Studierende lehren und lernen gemeinsam im Kosovo

Dozierende der PH Zürich und der kosovarischen Universität Fehmi Agani in Gjakova führten im Rahmen des Studienwahlbereichs Globales Lernen gemeinsam ein Modul durch, das während zweier Wochen von Studierenden beider Hochschulen besucht wurde. Ein Erlebnisbericht aus dem Kosovo.

Studierende der Universität Gjakova (links) und der PH Zürich analysieren gemeinsam eine Unterrichtslektion im Rahmen des Moduls Quality Dimensions of Teaching in Switzerland and Kosovo. Foto: Christof Hofer

Ein Sonntagnachmittag Ende Juni. Sieben Studierende der Sekundarstufe I der PH Zürich treffen sich mit den Mathematikdozierenden Rachel Waldvogel und Daniel Weissmüller am Flughafen Zürich. In Kürze hebt ihr Flugzeug nach Pristina ab, von wo aus die Gruppe in das Städtchen Gjakova im Osten des Kosovo weiterreist. Empfangen werden sie dort von Melinda Mula, Mathematikdozentin an der Universität Fehmi Agani.

Gemeinsam haben die drei Dozierenden im Rahmen des Projekts Peer Exchange Network in Teacher Education (PEER-Net) das Modul Quality Dimensions of Teaching in Switzerland and Kosovo entwickelt und bereits im Februar eine erste Modulwoche in Zürich mit den Studierenden aus der Schweiz und dem Kosovo durchgeführt. Nun steht der Gegenbesuch in Gjakova an. Am Montagmorgen wird das Modul dann mit einer Ansprache des Rektors der Universität Fehmi Agani und einigen Kennenlern-Aktivitäten eröffnet. Das inhaltliche Programm dieser Woche knüpft an den Teil in Zürich an. Melinda Mula, Rachel Waldvogel und Daniel Weissmüller sind sichtlich stolz auf das gemeinsam erarbeitete Programm. «Wir haben uns bei unserem ersten Treffen in Zürich gut verstanden und uns auf ein Modul zur Vertiefung der Qualitätsmerkmale für guten Mathematikunterricht geeinigt», berichtet Rachel Waldvogel. Dennoch war die gemeinsame Vorbereitung nicht ohne Hürden, denn die drei mussten innerhalb der unterschiedlichen Richtlinien und Curricula der beiden Hochschulen gemeinsame Lösungen finden.

Nach einem ersten intensiven Studientag machen sich am Dienstag die hohen Temperaturen in Gjakova bemerkbar. Doch mit der Hitze tauen auch die Berührungsängste zwischen den Studierenden langsam auf. Obwohl die beiden Studierendengruppen bereits im Februar eine Woche gemeinsam an der PH Zürich verbracht haben, erschwert die Sprachbarriere den Austausch anfänglich. «Die kosovarischen Studierenden treten in ihrer Heimat viel selbstbewusster auf und es ist für uns sehr spannend, die Dynamik des Unterrichts an der Universität Fehmi Agani zu erleben», berichtet Nicole, eine der Schweizer Studierenden.

Austausch zu Unterschieden und Gemeinsamkeiten
So bilden sich am Mittwochnachmittag bei einem Ausflug nach Valbona in Albanien verschiedene Grüppchen von Schweizer und kosovarischen Studierenden. Und der Besuch eines lokalen Gymnasiums und eine Führung durch die Altstadt von Gjakova bieten Gelegenheit für Fragen und Diskussionen. Während die Schweizer Studierenden vom hohen gesellschaftlichen Stellenwert der Bildung im Kosovo beeindruckt sind, bemerken die kosovarischen Studierenden, dass die Schweizer:innen nicht immer so streng sind, wie es das Stereotyp möglicherweise vorgibt. Ohnehin finden sowohl die Studierenden als auch die Dozierenden neben allen Unterschieden rasch viele Gemeinsamkeiten, sei es im Umgang mit den Eltern ihrer Schüler:innen oder eben bei den Qualitätsmerkmalen für guten Mathematikunterricht.

«Sinn und Zweck des Wahlbereichs Globales Lernen ist die Förderung der globalen Kompetenz, die im Rahmen der Pisa-Studie erstmals 2018 erhoben wurde. Dabei sind die erfolgreiche transkulturelle Verständigung und der Abbau von stereotypen Vorstellungen zentral», erklärt Samir Boulos, Leiter des Projekts PEER-Net und Mitverantwortlicher für den Wahlbereich Globales Lernen an der PH Zürich. Das Besondere am Projekt PEER-Net ist, dass nicht nur unterschiedliche Studierende von- und miteinander lernen, sondern auch die Dozierenden durch das gemeinsame Modul in einen Austausch treten. Dies zeigt sich auch am Donnerstag beim Besuch der historischen Stadt Prizren im Süden des Kosovo, wo Melinda Mula und Rachel Waldvogel über ihren Zugang zu den Studierenden und das Unterrichten in einer Fremdsprache fachsimpeln.

Die Theorie mit der Praxis verbinden
Mit dem Abschluss des Moduls am Freitag stellt sich sodann die Frage, was die Beteiligten vom gemeinsam Erlebten mitnehmen. «Werte wie Loyalität, Gemeinschaft und Nationalstolz kann ich nach diesem Besuch im Kosovo ganz anders einordnen», ist der Schweizer Studierende Luca überzeugt. Und Melinda Mula ergänzt, dass die kosovarischen Studierenden so grosses Interesse am Austausch zeigten, dass sie die Inhalte des Moduls ihren Mitstudierenden auch im regulären Unterricht weitervermittelten. Aber auch auf der inhaltlichen Ebene konnten neue Erkenntnisse gewonnen werden. Denn in beiden Ländern wird das kognitive Niveau wie auch die Relevanz von Sprache und Kommunikation für das Mathematiklernen offenbar wenig betont. Aus fachdidaktischer Sicht, so Daniel Weissmüller, eine spannende Ausgangslage für weitere gemeinsame Forschungen.

Ein gelungener Auftakt des Wahlbereichs Globales Lernen also? «Die Schweiz ist Teil einer globalisierten Welt. Immer mehr Kinder, Eltern und auch Lehrpersonen bringen Erfahrungen aus unterschiedlichen kulturellen Hintergründen mit. Wir tun also gut daran, transkulturelles Lernen nicht nur in der Theorie, sondern eben auch ganz praktisch durch Austausch und begleitende Reflexion zu fördern», meint Samir Boulos. Vor allem, wenn dieser Austausch wie die Modulwoche im Kosovo für alle Beteiligten so gewinnbringend ist.

Der Wahlbereich Globales Lernen der Sekundarstufe I wird ab dem Herbstsemester 2024 als reguläres Modul durchgeführt. Es ermöglicht den Studierenden, lokale, internationale und transkulturelle Themen zu erforschen und transkulturelle Kompetenzen aufzubauen. Darüber hinaus bietet die PH Zürich sowohl Studierenden wie auch Mitarbeitenden vielfältige Austauschmöglichkeiten mit über 100 Partnerhochschulen weltweit.