Category Archives: Film

Schnitt ins Hirn

In ihrer Autobiografie «An Angel at My Table» – von Jane Campion 1990 bildstark und poetisch verfilmt – beschreibt die neuseeländische Schriftstellerin Janet Frame ihren Aufenthalt in einer psychiatrischen Klinik. Zur Behandlung einer (fehldiagnostizierten) Schizophrenie wird sie mit Elektroschock behandelt und soll sich schliesslich einer Lobotomie unterziehen.

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Was wäre, wenn?

Geschichtsschreibung folgt den Tatsachen und erzählt uns die Vergangenheit. Kommen neue Fakten ans Licht, verschiebt sich das Gefüge. Die Historie muss umgeschrieben werden. Einen anderen Ansatz verfolgt die kontrafaktische Geschichte. Im Vordergrund steht nicht mehr die Frage, was war und wahr ist, sondern eine gewagte Hypothese: Was wäre, wenn …? Mit diesem Blickwechsel bewegen wir uns unweigerlich ins Reich der Fiktion.

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Windungen und Wendungen

Mit fünfunddreissig beschliesst Nora Seed zu sterben. Die Hauptfigur in Matthew Haigs zauberhaftem Roman «Die Mitternachtsbibliothek» (Droemer 2021) gelangt jedoch nicht ins Jenseits, sondern findet sich in einer Welt zwischen Leben und Tod wieder. Punkt Mitternacht bleibt die Zeit stehen und Nora betritt eine Bibliothek mit endlosen Regalen. Jedes Buch bietet ihr die Chance, Entscheidungen zu revidieren und verpasste Versionen ihres Lebens auszuprobieren – als Olympiaschwimmerin, Musikerin, Philosophin, Mutter oder Gletscherforscherin. Aber welches davon ist das beste Leben?

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Menschliche Marionette

«Es war einmal …» – So beginnt für gewöhnlich das Märchen. Auch Carlo Collodis Pinocchio (Anaconda 2011) setzt mit dieser Formel ein. Aber der Erzähler hält inne und belehrt sein junges Publikum, dass dieses Märchen nicht mit einem König, sondern einem Stück Holz anfängt.

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Unsoziale Medien

Das Dilemma mit den sozialen Medien. (Netflix, 2020)

Lassen wir mit der Verbreitung und Nutzung von Social Media zu, dass unser gesellschaftlicher Zusammenhalt kaputtgeht, dass wir manipuliert werden, dass wir süchtig oder depressiv werden? Es scheint so: Der Dokumentarfilm lässt Technologie- und Finanzexpertinnen und -experten zu Wort kommen, die aufgrund ihrer früheren Arbeit bei Social-Media-Firmen einen vertieften Einblick in deren Strategien, Ziele und Methoden haben.

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Rosa Kaninchen – Rosa Brille

«Als Hitler das rosa Kaninchen stahl» (Warner Bros. Entertainment, 2020)

Unbeschwerte Kindheit in einem wohlhabenden Berliner Intellektuellenhaushalt, 1933 überstürzte Flucht vor den Nazis, Exil in der Schweiz, Paris, schliesslich London: Stationen im Leben der neunjährigen Anna, Tochter des jüdischen Theaterkritikers Arthur Kemper (alias Alfred Kerr) und der Pianistin Dorothea.

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Das verborgene Buch

Wenn ein Film oder eine TV-Serie ankündigt, alles beruhe auf einer wahren Geschichte (nur die Namen seien geändert worden, um die Opfer zu schützen), so ist dieser Hinweis stets mit Vorsicht zu geniessen. Man möchte sogar behaupten, es handle sich dabei um ein Fiktionalitätssignal erster Ordnung. In Roman Polanskis Film nach einem Roman von Delphine de Vigan ist das nicht anders.

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