Anna-Tina Hess: Deutschunterricht mit einer 2. Sek. Die Schüler:innen haben den Auftrag, in ihrem Buch zu lesen. Hinten rechts sitzt Lars, den ich jetzt einfach mal so nenne, und hält sein Buch verdächtig seltsam. Es steht senkrecht mit der Buchunterkante auf seinem Tisch. Lars Blick wandert alles andere als von links nach rechts, sondern ist eher starr auf die Buchmitte gerichtet. Ich bin ziemlich sicher: Lars versteckt sein Handy im Buch. Ich gehe zu seinem Tisch. Ein Blick über den Buchrand reicht, und ich sehe meinen Verdacht bestätigt. Ich ziehe das Handy ein. Lars gibt es bereitwillig ab. Er wird es nach den Morgenlektionen am Mittag wieder bekommen.
Situationen wie diese sind nichts Ungewöhnliches. Laut Schulreglement sollte das Handy den ganzen Tag «unsichtbar» sein. Das bedeutet, so lange es die Lehrperson nicht entdeckt, ist alles gut. Die Schüler:innen tragen das Handy also grundsätzlich auf sich. Die meisten haben das gut im Griff und verspüren nicht oft den Impuls, draufzugucken. Andere weniger. Es kommt immer wieder vor, dass Schüler:innen während des Unterrichts «auf WC» wollen, letztlich nur, um ein bisschen ungestört ihr Handy zu nutzen. Wohlgemerkt über das Schul-WLAN, welches ihnen natürlich zusätzliche Internetzeit schenkt, die sonst auf eine gewisse Datenmenge begrenzt ist. Das Reglement mit dem unsichtbaren Handy ist jetzt aber hinfällig. Meine Schule ändert es nun. Nach den Sommerferien hat jede Klasse einen Handyspind und jede Person ein mit Namen versehenes Fach darin. Dort landet das Handy vor der ersten Stunde und wird bis am Mittag eingesperrt. Eine Erleichterung. Ich denke nicht nur für Lehrpersonen.
Georg Gindely: Es ist der Weltuntergang, wenn ich einen Schüler oder eine Schülerin an unserer Schule am Handy erwische. Denn dann ziehe ich das Mobiltelefon ein. Zwar nur bis am Abend, aber für viele ist das länger, als sie in den letzten Jahren je ohne Handy waren. Unvergessen die Tränen eines Mädchens, dem ich das Telefon um 14.15 Uhr abgenommen hatte und die es um 17 Uhr wieder hätte holen können. «Was soll ich nur anfangen ohne mein iPhone 14 Pro Max?», schluchzte sie.
Das Handyverbot begrüsse ich grundsätzlich. Es ist positiv, dass die Jugendlichen in der Pause nicht am Handy hängen, sondern miteinander sprechen, spazieren oder – ja, auch noch in der Sek – Fangis machen. Ehemalige Schüler:innen berichteten mir, dass sie sich in den Pausen in den Berufs- und Kantonsschulen langweilen, weil alle am Handy sind. Ein Fragezeichen setze ich aber beim Verbot des Handys im Klassenzimmer. An unserer Schule arbeiten die Jugendlichen mit Laptops. Das macht Sinn, weil sie das auch in der Lehre tun werden. Mit den Laptops kann man aber zum Beispiel keine Filme drehen. Uns wird als Lehrpersonen eingetrichtert, dass wir die Stärken unserer Schüler:innen fördern sollen. Am stärksten sind sie im Umgang mit ihren Handys, mit den sozialen Medien, beim Drehen von Filmen. Das nicht zu nutzen, ist eine verpasste Chance. Ich lasse meine Klasse deshalb immer wieder Filme mit dem Handy drehen. Die Resultate sind toll, alle haben Freude daran und lernen etwas – am meisten oft ich, der sich am schlechtesten mit den Möglichkeiten auskennt, die einem das Handy bietet.