Letzte Woche fand das zweite internationale Modul des CAS Pädagogische Schulführung in Amsterdam statt. Das Thema des Moduls war «verantwortungsvolle Schule». Es drehte sich alles um die Frage, wie Führungspersonen von Bildungsorganisationen ihre Schule so gestalten und weiterentwickeln können, dass sie den spezifischen Bildungsbedürfnissen der Schülerinnen und Schüler ihres Quartiers oder Dorfes möglichst gerecht werden.
Am Ende des Moduls vom CAS Pädagogische Schulführung – nachdem sich die Teilnehmenden während zwei Tagen theoretisch mit dem Thema auseinandergesetzt und eine Schule besucht haben – hatten sie die Aufgabe, eine Schule neu zu gründen.
Der Standort der neuen Schule war ein altes Industriegebiet, in welchem es billige Wohnungen hat und vorwiegend Menschen leben, welche ein tiefes Einkommen haben. Es zeichnete sich jedoch ab, dass dem Quartier einen Wandel bevorsteht und bald zu einem hippen Viertel mit einer aktiven Kreativszene und teuren Lofts wird.
In gemischten Gruppen mit Personen aus Estland, Holland, Liechtenstein und der Schweiz wurde intensiv diskutiert und auf den einzelnen Flipcharts entstanden Ideen einer neuen Schule. Dabei ging es um Fragen der Werte, der Visionen, der Führungs- und Schulstrukturen, aber auch um Fragen des Unterrichtsinhaltes und der Unterrichtsgestaltung. Entstanden sind interessante und kreative Ideen.
Ich möchte gerne drei Ideen aus den Präsentationen der Gruppen aufnehmen und zur Diskussion stellen:
1 Eine Idee, welche mehrmals genannt wurde, war die Einrichtung eines gemischt zusammengesetzten Beirats. Ziel des Beirats ist es, die Bedürfnisse und Wünsche, aber auch das Wissen und Können, der verschiedenen Anspruchsgruppen zu kennen und zu nutzen. Im Beirat sollen Eltern, Schülerinnen und Schüler, Gewerbetreibende, zukünftige Lehrmeisterinnen und Lehrmeister, aber auch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sowie Personen aus der Politik und Verwaltung vertreten sein.
Aufgabe des Beirats ist es, immer wieder zu diskutieren, welche Bedürfnisse die heutigen Schülerinnen und Schüler des Quartiers haben sowie ob und wie die Schule diesen Bedürfnissen gerecht werden kann. Ein gerade auch für die Schweiz interessanter Vorschlag, der sich wahrscheinlich relativ schnell umsetzen lassen würde. Wer hat den Mut, dies auszuprobieren?
2 Eine zweite Idee, welche mich faszinierte – und schon länger beschäftigt – betrifft die Zusammensetzung der Mitarbeitenden der Schule. Wenn die Schülerschaft heterogen ist, dann muss es auch die Lehrerschaft sein.
Die Gruppe hatte die Idee, bei der Auswahl der Lehrpersonen darauf zu achten, dass diese aus verschiedenen Regionen der Welt kommt, dass sie verschiedenen Religionen angehört und dass es auch Personen mit einer Behinderung hat. Die Frage ist nicht, ob eine Lehrerin mit einem Kopftuch angestellt werden kann, sondern wie wir eine Lehrerin mit Kopftuch, welche an unserer Schule arbeiten will, finden! Ich hoffe, dass ich bald entsprechende Stelleninserate lesen werde.
3 Eine dritte Idee drehte sich um die Gestaltung der Gebäude. Schulhäuser sollen zu offenen Lern- und Lebenswelten werden. Dabei geht es um die Gestaltung der Schulräume, welche sehr viel offener und flexibler genutzt werden können. Es braucht verschiedene unterschiedlich gestaltete Orte, wo Lernen und Sozialleben gelebt werden kann. Und die Räume müssen immer für alle auch offen sein.
