Wertvolle Momentaufnahme zu KI und Sprache

Was macht KI mit unserer Sprache? (Dudenverlag, 2024)

«Was macht KI mit unserer Sprache?», fragt Christoph Drösser in seinem Büchlein – und er rät uns: «Lesen Sie dieses Buch möglichst schnell.» Tatsächlich sind seine Betrachtungen eine blosse Momentaufnahme. Für den weiteren Diskurs rund um künstliche Intelligenz und generative Technologien sind Drössers Überlegungen allemal wertvoll.

Er stellt etwa die Frage, inwiefern Chat-GPT und Co. überhaupt intelligent sind und vergleicht sie mit dem «Chinesischen Zimmer», einer Metapher, die der Sprachphilosoph John Searle geprägt hat. In diesem Zimmer werden zwar Zeichen de- und encodiert, jedoch mit einem eigenen Set von Regeln und ohne die Sprache genuin zu beherrschen. Zwei weitere Überlegung Drössers hängen miteinander zusammen: Menschen beziehen sich sprachlich auf die Wirklichkeit, Maschinen haben dagegen keinen Realitätsbezug – obschon auch Menschen Sprache nach rein sprachimmanenten Regeln konfigurieren, wie Drösser richtigerweise einwendet. Und Sprachmodelle unterscheiden sich von menschengemachter Sprache insofern, als Menschen beim Schreiben und Sprechen tatsächlich etwas meinen und wollen. Ein performativer Satz wie «Ich verspreche es» verdeutlicht dies besonders gut.

Ergiebig sind Drössers Betrachtungen zum kreativen Potenzial von Sprachmodellen und generativen Technologien. Bezugnehmend auf die Kognitionswissenschaftlerin Margaret Boden skizziert er die explorative, die kombinatorische und die transformatorische Kreativität und führt aus, dass künstliche Intelligenz meisterhaft darin ist, explorativ kreativ zu sein. Sie lotet existierende Kontexte maximal aus und generiert darin Neues. Was KI hingegen nicht kann: transformatorische Kreativität, also ausserhalb des bereits Bekannten etwas Neues zu schöpfen.

Einen wesentlichen Punkt spricht Drösser in seinem Büchlein auch an: Die generativen Technologien sind (noch) anglozentrisch, kleinere Sprach- und Kulturräume sind hoffnungslos unterrepräsentiert. Das erzeugt sowohl einen sprachlichen als auch kulturellen Bias. Schliesslich blickt der Autor in die Kristallkugel: Was ist, wenn die generativen Technologien irgendwann nur noch auf sich selbst referenzieren, weil das Korpus immer mehr von ihnen selbst erzeugt ist? Kommt dann der «model collapse» und die generierten Outputs werden immer synthetischer und homogener? Es wäre jedenfalls das Gegenteil von menschenartigen und vielfältigen Werken, die zumindest bisher die Kernleistung von ChatGPT und Co. sind.

Christoph Drösser.
Was macht KI mit unserer Sprache?
Perspektiven auf ChatGPT und Co.
Berlin: Dudenverlag, 2024. 80 Seiten.