Tür bleibt offen: Bibliothek wird zur Open Library

Die Bibliothek der PH Zürich in den Händen ihrer Besucherinnen und Besucher: Mitarbeitende und Studierende können die Infrastruktur und den Bestand ab Spätsommer 2021 ausserhalb der bedienten Öffnungszeiten selbstständig nutzen. Ein Zeichen des Vertrauens und der Wertschätzung. Ende Jahr wird der Pilotversuch ausgewertet.

Die Pandemie war nicht nur Treiber der Digitalisierung. Sie veränderte auch die Erwartungen an Dienstleistungsanbieter und förderte neue Lern- und Arbeitsmodelle. Homeoffice und Fernstudium haben gezeigt, dass der Arbeitsplatz nicht zwingend an eine feste Büroumgebung gebunden ist und die Nutzung von Medien in der digitalen Welt zeitlich höchst flexibel stattfindet. Bibliotheken werden als wichtige geteilte Arbeitsorte wahrgenommen. Der Zugriff auf Infrastruktur und Medien zu ausgedehnten Öffnungszeiten ist begehrt.

Auch die Bibliothek der PH Zürich hat sich zum Ziel gesetzt, noch konsequenter auf die Erwartungen ihrer Nutzenden einzugehen. Eigenverantwortung und Zugehörigkeitsgefühl sollen gestärkt werden, Ort und Bestand dann zugänglich sein, wenn das Bedürfnis da ist. Sämtliche PHZH-Mitarbeitenden und -Studierenden erhalten in einem Pilotprojekt ab Spätsommer 2021 deshalb freien Zugang zur Bibliothek – ausserhalb bedienter Öffnungszeiten und unabhängig von der Anwesenheit des Bibliothekspersonals. Sie nutzen den Bibliotheksraum, die Bestände, die Infrastruktur sowie gewisse Dienstleistungen selbstständig und in Eigenregie.

Die Open Library ist eine Ergänzung zum bestehenden Angebot der Bibliothek, eine Zusatzdienstleistung, die den Benutzenden zur Verfügung steht. Sowohl in der Schweiz als auch im Ausland ist die Anzahl der Open Libraries stark im Wachsen begriffen. Das Konzept «Open Library» bietet den Bibliotheken die Chance, sich noch stärker benutzerorientiert, innovativ und zeitgemäss zu positionieren. Vandalismus, Missbrauch, Unordnung oder Diebstahl werden kaum beobachtet.

3 Fragen an

Biljana Mojsilovic, Leiterin der Bibliothek der PH Zürich

Wie entstand die Idee, die Bibliothek der PH Zürich zu einer Open Library umzuorganisieren?

Biljana Mojsilovic: «Uns ist bewusst, dass unsere Besucherinnen und Besucher, insbesondere die Studierenden, die Bibliothek einerseits zum Ausleihen der Medien, andererseits als wichtigen Lern- und Aufenthaltsort nutzen. Auch – oder vielleicht gerade – in Pandemiezeiten, als deutlich wurde, dass der eigene Arbeitsplatz überall eingerichtet werden kann, wo es Internetzugang und eine Steckdose hat. Ob zu Hause, im Büro oder eben in der Bibliothek. Solche geteilten Arbeitsplätze im Sinne eines shared working space sind begehrt und nicht zuletzt nachhaltig. Geht die eine Besucherin, ist bald darauf der nächste da, der seinen Laptop einsteckt und den Ort temporär zu seinem Arbeitsplatz macht. Den Coronabetrieb haben wir genutzt, um unter anderem neue ergonomische Möbel zu beschaffen, damit ein gesundes, effizientes Lernen möglich ist. Gleichzeitig haben wir mit der Open Library ein spannendes Pilotprojekt aufgegleist. Damit wird es möglich sein, die Bibliothek beinahe uneingeschränkt zu nutzen.

«Wir möchten die Studierenden in ihrem dynamischen, herausfordernden studentischen Alltag noch besser unterstützen»

Biljana Mojsilovic

Es handelt sich um ein innovatives Projekt mehrerer Hochschulbibliotheken im Raum Zürich, wobei die PH Zürich als federführend gilt und als erste mit der Umsetzung beginnt. Dank der Open Library können wir liberale unbediente Öffnungszeiten anbieten: Wir möchten die Studierenden in ihrem dynamischen, herausfordernden studentischen Alltag noch besser unterstützen.»

Was wird durch die Open Library möglich?

Biljana Mojsilovic: «Die Bibliothek und ihre Bestände sind auch ausserhalb der bedienten Zeiten zugänglich: Im Pilotprojekt bis Ende Jahr gilt dies vorerst nur für PHZH-Mitarbeitende und -Studierende. Sie können die Bibliothek selbstständig nutzen. Die Öffnungszeiten entsprechen damit genauer ihren Bedürfnissen.»

