Stell dir vor, du streckst mit vier renommierten Persönlichkeiten aus Schulführung und Bildungsforschung die Köpfe zusammen und ihr diskutiert über die Herausforderungen deiner Schule in den nächsten 5 Jahren. Und stell dir vor, diese vier Experten stammen aus Australien, den USA, Schweden und Deutschland – und ihr unterhaltet euch in deutsch.
Tollkühner Gedanke? Keineswegs – aber dazu später!
Zunächst sollten wir uns fragen, worüber hier gesprochen werden soll und wozu.
Wohin entwickelt sich die Schule der Zukunft? Welches sind die echten Aufgaben, Herausforderungen und Schwerpunkte für die Schulführung? Verbergen sich hinter den Riesenwellen «Digitalisierung», «Inklusion« und «Wellbeing» noch weitere Megatrends? Und warum ist es für unser Schulleitungshandeln von Bedeutung sich mit solchen Fragen zu beschäftigen?
Als ich mit meinem Team vor über 10 Jahren erstmals ein Schulprogramm erarbeitete, liessen wir uns von einem transkribierten Referat des schweizer Philosophen Hans Saner aus dem Jahr 1998 inspirieren. Multikulturalität , Ökologie, Informatik, Individualisierung und Partizipation waren die zentralen Anliegen seiner Prophezeiung mit dem Titel «Perspektiven einer Schule der Zukunft». Was wir damals nicht erahnen konnten: Saners Voraussagen bewahrheiten sich in vielen Punkten. Und nicht nur dies! Seine Weissagungen trafen wesentlich früher ein, als er sich das vorgestellt hatte.
Das Entscheidende jedoch war, dass seine Gedanken unseren Geist und den gemeinsamen Diskurs über die Weiterentwicklung unserer Schule anregten. Die Auseinandersetzung mit seinem Text führte mit dazu, dass der Unterricht an unserer Schule heute noch individualisierter gestaltet wird. Doch in erster Linie brachte er uns zur Überzeugung, den achtsamen Umgang mit sich selbst, seinen Mitmenschen und der Umwelt in den Mittelpunkt zu stellen.
Obschon die Sicherungs- und Entwicklungsziele der Schulprogrammarbeit längst erreicht wurden, die Vision des achtsamen Umgangs ist bis heute gegenwärtig. Für mich ist dies ein Hinweis darauf, wie prägend und nachhaltig das gemeinsame Suchen und Finden von Haltungen sein kann. Welches Lern-, Lehr- und Arbeitsverständnis haben wir heute verinnerlicht? Und wohingehend sollten wir uns Lern-, Lehr- und Arbeitsverständnis weiterentwickeln um die Schule von morgen zu gestalten? Wie wird Führung in der Schule von morgen gestaltet sein?
Als Moderator der internationalen Round-Table-Diskussion am Onlinekongress für Schulleitungen steht mir eine spannende Aufgabe bevor. Mit Frau Dr. Alexandra Mandel, Schulleiterin einer Brennpunktschule in Sydney, Herrn Prof. Mats Ekholm, emeritierter Professor für Bildung, Schulentwicklung und Sozialisation aus dem schwedischen Karlstad, Herrn Fugmann, Schulleiter eines evangelischen Gymnasiums, ehemaliger Schulleiter der Auslandschule im Silicon Valley und Mitentwickler der Lernplattform Nerdl und Prof. Dr. Dennis Shirley aus Boston stehen mir vier erfahrene und spannende Expertinnen und Experten der Bildungsforschung und der Schulführung gegenüber.
Mit ihnen werden wir die gewichtigen Führungsthemen der Zukunft aufgreifen. Wir wollen ihre unterschiedlichen Erfahrungen und Sichtweisen nutzen, um führungsrelevante Themen im internationalen Kontext zu beleuchten und Schulentwicklung über den eigenen Horizont hinaus weiterzudenken.
Genauso, wie Hans Saner mein Team und mich damals für die Schulprogrammarbeit nachhaltig geprägt hat, soll die internationale Round-Table-Diskussion uns Schulleitungen für die Themen von morgen inspirieren. Was interessiert euch? Ich freue mich auf eure Anregungen! Am besten als Kommentar zu diesem Beitrag.
Jörg Berger, Schulleiter Schule Knonau, Blog-Verantwortlicher und Moderator der internationalen Round-Table-Diskussion, PH Zürich
Mehr über den Onlinekongress für Schulleitungen erfahren – hier gibt es alle Informationen.
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Danke für die Einladung!
