Im Rahmen des Forschungsprojektes ‘Von den Besten lernen – Schulleitungshandeln an den Siegerschulen des Deutschen Schulpreises’ reist Niels Anderegg für drei Tage an eine Siegerschule des Deutschen Schulpreises nach Ostdeutschland. Jeden Tag berichtet er im Blog Schulführung.
Am dritten Tag führe ich vor allem Gespräche. Während den zwei Tagen in denen ich an der Schule bereits präsent bin und mit vielen Personen kleine Gespräche geführt habe, ist eine Bezeihung entstanden, welche bereits ein gewisses Vertrauen beinhaltet. So habe ich heute sowohl mit einer Gruppe Lehrpersonen und später auch noch mit einer Gruppe Schüler/innen ein Interview geführt. Die Kunst der Interviewführung besteht darin, die Fragen, welche wir an allen Schule standardmässig stellen, in den Gesprächsverlauf einzubauen, konzentriert hinzuhören und Themen aufzunehmen. Gleichzeitig ist es wichtig, den Gesprächsverlauf möglichst wenig zu leiten, da sonst die Gefahr besteht, dass die Teilnehmenden so antwortet, wie ich frage und nicht wie sie denken. Eine besondere Herausforderung beim heutigen Interview war es, die Schüler/innen zum Erzählen zu bringen. Vier der sechs teilnehmenden Schüler/innen haben nur wenig gesprochen. Durch Anlächeln, Ansprechen, Ermutigen oder Anpassen der Fragen versuchte ich, alle miteinander ins Gespräch zu bringen.
Die Interviews sind immer sehr spannend, da sie Themen nochmals auf eine andere Art auf den Punkt bringen. So meint eine Lehrperson im Interview, dass sie den Job des Schulleiters nicht möchte. Als Begründung gibt sie an, dass sie auch noch ein Privatleben haben möchte. Oder eine Schülerin, welche lange nichts gesagt hat, erzählt auf einmal von einem Konflikt, den sie in der Klasse mit einer Lehrperson hatten. Sie hätten sich entschieden damit zum Schulleiter zu gehen und dieser hat sich der Sache angenommen. Er reagiert noch am gleichen Tag, vermittelte und es konnte eine gute Lösung gefunden werden. Ein Schüler reagiert auf die Geschichte mit der Bemerkung: «Das ist das tolle an unserem Schulleiter. Wenn man ein Problem hat, dann reagiert er sofort und schiebt es nicht auf die lange Bank». Eine Qualität, welche auch von den Lehrpersonen im Interview so genannt wurde. «Ich sehe den Schulleiter nicht sehr oft. Aber wenn ich ihn brauche, dann ist er sofort da und handelt. Man kann ihn jederzeit aufs Handy anrufen. Das Handy ist sein zweites Zuhause.»
Die Unterschiedlichkeit und gleichzeitige Gleichheit zwischen den Schulleitenden ist etwas das mich während den vielen Feldphasen an den Siegerschulen des Deutschen Schulpreises am meisten aufgefallen ist. Jede Schulleiterin und jeder Schulleiter tut es auf seine Art, hat seine Ecken und Kanten und doch tun sie im Grunde genommen Ähnliches. Dieses Ähnliche wollen wir finden. Mit den Feldphasen ist das Forschungsprojekt noch lange nicht abgeschlossen. Eine Studentische Mitarbeiterin transkribiert die über 100 von uns geführten Interviews. Diese werden wir danach codieren und in Kategorien zusammensetzen, so dass wir am Schluss aus den Dokumenten der Schule, den Beobachtungen und den Interviews Merkmale für das Schulleitungshandeln von pädagogisch erfolgreiche Schulen erhalten. Wir sind schon jetzt gespannt, was wir finden werden. Ich werde sicher immer wieder davon hier im Blog erzählen und präsentieren.
Drei intensive Forschungstage liegen hinter mir und ich laufe müde und beschenkt mit meinem Koffer zum Bahnhof. Irgendwo zwischen Schule und Bahnhof entdecke ich an einem DDR-Plattenbau das folgende Grafiti (siehe Foto): «Ich liebe dich – NIEMAND». Ein poetisches und nachdenkliches Grafiti zugleich. Gerade darum bin ich als Schulleitungsforscher unterwegs. Natürlich will ich verstehen, was die Schulleitungen an diesen pädagogisch hervorragenden Schule machen um diese hohe Qualität zu erhalten. Aber eigentlich treibt mich der Wunsch, dass möglichst alle Kinder solche Schulen besuchen können.