Mehr Selbstbestimmung – Schule setzt auf neues Lernmodell

Die Berufsmaturitätsschule (BMS) Liechtenstein hat mit dem Schulentwicklungsprojekt Liechtensteiner Lernmodell ein neues, zukunftsfähiges Lernmodell konzipiert, in dem die Lernelemente Blended Learning sowie das sogenannte Productive Failure im Zentrum stehen. Die PH Zürich und die ETH Zürich begleiten die Schule bei der Umsetzung.

Im Bildungssystem besteht heute zunehmend der Bedarf an flexibilisierten Bildungsgängen, die zeitlich und örtlich unabhängiges Lernen ermöglichen und die überfachlichen Kompetenzen der Lernenden fördern. Das Liechtensteiner Lernmodell tut dies, indem es auf zwei Säulen setzt: auf das inzwischen vielerorts bekannte Blended Learning sowie auf das noch weniger etablierte Productive Failure. Manu Kapur, Professor für Lernwissenschaften an der ETH Zürich, begleitet das Lernelement Productive Failure und beschreibt es als gezieltes Lernen durch Scheitern an herausfordernden Aufgaben, um danach ein tieferes Verständnis zu erreichen.

Das zweite Lernelement Blended Learning – das selbstverantwortete sowie das zeit- und ortsunabhängige Lernen – wird von PHZH-Dozent Dominic Hassler begleitet. Im Liechtensteiner Lernmodell arbeiten die Lernenden grösstenteils selbstständig: Ein Drittel der Unterrichtslektionen ist zeit- und ortsunabhängig und von den Lernenden selbstgesteuert. Das Liechtensteiner Lernmodell ist insofern speziell und innovativ, als es Blended Learning und Productive Failure verknüpft.

Effizient und effektiv lernen
Der individuelle Lernrhythmus beim Blended Learning ermöglicht den Lernenden, effizienter und effektiver zu lernen, weil keine Unter- oder Überforderung aufgrund des Unterrichtstempos entsteht. Die Lernenden verfügen so über mehr Autonomie beim Lernen. Durch diese Selbstbestimmung ist die intrinsische Motivation höher als bei einer Fremdbestimmung. Zudem bauen die Lernenden ihre überfachlichen Kompetenzen aus, etwa im Selbst- und Zeitmanagement, im Prioritätensetzen oder beim Planen und Überwachen des eigenen Lernens.

Eine der grössten Herausforderungen ist die weniger intensive Beziehung zwischen Lehrpersonen und Lernenden sowie zwischen den Lernenden. Auch der Rollenwechsel der Lehrpersonen von Wissensvermittler:innen zu Lerncoachs ist eine grosse Umstellung. Was also, wenn die Selbstdisziplin der Lernenden fehlt? Wie können sie im Wechsel von fremdbestimmtem zu selbstbestimmtem Lernen begleitet werden? Was tun, wenn die Lernenden mit dem neuen Lernmodell überfordert sind? Diesen Fragen und Herausforderungen widmet sich die PH Zürich im Rahmen ihrer Projektbegleitung. Dominic Hassler hat dazu vier Arbeitsgruppen betreut zu den Themen Lerncoaching (Wie können die Lehrpersonen die Lernenden in ihrem Lernprozess auf metakognitiver Ebene unterstützen?), Productivity Booster (Lern- und Arbeitstechniken für Blended Learning), Networking (Austausch unter den Lernenden) sowie Learning Experience Design (Gestaltung der Lernerfahrungen in den Selbstlernphasen). Die Lehrpersonen in diesen vier Gruppen tauschen sich regelmässig untereinander und mit Dominic Hassler aus.

Das Projekt «Liechtensteiner Lernmodell» wird im Sommer 2025 in die Pilotphase mit einer Klasse treten. Im Sommer 2026 sollen dann alle Klassen in das neue Lernmodell überführt werden. Die PH Zürich begleitet den gesamten Prozess. Für Beat Schuler, Rektor der BMS Liechtenstein, war die Zusammenarbeit mit der PH Zürich in diesem Projekt sehr wertvoll. «Dominic Hassler leistet mit seiner fundierten Expertise im Bereich Blended Learning einen wichtigen Beitrag zur erfolgreichen Umsetzung des Liechtensteiner Lernmodells.»

Unterstützung im Blended Learning

  1. Lerncoaching. Wie können Lehrpersonen die Lernenden darin unterstützen, ihr Lernen eigenverantwortlich zu planen?
  2. Productivity Booster. Welche Lehr- und Lerntechniken brauchen die Lernenden, damit sie zu Hause selbstständig lernen können?
  3. Networking. Wie können wir Lernende dazu anregen, sich auch in den Selbstarbeitsphasen auszutauschen oder gemeinsam zu lernen?
  4. Learning Experience Design. Wie können die Lehrpersonen bedeutungsvolle Lernaktivitäten gestalten, die an die Lebenswelt der Lernenden anknüpfen, Productive Failure beinhalten und für die Selbstlernphasen geeignet sind?