Würdest du von dir selbst behaupten, stark zu sein? Ich kann das nicht eindeutig beantworten, obwohl mich das Thema auf Schritt und Tritt verfolgt. So verlange ich mir in zahlreichen Situationen mentale Stärke ab; oft erfolglos. Dann zum Beispiel, wenn ich einen überteuerten Kaffee beim Barista hole. Sofort schaltet sich meine zum Geldsparen gebietende Vernunft ein. Sie zetert, mahnt, gräbt sich in die Magengrube. In schwachen Momenten kaufe ich trotzdem einen und kann den bitteren Nachgeschmack nicht genau dem Kaffee oder den Gewissensbissen zuordnen.
Auch beim Sport feile ich regelmässig nicht nur an der körperlichen, sondern auch an der mentalen Stärke: Mitunter lästern nämlich fiese Selbstzweifel ihre Bemerkungen in meinen Gedankenstrom. Gegen «Du siehst mickrig aus, egal, wie du dich anstrengst » muss ich mich mit Hau(p)t und Haar zur Wehr setzen – ein Work-out im Work-out, quasi.
Droht dieser Kampf in meinem Kopf zu laut zu werden, versuche ich mich zu besinnen. Wahre Stärke bedeutet, Schwäche zeigen zu können. Das fängt bei Alltagsproblemen an und endet bei den grossen Lebenskrisen. Leider werden gerade in Männerkreisen das Zeigen von Emotionen, das Sich-Hilfe-Holen und das Reden über Probleme oft mit Schwäche gleichgesetzt. Dabei steckt hinter diesen Dingen enorm viel Mut. Und in einer einzigen Träne blitzt – ganz scheu, für einen kurzen Augenblick – wahre Stärke hervor.