«Ein wichtiges Zeichen der Innovation und Weiterentwicklung im Sinne der Nutzenden»

Biljana Mojsilovic

Was macht die Open Library so besonders?

Biljana Mojsilovic: «Die Open Library ist innerhalb der Bibliothekslandschaft der Schweizer Hochschulen ein wichtiges Zeichen der Innovation und Weiterentwicklung im Sinne der Nutzenden. Sie fördert einerseits die Selbstständigkeit, stärkt andererseits das gegenseitige Vertrauen zwischen der Bibliothek und ihren Besuchenden – was sich wiederum auf das Zugehörigkeitsgefühl und das Verantwortungsbewusstsein aller PHZH-Angehörigen auswirkt. Ich freue mich, Sie bald in der Open Library begrüssen zu dürfen!»

Hinweis: Details zum Angebot erhalten PHZH-Studierende und -Mitarbeitende unter tiny.phzh.ch/openlibrary

Können Sie Open Access?

Seit nunmehr sechs Jahren beschäftigt sich die Bibliothek intensiv mit dem Thema Open Access. Was sind die neuesten Entwicklungen in diesem hochdynamischen Bereich? Bibliotheksmitarbeiter Marius Stricker gibt Auskunft.

Marius Stricker ist seitens der Bibliothek verantwortlich für die Umsetzung von Open Access an der PH Zürich und berät als Teil des Serviceteams zum Thema.

Marius Stricker, drei gute Gründe, weshalb ich meine Forschungsarbeit als Open-Access-Publikation veröffentlichen sollte.

Marius Stricker: «Ganz einfach, Open Access ist als Publikationsstandard international State of the Art. Wer noch nicht darauf umgeschwenkt ist, wird in Zukunft nicht mehr daran vorbeikommen. Es entspricht dem urdemokratischen Gedanken der Netzkultur. Dieser macht auch vor Fachliteratur nicht Halt. Forschungspublikationen uneingeschränkt und kostenlos für alle im Internet zugänglich zu machen, deren Nachnutzung zu erleichtern – das tangiert die Definition von Wissenschaft existenziell. Wissenschaft als öffentliches Gut versus uneingeschränkte Macht privatwirtschaftlicher Verlage. Welche Sicht setzt sich am Ende durch? Ich glaube und hoffe, dass es erstere sein wird. Damit ist dieser Grund der wichtigste: Aufs richtige Pferd setzen und sich mit Open Access befassen, bevor man dazu gezwungen wird.

«Open Access entspricht dem urdemokratischen Gedanken der Netzkultur»

Marius Stricker

Grund 2 und 3 sind schnell ergänzt: Open-Access-Publizieren verschafft gerade jungen Forschenden ohne etablierten Namen und Netzwerke in die renommierten Verlage eine höhere und langfristigere Sichtbarkeit, zudem ist es sicher. Anfangsbefürchtungen, dass predatory publishers, also qualitativ fragwürdige Publikationsplattformen, dadurch eine grössere Spielwiese finden, haben sich selten bewahrheitet. Dafür gibt es Listen mit Angaben zur Qualitätsprüfung, etwa DOAJ oder DOAB, oder auch thinkchecksubmit.org.

Was es auf dem Weg zur erfolgreichen OA-Publikation zu beachten gilt, hat die Bibliothek kürzlich in einem Poster konzis auf den Punkt gebracht.»

Was bringen mir als Forscherin die neuen Read&Publish-Agreements?

Marius Stricker: «In nuce: Sie können kostenfrei in ansonsten kostenpflichtigen Journals publizieren. Sechs Wissenschaftsverlage sind beteiligt, mit Zeitschriften wie Journal of Vocational Education & Training (Taylor & Francis), Zeitschrift für Bildungsforschung (Springer) oder Science & Education (Springer). Die komplette Liste finden PH-Angehörige im Open Access Portal. Kostenfrei meint hierbei, Sie müssen keine Publikationsgebühren (APC für Journalartikel und BCPC für Sammelbandbeiträge) zahlen, wie sie bei Open Access Gold üblich sind.»

Moment einmal: Lesende können mit Open Access neu also kostenlos auf Forschung zugreifen, stattdessen werden aber die Publizierenden zur Kasse gebeten?

