Wasser und andere Wellen

von Madleina Candrian

(c) Madleina Candrian

Meine Muskeln sind angespannt, ich nehme dumpfes Stimmengewirr wahr und merke, wie mein Puls sich beschleunigt und das Adrenalin durch meinen Körper schiesst. Ein Pfiff und schon bin ich in der Luft. Es fühlt sich an, als ob ich meterweit fliegen würde. Aber da tauche ich ins Wasser ein. Bei jedem Armzug, jedem Beinschlag spüre ich die kleinen Wasserwirbel, die meinen Körper sanft in Empfang nehmen. Um mich herum ist es ganz still. Nur wenn ich meinen Kopf hebe, um Luft zu holen, nehme ich wieder die anspornenden Rufe der Zuschauenden wahr. Gleichzeitig lassen mich die Wellen, die von meinen Mitstreiterinnen und mir erzeugt werden, fühlen, als schwämme ich im Meer. Wieder eingetaucht und ganz umgeben vom Wasser, denke ich an nichts. Es gibt nur uns zwei; mich und das Wasser. Meine Gegnerin auf der Nebenbahn lasse ich unbeachtet. Mit einer Leichtigkeit gleite ich weiter. Dann kommt die Wand. Ich mache den letzten Armzug und rolle mich für die Wende zusammen. Kräftig stosse ich mich mit den Beinen an der Wand ab und kehre mit einer eleganten Delfinbewegung an die Wasseroberfläche zurück. In meinen Beinen verspüre ich langsam ein leichtes Brennen, doch das hält mich nicht davon ab, auf den letzten paar Metern nochmal an Tempo zuzulegen. Der Rand ist bereits in Sichtweite. Er ist zum Greifen nah. Ein letzter Zug und da schlage ich auch bereits mit der Hand an der Wand an. Ein Blick zur Uhr zeigt mir: Bestzeit.

Das Wasser ist mein Element. Befinde ich mich im Wasser, sind all meine Sorgen für den Moment vergessen. Umgeben vom Wasser bin ich nur mit mir selbst beschäftigt. Nur ein Tag ohne Training und ich fühle mich wie ein Fisch, der aus seinem natürlichen Lebensraum verjagt wurde. Für einige Menschen kann das Wasser zum Feind werden und den Tod bedeuten. Für mich bedeutet Wasser Leben. All die Gefühle aus dem Alltag, die manchmal wie Wellen über mich hereinbrechen, lassen sich beim Schwimmen mühelos überwinden.

Madleina Candrian studiert an der PH Zürich.

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