleiben im «Kellergemäuer» bestehen, während darüber scheinbar Neues aufgebaut wird. Entsprechend kommt es zu Irritationen. Gute Kommunikation zwischen allen Betroffenen tut Not.
Auch fehlen für eine erfolgreiche Implementation von Innovationen mancherorts sinnstiftende Visionen und ein professioneller Umgang mit einem Wandel. Viele Leitbilder sind gemeinplätzig und/oder beliebig. Schulprogramme sind teilweise banal. Schulträger reklamieren strategische Entscheidungen für sich und meinen damit einfach «Geld». Wo inhaltliche Substanz und Konsistenz über die Ebenen hinweg fehlt, stellt sich schnell mal die Machtfrage.
2. Die Schule soll sich mit der Frage der Führung professionell auseinandersetzen. Verantwortungsübernahme in Entscheidungen zeigt sich in der Reflexivität der Entscheidungsträger.
Eine oft vernachlässigte Führungsaufgabe ist der Umgang mit Emotionalitäten auf allen Ebenen. Schulen sind keine rational funktionierenden Dienstleistungsbetriebe. Aufgrund ihrer Aufgabe junge Menschen zu lehren, sie mit Zeugnissen auszustatten und zu selektionieren, sind Schulen Projektionsebene verschiedenster Anspruchsgruppen.
Entscheidungen im Schulwesen verlaufen oft entlang von organisationalen Emotionalitäten, unreflektierten Überzeugungen und Normen. Ein gemeinsamer Diskurs darüber wäre nötig, denn Entscheidungen brauchen Reflexion über Strukturen, Handeln und Emotionen.
3. Die Auseinandersetzung mit der Digitalisierung ist wichtig, aber nicht zentral.
Die Megatrends Individualisierung, Konnektivität, Wissenskultur, Globalisierung, aber auch das Thema «Vielfalt und Differenz» sind mindestens so bedeutend. Das Überwinden des Homogenitätsanspruchs ist Grundlage, um mit den zurzeit erkennbaren Megatrends umzugehen. Im Kontext dieser Themen wird der bewusste Umgang mit Verschiedenheit und Differenz für die Schulen immer wichtiger.
Zur Person:
Stephan Ulrich, M.A. Schulentwicklung IBH
- Erfahrungen als Schulentwickler, Schulleiter, Primar-, Real- & Sekundarlehrer, Coach und OE-Berater.
- Ausbildungen: M.A. Schulentwicklung IBH, Passerelle Erziehungswissenschaft UniZH, dipl. Primar- und Reallehrer, NDS Praxiscoaching&Unterrichtsexpertise.
Hier gehts zum Kommentar von Stephan Ulrich beim Beitrag «Verantwortungsvolle Schule» von Niels Anderegg, Leiter Zentrum Management und Leadership, Luzia Annen, Leiterin Zentrum Schule und Entwicklung und Rahel Tschopp, Leiterin Zentrum Medien und Informatik, PH Zürich
Bildquelle: pixabay.com, TeroVesalainen
Für Visionen braucht es ein ausreichendes Mass an Innovationskompetenz – verfügen die Verantwortlichen nicht darüber, wird es auch keine Visionen geben.
Für Kooperationen braucht es ein gut ausgeprägtes Mass an Teamkompetenz – wenn die Mitglieder des Lehrkörpers und Behörden nicht miteinander können, dürfte es an Kooperation weiterhin mangeln.
Es geht nicht darum, sich mit einer Frage professioneller auseinanderzusetzen, sondern für mehr Führungskompetenz der Verantwortlichen zu sorgen. Was mit Führungskompetenz und anderen universellen Kompetenzen gemeint ist, finden Sie hier: https://kompetenzen.li/ueber-kompetenzen/
Last but not least: Eine bessere Schule kann nur mit besseren Lehrkräften entstehen. Spreu von Weizen in der Lehrerschaft trennen, ist eine unabdingbare Voraussetzung für die Verbesserung und lässt sich nur mit einem wirksamen Rekrutierungsverfahren erreichen. Mehr dazu hier: https://leanrecruiting.ch/einsatzbereiche/lean-recruiting-fuer-anstellungsbehoerden-und-schulleiter/
Sehr geehrter Herr Anderegg
Danke für Ihre Rückmeldung. Ich möchte Ihnen ergänzend ein Erlebnis erzählen: Durch meine Tätigkeit habe ich mit der Umsetzung des Lehrplans 21 zu tun; top-down – im Auftrage des Kantons. Mein Vorgänger hat das Implementierungskonzept erarbeitet und die ersten Implementierungsschritte eingeleitet, mit seiner impliziten Vision «Dieser Lehrplan ist nicht anwendbar». Er hatte alle möglichen Technologien und die Weisungsmacht zur Verfügung – und seine Crew war überzeugt, über Innovationskompetenzen zu verfügen. Meines Erachtens hätte eine Auseinandersetzung mit den eigenen Visionen und Ängsten genügt, um im Sinne von «Leadership» zu sagen: «Ich kann das nicht, ich habe keine sinnstiftende Vision!». Nun bin ich wöchentlich mit der Frage konfrontiert: «Warum ändert es sich doch, man hat uns versprochen, dass sich nichts ändern würde». Das nenne ich mal Innovationskompetenz, den Nicht-Wandel zu implementieren, ganz im Sinne der Vision «nicht anwendbar». Gute Gedanken und beste Grüsse, Stephan Ulrich.
Ja, genau: Offen sein für Wandel, Emotionen und Vielfalt!
Professionalisierung muss auf allen Ebenen stattfinden in der Bildung. Es fängt am besten bei der Schulleitung an und setzt sich im günstigsten Fall dann fort in alle Bereiche. Die Schulleitung setzt Impulse und gestaltet das Lernleben und Arbeitsleben gleichermassen.
Das setzt Reflexion voraus und die Überprüfung der eigenen Haltung. Der Wandel zur digitalen Bildung ist dabei nur ein Baustein von vielen.
Wie so oft geht es dabei auch um Werte, die man transportiert, auch im Sinne der menschlichen Bildung.
Sehr spannendes Thema und ein toller Artikel, danke dafür.
Interessante Thesen von Stephan Ulrich und den Kommentierenden. Wäre eine Diskussion wert! Danke für die Gedankenanstösse und das Teilen dieser.