Marius Stricker: «Spielen wir die zwei Wege einmal durch. Die meisten Verlage haben Publikationsplattformen. Wenn Sie als Forschende dort einen Account haben und Ihr Manuskript für die Publikation in einem bestimmten Journal hochladen, wird es durch ein Fachgremium geprüft und im Optimalfall letztlich angenommen. Durch die Agreements müssen Sie auf der Plattform meist nur noch einen Haken setzen, dass Sie davon profitieren wollen, et voilà. Um den Rest müssen Sie sich nicht kümmern. Im ersten Halbjahr 2021 konnten wir bereits vier Artikel durch die Agreements finanzieren und die Forschenden waren stets extrem erleichtert, wenn ich ihnen mitteilen durfte, dass ihre Arbeit unter der neuen Vereinbarung veröffentlicht wird und daher keine weiteren Finanzierungsschritte nötig sind. Das ist beim normalen Open-Access-Publizieren nämlich der Fall (siehe Poster oben). Im Gegensatz zu früher müssen Sie sich dort als Publizierender selbst um die Finanzierung kümmern, d.h. bei der Forschungsstelle der PHZH oder bei Ihrer Abteilung Leistungen aus internen Forschungsfonds beantragen etc. Zumindest beim sog. Gold-Modell.

«Im ersten Halbjahr 2021 konnten wir bereits vier Artikel durch die Agreements finanzieren»

Marius Stricker

Im Detail berät die Bibliothek gerne zu den verschiedenen Möglichkeiten und den neuen R&P-Agreements. Intern bieten wir zudem thematische Coffee Lectures an, etwa am 15. Juni 2021. Alle Infos hier (Externe) und hier (Interne).»

Open Access Gold bedeutet somit grundsätzlich ja vor allem eine Verschiebung der Finanzflüsse. Anstelle der bisherigen Lizenz- und Subskriptionsmodelle, bei denen sozusagen die Lesenden zahlen, tritt das «author-pays-Modell».

Marius Stricker: «Die grosse Hoffnung und das Versprechen von Open Access ist, dass wir durch Verhandlungen mit den Verlagen Lösungen finden, die letztlich nicht nur für die Lesenden, die nunmehr kostenlos auf die Artikel zugreifen, sondern auch für die Publizierenden gangbar sind. Und dass die Verlage dennoch wirtschaftlich rentabel bleiben können. Die Leistungen aus den R&P-Agreements sind vorläufig kontingentiert und zeitlich beschränkt, zudem sind nur grosse Verlage beteiligt, für die PH Zürich sind das derzeit Cambridge University Press, Elsevier, Springer Compact, SAGE, Taylor & Francis und Wiley. Die Agreements gehören zu einer Reihe von Förderinstrumenten, die über die nächsten Jahre ausgerollt werden.

«Best Case wären R&P-Agreements für kleinere und mittelgrosse pädagogische Verlage»

Marius Stricker

Mit der neuen Förderperiode 2021 bis 2024 von swissuniversities sollen nun vermehrt auch Projekte gefördert werden, die für kleinere Verlage, wie sie im erziehungswissenschaftlichen Bereich häufig vorkommen, attraktiv sind. Indem sie etwa den Fokus auf das grüne Modell legen. Hierbei wird den Forschenden zwar eine Selbstarchivierungsmöglichkeit, etwa via Repositorium, gewährt, allerdings erst nach Ablauf einer Embargofrist, d.h. nach Erstveröffentlichung hinter einer klassischen Paywall durch den Verlag. Publikationsgebühren fallen dabei keine an. Das ist natürlich alles noch nicht optimal, Best Case wären R&P-Agreements für kleinere und mittelgrosse pädagogische Verlage.»

Ein vorsichtiger Blick in die Zukunft also. Wie geht es darüber hinaus weiter? Die R&P-Agreements sind ja nur ein Zwischenschritt.

Marius Stricker: «Es sind laufend Verhandlungen im Gang. Man hat nun erst einmal zwei bis drei Jahre Zeit, neue Lösungen zu finden. Ab 2022 gibt es einen nationalen OA-Fonds. Ein weiteres Ziel könnten Mitgliedschaftsmodelle sein. Hochschulen werden Mitglied bei einem Verlag, der Open-Access-Inhalte anbietet, und kriegen dadurch Gebühren-Discounts für ihre Angehörigen. So oder so wird es nach der Transformationsphase ab 2025 bestimmt einfacher, da sich laufend neue Prozesse basierend auf den Bedürfnissen der Forschung etablieren.»

Ich bin überzeugt! Wo finde ich Unterstützung?

Marius Stricker: «Super! Der mentale Shift auf die neue Publikationsart ist das Wichtigste. Wir vom Bibliotheksteam helfen gerne bei allen Fragen rund ums Open-Access-Publizieren. Unsere Beratungsangebote dienen der Komplexitätsreduktion, wir prüfen weitergeleitete Mails von Verlagen, geben Tipps zum weiteren Vorgehen, machen Hintergrundabklärungen etc. Einfach melden: repositorium@phzh.ch»

Vielen Dank für das Gespräch.

Coffee Lecture Spezial zu den R&P-Agreements. Unbedingt teilnehmen!

Alle Infos hier.

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