Die Kunst der Fehlermeldung: eine vernachlässigte Textsorte

Das Verfassen von aussagekräftigen und nachvollziehbaren Fehlermeldungen ist eine Kunst. Wer im ICT-Support arbeitet, kann ein Lied davon singen. Selbst Lehrpersonen bekunden grosse Mühe damit, sich in den Leser (hier den ICT-Support) zu versetzen und eine Situation so zu beschreiben, dass der Fehler identifiziert und das Problem behoben werden kann.

Fehlermeldungen gehören einer Textsorte an, die irgendwo zwischen Bildbeschreibung und Erfahrungsbericht zu verorten ist. Gut formulierte Fehlermeldungen ersparen Rückfragen und ermöglichen einen effizienten Unterhat der ICT-Infrastruktur, was nicht zuletzt Neven und Kosten spart.

Der Spannungsbogen einer Fehlermeldung beginnt mit der Beschreibung des Settings: An welchem Gerät, Computer bzw. Tablet ist ein Fehler aufgetreten? Mit welchem Betriebssystem und welcher Anwendungssoftware ist dieses Gerät ausgestattet? Wo ist das Gerät mit allen dazugehörigen Kabeln und Zusatzgeräten zu finden?
Anschliessend folgt die Klärung der Hoffnungen und Wünsche: Was wurde konkret erwartet?
Der Höhepunkt jeder Fehlermeldung besteht in der unerwarteten Wende: Inwiefern wurde die Erwartung enttäuscht? Was genau funktionierte nicht? Wie wurde festgestellt, dass etwas nicht funktioniert – und nicht einfach die Erwartungen unrealistisch waren? Welche Fehlermeldung ist erschienen? Und hier kommen die Lesekompetenzen ins Spiel: Ja, die ganze Fehlermeldung muss gelesen werden. Nein, es reicht nicht, einfach nur den Knopf «OK» zu drücken.
Und zum Ausklang der Fehlermeldung: Was wurde bis jetzt unternommen? Konnte der Fehler reproduziert werden an einem anderen Gerät oder mit einem anderen Login?

Eigentlich müsste das Verfassen von treffenden Fehlermeldungen an den ICT-Support geschult werden und zwar gleichermassen für Lehrpersonen, Schülerinnen und Schüler. Mehrere Kompetenzen werden beim Verfassen von Fehlermeldungen trainiert:

– Sich in die Rolle des Lesers oder der Leserin versetzen.

– Genau beobachten und in eigenen Worten beschreiben.

– Problemlösestrategien anwenden und allenfalls weiterentwickeln.

– Lesekompetenzen vertiefen.

Gutgemeinte Anleitungen und Vorlagen in Tabellenform, die das Verfassen von Fehlermeldungen erleichtern sollen, finden ihren Weg erstaunlich schnell ins Altpapier-Körbchen. Wenn die Einsicht fehlt, dass technische Probleme nicht behoben werden können, wenn der ICT-Support das Problem nicht nachvollziehen und reproduzieren kann, hilft alles nichts.

Das einzige, was immer wirkt: den Spiess umdrehen. Im vollbesetzten Lehrerzimmer laut und anklagend ausrufen: «Die Kaffeemaschine funktioniert nicht.» Und zwar so lange und penetrant, bis entnervte Gegenfragen kommen: «Was hast du denn gemacht?», «Bei welcher Maschine hast du es probiert?», «Ist die Maschine eingeschaltet?», «Hast du eine Kaffeekapsel eingelegt?», «Ist Wasser im Behälter?» Spätestens jetzt wird hoffentlich der Sinn gut formulierter Fehlermeldungen klar.

Dr. Bettina Waldvogel (Dipl. Informatik-Ing. ETH) arbeitet als PH-Dozentin, Lehrerin und im IT-Support einer Primarschule

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