Erschöpft und erfüllt von den vielen Eindrücken der intensiven Spurensuche in Münchens Lernhausschulen, sitzen wir im Bus des SEV (Schienenersatzverkehr). Ein Bus bringt uns nach Lindau, weil der Zug ab München nach intensivem Dauerregen wegen Hochwasserschäden ausfällt. Wir haben also genügend Zeit, um Rückschau zu halten und in einem kooperativen Setting über unsere Einsichten zu berichten.
Aus der Sicht von uns beiden Schulleiterinnen aus dem Kanton Zürich sind in den Münchner Lernhäusern trotz mächtig bescheidenen personellen Zeitressourcen geniale Lernkonzepte entstanden.
Aus der Erkenntnis heraus, dass Schulentwicklung auch über die Architektur von Schulraum erfolgen kann, sind in München dank des visionären Stadtrates Rainer Schweppe städtische Raumstandards für Schulen entstanden. Diese neuen Schulhausbauten werden Lernhäuser genannt.
In ehemaligen Flurschulen, die zu Lernhäusern umgebaut wurden oder einem kongenialen Neuhausbau dürfen wir verschiedene Ausprägungen von pädagogischen Konzepten erleben, denen wie bei uns ein kompetenzorientierter Lehrplan zu Grunde liegt.
Stichworte dazu sind Logbuch und Lernentwicklungsgespräche, Lernbüro, Marktplatz, Ich-kann-Pläne, Projektunterricht, Lerntandems und Lehrer- und Leitungsteams, die für ein Lernhaus Verantwortung übernehmen und so zu verlässlichen Lernbegleitern für die Schüler für den gesamten Verbleib in der Grund- oder Realschule werden. Das daraus resultierende positive Schulklima ist spürbar. Eine hohe Bereitschaft für ein gutes Leistungsniveau wird uns präsentiert.
Wir fragen uns schon, weshalb wohl bei uns im Kanton Zürich zum Stichwort «Anstehende Schulhausbauten» das Lernhauskonzept noch gänzlich unbekannt ist.
Wir sind beeindruckt von der Sprachfertigkeit unserer Schülerguides, welche uns voller Stolz durch ihre Schulen führen. Sowohl die ausdrucksstarken Mädels der Mädchenrealschule als auch der 3.-Klass-Junge, der uns konsequent im bayrischen Dialekt die Geheimnisse seiner Schule anvertraut hat, rühren unsere Herzen. Nur schon dafür hat sich unsere Reise gelohnt.
Später dann provoziert Professorin Uta Hauck-Thum (Grundschulpädagogik, Uni München) mit kantigen Aussagen zum Thema Digitalität/Lebenswelt der Kinder versus buchkulturelle Prägung der Lehrpersonen/Gesellschaft. Wir sind einig mit ihr, dass das Thema viel Entwicklungspotential hat. Ihrer pessimistischen Einschätzung der Lage mögen wir uns aber nicht anschliessen.
Das effiziente und motivierende Leseförderungsprojekt FiLBY wird uns von Zweitklässlern vorgestellt. Wir sind beeindruckt von unerwartet hohen Lesekompetenzen der Kinder und dem herzhaften Lesetraining in der Schulgemeinschaft und in Lesetandems.
Nebst vielen neuen Einsichten nehmen wir auch die irritierenden Momente vor abgeschlossenen Schulhaustoiletten mit uns in die Schweiz. In München müssen nämlich aus Sicherheitsgründen entweder die Schulen oder die WCs geschlossen sein. Wir sind froh, dass unsere Kantonsregierung uns diesbezüglich keine Vorschriften macht.
Zum Schluss möchten wir dir, Heike (Dozentin Zentrum Management und Leadership, PH Zürich), für deine tolle Reiseorganisation danken und der Studiengruppe für die anregenden Diskussionen und gemütlichen Stunden, die aus wettertechnischen Gründen nie im Biergarten stattfinden konnten.
Erna Hächler, Irene Pozzy, Schulleiterinnen der Schulen Zell
Vielen lieben Dank für diesen interessanten Bericht. Es wärmt mir das Herz einen Bericht über gelungene Schule zu lesen! Bäm! Es geht! Mehr davon.
Ich bin nicht pessimistisch, nur ein wenig unentschlossen in meiner Einschätzung, ob eine neue Lernkultur wirklich flächendeckend Beachtung finden wird…
Diese Unentschlossenheit kann ich sehr gut verstehen. Es ist toll, dass es viele gute Schulen gibt (so wie wir sie in München erlebt haben und es auch in der Schweiz viele hat). Ich hoffe, der Bericht und die Reise hat viele inspiriert ihren Weg weiterzugehen. Gleichzeitig frage ich mich auch immer wieder, wie es uns gelingen kann, dass möglichst viele Schulen sich auf diesen Weg machen. Aus der Forschung wissen wir, dass die Qualität von Schulen sehr unterschiedlich sind. Eigentlich haben alle Schüler*innen das Recht auf eine gute Schule.