Endlich ist der neue Jamic da! Jamic, der im bürgerlichen Leben Johannes Stauffer heisst, sich selber aber James Stoicovic nennt und damit auf seine angeblich bosnischen Wurzeln anspielt, nimmt uns mit auf den Balkan, den «Wilden Hossten».
Damit wären wir auch gleich beim typischen Jamic-Stil, der Verschmelzung und Verballhornung: sei es terminologisch wie im Falle von Bonanzas Hoss und Osten, eben zu Hossten, oder inhaltlich, wenn er in Kusturica-Manier eine Gipsy-Brass-Band auf Winnetou und Old Shatterhand treffen lässt.
In seinen früheren Werken hat er zum Beispiel E. T. auf der Titanic auftreten lassen: E. T. funkt nach Hause, was auf dem Schiff für eine bizarre Hoffnungseuphorie sorgt. Oder er lässt den 1. Weltkrieg durch eine Pestwelle zu Ende bringen. In einem seiner raren Interviews verrät er uns den Grund seines Verschmelzungs-Faibles. Als Kind sei er vom Film-Monster King Kong versus Godzilla so fasziniert war, dass er ihn mindestens 1000 Mal gesehen habe, 250 davon rückwärts und bis heute künstlerisch nicht davon losgekommen.
Mit Der Wilde Hossten gelingt ihm wieder eine Genre-Verschmelzung. Dabei steht dem Buch das surrealistische Moment gut an. Zum Beispiel, wenn Winnetou mit seinem zur Querflöte umgeschnitzten Tomahawk gegen die Brass-Wand von Brogevic andudelt und das Ganze schliesslich in einem infernalen Gegurke endet. Dem Dada setzt dann Sam Hawkens die Krone auf, wenn er mit den Apachen zusammen aus seiner Perücke einen Putzlappen für die Tuba flechtet.
Ein weiteres typisches Jamic-Stilmittel, die Behauptung, mit denen er frühere Geschichten ordentlich gesalzen hat, ist in diesem Buch doch eher zu viel des Guten. So hätte er eigentlich einfach sagen können, Winnetou und Konsorten seien aus einem Karl-May-Film in Kroatien entronnen. Punkt. Stattdessen lässt er Brogevic behaupten, die Indianer stammten ursprünglich aus Kroatien und seien von den Wikingern nach Amerika verschleppt worden, ausser eben Winnetou und seine Apachen. Das überzeugt wenig, und originell ist es auch nicht.
Dazu kommen Jamics hanebüchene historischen Verdrehungen und plumpen Bezüge, mit denen er das Balkangulasch endgültig versalzt: «Brogevic» ist natürlich eine Anspielung auf Goran Bregovic, damit es auch der Hinterste und Letzte versteht. Muss das sein?! Oder maue Wortkapriolen, wenn er Brogevic immer wieder zu Winnetou sagen lässt: «Winne, tu’ dies, Winne, tu’ das.» Macht nicht wirklich Freude!
Gegen Ende ist dann alles historisch verschwirbelt und die Geschichte derart verstrickt – Old Shatterhand ist nun auf einmal kein Mensch mehr, sondern ein Mechanoid aus Hoxas Albanien, der von den Jelzin persönlich gesteuert wird – dass es nicht mehr zum Dabeisein ist.
Was anfänglich ein heiteres Balkan-Beaten und wildes Hossten war, wird jetzt zum Balkenbiegen in dicker Sosse. Jamic wäre gute beraten gewesen, hätte er nach der Hälfte Schluss gemacht. Die Figuren entgleiten ihm und alles mündet in einer grotesken, wüsten und letztlich auch unmotivierten Publikums- und Autorenbeschimpfung.
Trotzdem, ein Lesegenuss ist der neue Jamic allenthalben, sofern sich die Leser*innen an den guten alten Diätgrundsatz halten: FdH (Friss die Hälfte).
Jamic
Der Wilde Hossten.
Krönlitz: Mandalassie-Verlag, 2015.
1543 Seiten.
Google hat darauf (und zum 155. Jahrestag des Pony Express) schon reagiert.