Für mich ist Kooperation der Elefant im Raum. Wir machen alles richtig und so viel geht schief. Das wird oft entweder gar nicht wahrgenommen, geleugnet oder es wird ein anderer beschuldigt. Nicht selten gehen wir mit den besten Absichten aufeinander los. Dann halten wir uns gegenseitig für inkompetent, unfähig oder Schlimmeres. Es wimmelt von Spezialisten, die hoch professionalisiert eine perfekte Performance hinlegen können, aber nicht verstehen, dass ein anderer Mensch eine andere Sicht hat. Irgendwie sind wir zu wenig in der Lage zu erkennen, dass gerade diese andere Sicht das Bild vervollständigen würde und unserem Handeln einen grösseren Horizont verschaffen würde.
Ich würde den Elefanten in “Kollaboration” umbenennen: “Die von zwei oder mehreren Personen an gemeinsamen Zielen
ausgerichtete, direkte und sich wechselseitig beeinflussende tätige Auseinandersetzung zur Lösung oder Bewältigung einer Aufgabe oder Problemstellung.” Gute Kollaboration hat viel mit einem guten Selbstwert, Achtung vor den anderen und einer gewissen Bescheidenheit zu tun (Humility). Das kann gemeinsam eingeübt werden. Es gibt dazu aktuell viele spanende Ansätze.
Ich würde mich freuen über eine Diskussion zur Frage, ob es Schulleitungen in Zukunft überhaupt noch braucht und wenn ja, was genau ihre Aufgabe wäre. All die administrativen und kontrollierend/bewertenden Pflichten, welche wir heute erfüllen müssen, das kann’s ja wohl nicht sein.
Damit ist natürlich auch die Frage verknüpft, wie Schulen in Zukunft organisiert sein müssten.
Ich finde den Ansatz der Diskussion extrem spannend. Sich mit Veränderungen im Bildungskontext auseinanderzusen und wie wir damit umgehen wollen, wir wir es schaffen, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beim Prozess der Veränderung aktiv und konstruktiv eingebunden zu bekommen, ist eine wichtige Aufgabe. Mich interessiert vor allem die Frage, ob das aus den Schulen allein heraus überhaupt stemmbar ist oder ob es nicht von Seiten der Bildungsministerien mehr Anschub und Unterstützung braucht, um ausreichend Zeit dafür zu bekommen, das nötige Vertrauen aufzubauen? Ich treffe häufig auf Schulleitungen, die so gerne würden. Richtig, Achtsamkeit fängt bei einem selbst an. Wenn alle Energie in Organisationsaufgaben fließt und keine Zeit für Schulentwicklung bleibt, entsteht Frustration. Wie also lässt sich das durchbrechen?
Liebe Frau Wolf, liebe Frau Benz, lieber Herr Stoller-Schai und lieber Eckart!
Vielen Dank für Ihre Anregungen und Fragen. Wir werden diese an unserer Roundtable-Diskussion dabei haben. Alexandra Mandel, Dennis Shirley, Martin Fugmann und Mats Ekholm freuen sich – und ich mich erst. Schön, wenn auch Sie mit dabei sind!
Ich schliesse mich dem Elefanten “Kollaboration” an. Die Ausführung dazu von Daniel Stoller-Schlai sind sehr treffend.
Folgend meine weiterführenden Gedanken und Fragen zu den Herausforderungen in den nächsten 5 Jahren.
Erstmals in der Geschichte der Menschheit haben wir eine planetare Verantwortung zu tragen. Hinzu kommt das enorme Tempo, in welcher die Digitalisierung fortschreitet. Diese Tatsachen stellen Gewohntes in Frage und rufen nach einer Neuorientierung in der Bildung.
– Welche Tugenden sind zu fördern, damit künftige Generationen gegenüber sich selbst, den Mitmenschen, Tieren und der Natur Verantwortung übernehmen?
– Welches planetare Wissen brauchen junge Menschen um ökonomische, ökologische und sozio-kulturelle Zusammenhänge zu erfassen und verantwortungsvoll zu handeln?
– Wie sieht Bildung aus, wenn junge Menschen ihre Zukunft mitgestalten und nicht bloss Zuschauer sind?
– Welche grundlegenden Kompetenzen brauchen junge Menschen und wie kann darauf aufbauend ihr individuelles Potenzial gefördert werden?
– Wie entlasten und unterstützen Schulleitende ihre Lehrpersonen, damit ein Lehren und Lernen in Würde geling?
– Was gilt es mit der zunehmenden Digitalisierung und der AI (künstliche Intelligenz) in der Bildung zu bewahren, damit unsere Würde und das was uns als Menschen ausmacht nicht verloren gehen?