
Anna-Tina Hess: Heute lesen Sie die letzte Kolumne an dieser Stelle von uns. Die erste schrieben wir im Februar 2019. Damals studierte ich gerade ein Semester an der PH und war ziemlich überfordert und überrascht darüber, wie sehr ich überfordert und überrascht war.
Ich dachte tatsächlich, nachdem ich mich ein Jahr zuvor mit grosser Überzeugung für diesen Weg entschieden hatte, dass er mir leichter fallen würde. Alles andere war der Fall. Ich sass stundenlang über Verlaufsplanungen und war nach Stunden immer noch unzufrieden mit den entworfenen Lektionen. Ich hatte schlaflose Nächte, weil ich nicht wusste, was ich der Klasse am nächsten Tag genau beibringen wollte. Ich erinnere mich an nicht enden wollende To-do-Listen, die mich Wochenende für Wochenende zu Hause an meinen Schreibtisch fesselten. Ich erinnere mich auch daran, wie ich dann irgendwann erkannte, dass gut gut genug ist. Auch daran, wie ich am Ende mit der Masterarbeit in der Tasche in ein Flugzeug stieg, um mich einen Monat am pazifischen Meer von allen Strapazen zu erholen. Wie ich danach das pure Glück erfuhr in einer meiner ersten Stellvertretungen. Wie ich merkte, dass die Entscheidung, mit 40 nochmals zu studieren, mich an einen Ort brachte, an dem ich eigentlich schon immer sein wollte. Heute bin ich unfassbar dankbar für diesen Weg. Ich liebe es, Lehrerin zu sein mit all den schönen und den auch herausfordernden Seiten. Ich schlafe (meistens) tief und gut und weiss (meistens), was ich der Klasse am nächsten Tag gerne beibringen möchte. Und es war mir ausserdem eine Freude, Sie hin und wieder mit genau diesen Geschichten zu unterhalten. Adieu.
Georg Gindely: Im Sommer nehme ich Abschied von der zweiten Klasse, die ich als Klassenlehrperson begleiten durfte. Bereits jetzt nehme ich Abschied von dieser Kolumne, die Anna-Tina und ich sechs Jahre lang verfasst haben. Der Anfang war auch bei mir hart. Meine Mentorin riet mir nach einer Lektion im Praktikum, ich solle es vielleicht besser mit Erwachsenenbildung versuchen – meine Art, zu unterrichten, passe nicht zu Jugendlichen. Ich kämpfte mit Verlaufsplanungen, Leistungsnachweisen und gleichzeitig mit dem Praxisschock, der bei Quereinsteigenden ja bereits nach einem Jahr Studium erfolgt. Manchmal denke ich, dass dieser Praxisschock bis heute anhält. Noch immer steckt in fast jedem Schultag eine Überraschung und ein neues Problem, mit dem ich mich überfordert fühle. Das heisst aber auch, dass es mir nie langweilig ist. Und die Probleme, die ich lösen muss, haben fast immer mit Menschen zu tun, und zwar mit Jugendlichen, die es eigentlich nicht böse meinen, aber verloren sind zwischen Pubertät, sich widersprechenden Gefühlen und Herausforderungen wie der Berufswahl. Sie zu begleiten, das macht mir seit Beginn meines Quereinstiegs Freude. Und es gibt so vieles mehr, das mir an meinem Beruf gefällt. Mittlerweile habe ich mir auch etwas Erfahrung angeeignet, sodass mich die Überraschungen nicht mehr umhauen und ich meist routiniert mit ihnen umgehen kann. Man könnte sagen: Die Jahre des Praxisschocks neigen sich dem Ende zu. Insofern ist es der passende Zeitpunkt, von dieser Kolumne Abschied zu nehmen. Meine Ausbildung ist, fast drei Jahre nach Abschluss des Studiums, abgeschlossen.