Ein Schulhaus soll fliessend zum Quartierzentrum werden, in dem Musikbands üben, wo Freizeitkurse angeboten und Werkstätten genutzt werden können. Eltern treffen sich auf einen Kaffee oder ein Bier und die Kinder spielen auf dem Pausenplatz oder im Kindergarten. Die Schule und ihr Gebäude würde so zu Mittelpunkt des sich wandelnden Quartiers werden und könnte ihre Verantwortung an der Entwicklung des Quartiers mittragen. Lernen ist mehr als 45 Minuten-Lektionen, meinte eine Teilnehmerin. Packen wir es an!
Niels Anderegg, Leiter Zentrum Management und Leadership, PH Zürich
Sehr spannender Artikel! Vielen Dank!
Diversität ist ein noch wenig genutzter Schatz in der Schullandschaft. Suche Lehrerin mit Kopftuch oder auch suche Lehrer mit gebrochener Schulkarriere oder eigener Sonderschulungserfahrung. Wie wäre das?
Ich kann mich dem Feedback von Herrn Störmer nur anschliessen.
Führen heisst u.a:
> Hinschauen, vorausschauen, entscheiden, planen, kommunizieren und kontrollieren.
> Einen klaren Rahmen abstecken, in welchem sich die Mitarbeitenden frei bewegen können.
> Den professionellen Wissensvorsprung und die Kompetenz anderer erkennen, akzeptieren und nutzen.
> Eigenes Wissen und eigene Stärken einbringen.
> Ziele vermitteln, an denen sich alle Beteiligten gemeinsam orientieren.
> Überprüfen, ob die Ziele erreicht werden.
Das Feedback von Herrn Störmer ist spannend.
Da schliesse ich mich gerne an.
„Den professionellen Wissensvorsprung und die Kompetenz anderer erkennen, akzeptieren und nutzen“ heisst auch, für Diversität im Team zu schauen. Welches Wissen und welche Kompetenzen brauchen wir? Wer bringt was mit? Und was fehlt uns noch? Vielleicht ist es eine Lehrerin mit Kopftuch, welche einen Aspekt an Wissen und Kompetenz abdeckt, der an der Schule noch fehlt.
Danke für das Feedback!
Ich finde das ein sehr spannendes Thema, das auch mit Scham zu tun hat. Der langjährige Leiter der Stiftung Dapples hat erst gegen Ende seiner Tätigkeit in einem sehr interessanten und auch bedrückenden Buch (https://www.orellfuessli.ch/shop/home/artikeldetails/ID50703311.html) offenbart, dass er selbst ein Heimkind gewesen ist.
Das Buch verdeutlicht auch sehr anschaulich die traurige Geschichte unseren Umgangs mit Diversität.
Ich finde die Begriffe ‚Diversität‘ oder auch ‚Biodiversität‘ sehr spannend im Kontext. Vor mehreren Jahren habe ich an der PHSG diese Begriffe im Kontext ‚Teamentwicklung‘,’Teamvielfalt‘ genommen und es entstanden sehr spannende Bilder und Kommunikationen, welche im entsprechenden Team sehr nachhaltig waren. Ebenso waren sie gut verständlich, oft über einen langen Zeitraum (beispielsweise: Wer sieht sich in einem ‚Riff‘ in welcher Position oder welche ‚Art‘ bin ich und was kann ich u.a.?
Biodiversität umfasst biologische Vielfalt auf unterschiedlichen Organisationsstufen: 1) genetische Variabilität innerhalb einer Art, 2) Mannigfaltigkeit der Arten (Artenvielfalt) und 3) Vielfalt von Ökosystemen. Sie wird definiert als „die Variabilität unter lebenden Organismen jeglicher Herkunft, darunter unter anderem Land-, Meeres- und sonstige aquatische Ökosysteme, und die ökologischen Komplexe, zu denen sie gehören; dies umfasst die Vielfalt innerhalb der Arten und die Vielfalt der Ökosysteme. Ausgeprägte Phil II Lehrpersonen (Phil I sowieso..(:) waren begeistert. (: