„Canary Children“ sind Kinder, die durch ihre Unruhe und in unserem Unterricht auffallen. Wir alle kennen sie. In jedem Klassenzimmer gibt es mindestens ein Kind, das unruhig und laut ist, sich nicht gut konzentrieren kann und die Ziele nicht erreicht. Wir sind gewohnt, das Problem im Kind zu sehen. Bestimmt leidet es an ADHS, einer Form von Autismus oder einer anderen Störung.
Carla Shalaby nennt diese Kinder „Canary Children“ in Anlehnung an die Kanarienvögel, die von Bergleuten als Warnsystem genutzt wurden. Da die Kanarienvögel schneller als wir Menschen auf einen zu hohen Anteil Kohlenmonoxid in der Luft reagieren, eignen sie sich, die Bergleute vor dem drohenden Ersticken zu schützen. Sie werden unruhig, hüpfen in ihrem Käfig von einer Stange zur anderen und versuchen zu fliehen.
Vielleicht sind die „Canary Children“ in unseren Klassenzimmern ja ein Geschenk an uns und ihre Unruhe soll uns zeigen, dass unsere Art zu lehren und zu beurteilen für manche Kinder keinen Sinn macht.
Das Bild vom Kanarienvogel im Bergwerk habe ich im Buch „Nuance“ von Michael Fullan gefunden. Einem ausgesprochen lesenswerten Buch, das uns Schulleitern nahelegt, unter die Oberfläche zu gehen und ein tieferes Verständnis zu suchen; zu erkennen, dass jede Situation anders ist und in einem speziellen Kontext steht.
In der Arbeit mit auffälligen Schülern im sozial-emotionalen Bereich kann man immer wieder feststellen, dass schwieriges Verhalten aus Sicht der Kinder vollkommen sinnvoll ist. Nicht selten kann man sogar sagen, dass es für sie die Rettung war, da sie sonst untergegangen wären. Es ist eine Antwort auf bedrohliche Umstände im Umfeld, in der Familie oder in der Klasse.
Deshalb lohnt es sich, die „Canary Children“ besser zu verstehen, sie als Seismographen aufzufassen und sich zu fragen, worauf ihr Verhalten eine Antwort ist und wie wir damit umgehen können.
Eckart Störmer, Schulleiter Tagesschule Oberglatt
Das Buch zum Thema: Michael Fullan. Nuance. Why some Leaders succeed and others fail. 2019