Corona-Zeit war und ist Gammellook-Zeit. Und auch ein bisschen Räumen-wir-später-auf-Zeit. Zumindest bei mir. Die perfekte Zeit also, um seine neuen Nachbarn kennenzulernen – oder?
Mein Freund und ich haben nämlich inmitten dieser komischen Zeit beschlossen, nach Zürich zu ziehen. In die Wohnung neben meiner besten Freundin – und über den erwähnten neuen Nachbarn. Diese neuen Nachbarn haben ein Zügelunternehmen. Und weil wir vor allem anfangs nicht so Fan waren von der Idee, unseren gesamten Haushalt wegen Social Distancing ganz alleine zu zügeln, haben wir beschlossen, ebendiese Nachbarn doch mal anzufragen, was denn das Für-uns-Zügeln so kosten würde. Nach einem etwas verwirrenden Telefonat warteten wir auf die Terminbestätigung für eine Besichtigung unseres «Hausstandes» per Mail. Als diese nach drei Tagen noch immer nicht kam, hatten wir uns schon vorgenommen, nochmal zu schreiben – als es an der Türe klingelte. Mitten in der Corona-Gammel-Zeit. Ich also ohne BH, im alten Trainer, mit zwei grossen, nicht-überschminkten Pickeln im Gesicht und mit einer nicht gerade perfekt aufgeräumten Wohnung. Nach kurzem Hin und Her beschlossen wir, die fremden Klingler reinzulassen und stellten mit leichtem Schreck fest, dass unsere neuen Nachbarn vor uns standen – und gerne mal die Wohnung anschauen würden, so um eine realistische Offerte erstellen zu können. Sie seien eben auf dem Heimweg gerade bei uns vorbeigefahren, da habe es sich halt angeboten, spontan vorbeizukommen. Sie hätten sich vor zehn Minuten per Mail angemeldet.
Details erspare ich euch, aber lasst euch gesagt sein, dass eine weitere Auswirkung von Corona seither darin besteht, dass wir uns unseren neuen Nachbarn nicht mit einem kleinen Essenskorb, unserem schönsten Outfit und bestem Lächeln vorstellen konnten. Aber naja, immerhin kennen sie uns jetzt schon in einem realistischeren Setting – ich geniesse es jedenfalls, mich auch in der ersten Woche völlig okay zu fühlen, wenn ich meinen Nachbarn auf dem Weg in die Waschküche im Trainer und mit Strubbelhaaren begegne.
Natascha Hossli studiert an der PH Zürich und arbeitet als Tutorin im Schreibzentrum.