Vielfältige Sprachen und Kulturen sind in der Schweiz längst omnipräsent. Doch wie erleben Schulkinder selbst ihre Mehrsprachigkeit und kulturelle Andersartigkeit? Dieser Frage ist Sima Karadaghi im Rahmen ihrer Bachelorarbeit nachgegangen. Denn Sprache sei nicht nur ein Instrument zur Kommunikation, sondern sie beeinflusse das Denken und die Sichtweise auf die Umwelt massgeblich, hält die Autorin fest.
Bei der Literaturrecherche zeigte sich, dass hauptsächlich die Perspektive von Erwachsenen abgedeckt wird und Kinder wenig zu Wort kommen. Das Thema hat die angehende Primarlehrerin aufgrund ihres persönlichen Hintergrunds interessiert. In einer irakischstämmigen Familie aufgewachsen, sprach sie bereits im Alter von sieben Jahren drei Sprachen fliessend. Ihr Interesse an Sprache wurde dadurch verstärkt, dass sie sich als Jüngste in einer lebhaften Familie Gehör verschaffen wollte und für ihre Eltern auch schriftliche Korrespondenz erledigte. Trotz herausragender schulischer Leistungen sei ihr Potenzial in der Schule aber nicht erkannt und gefördert worden, bedauert die in ländlicher Umgebung aufgewachsene Autorin. Aufgrund von Unterforderung habe sie Verhaltensauffälligkeiten entwickelt. Sie verspürte eine vorgefasste Meinung aufgrund ihrer Herkunft. Zudem vermisste sie einen Kurs in heimatlicher Sprache. Leider habe sie heute nur noch begrenzten Bezug zu ihrem Herkunftsland.
Um mehr über die Erfahrungen anderer Kinder herauszufinden, hat Karadaghi an der Schule mit dem höchsten Anteil an ausländischen Familien im Kanton Zürich ein Gruppeninterview mit acht Kindern durchgeführt. Die Viertklässler:innen hatten sich selbst gemeldet und wiesen allesamt einen Migrationshintergrund auf. Unter den diversen Herkunftsländern waren etwa Kosovo, Ungarn, Ecuador und Syrien. In einem Fragebogen erhob die Autorin vorgängig Angaben zur familiären Situation, den sprachlichen Kompetenzen und Wohnverhältnissen. Zur Einstimmung besuchte die Gruppe die Ausstellung «Sprachenland Schweiz» im Landesmuseum.
In der Auswertung zeigte sich, dass die befragten Kinder mehrheitlich positive Erfahrungen machen. Ein Kind gab zwar an, es sei erst seit zwei bis drei Jahren stolz auf seine Sprache und habe sie vorher gehasst, weil andere Kinder gesagt hätten, es gehöre nicht hierhin. Doch insgesamt erleben die Kinder die Schweiz als offen und empfänglich für andere Kulturen. Das Interview wurde an einer QUIMS-Schule durchgeführt. Die Autorin fragt sich im Diskussionsteil, ob die Antworten an einer anderen Schule ebenso positiv ausgefallen wären. Denn an QUIMS-Schulen sei kulturelle Vielfalt wohl selbstverständlich. Unterdessen unterrichtet die Primarlehrerin eine zweite Klasse, in der ebenfalls viele Kinder nicht Deutsch als Erstsprache haben. Die Bachelorarbeit habe ihr deutlich gemacht, dass andere Sprachen didaktisch genutzt werden könnten, sagt Sima Karadaghi. Klar könne die Heterogenität auch zu Schwierigkeiten führen, weiss die 25-Jährige. «Doch insgesamt sollten wir Lehrpersonen Mehrsprachigkeit weniger als Hindernis und mehr als Chance sehen.»