Die Loft School Uster ist laut NZZ das grösste Schulzimmer der Schweiz. Im Rahmen der KV-Reform im vergangenen Jahr ist an der Berufsfachschule eine vielfältige Lernlandschaft entstanden. Diese eröffnet neue Möglichkeiten der Zusammenarbeit und regt zur Weiterentwicklung didaktischer Unterrichtsformen an.
Die KV-Lernenden an der Berufsfachschule Uster (BFSU) haben heute das Privileg, ihren Unterricht in einer neuen Lernlandschaft zu erleben. Aufgrund von zusätzlichem Platzbedarf suchte die BFSU nach neuen Räumlichkeiten und wurde mit dem Industriebau im Zellweger-Areal in Uster fündig. Entstanden ist ein innovatives Bildungsprojekt.
Die Loft School besteht aus flexibel gestaltbaren Lernräumen und wendet sich vom traditionellen Klassenzimmer ab. Dazu gehören verstellbare Wände, individuell einrichtbare Klassenzonen, Besprechungszonen für Team- und Gruppenarbeit sowie Rückzugszonen für stilles Arbeiten. Für die Lehrpersonen eine Veränderung, denn sie agieren nicht mehr hinter verschlossenen Türen. Einerseits wird ihre Arbeit transparenter und ihr Handeln öffentlicher, andererseits werden die Lehrpersonen mit Lärm und Nebengeräuschen konfrontiert, die ungewohnt sind.
Individuelles Lernen
Die Motivation zur Umsetzung der Loft School Uster liegt auch in der Neuausrichtung der KV-Ausbildung, welche die Handlungskompetenzorientierung ins Zentrum stellt. Der neue Lernraum kann dabei helfen, ein Umfeld zu schaffen, das praxisorientierte didaktische Unterrichtsformen ermöglicht und insbesondere auf die Förderung des individuellen Lernens ausgerichtet ist. Die Räumlichkeiten bieten Bewegungsfreiheit und neue Settings, um die Lernenden effektiv zu begleiten und auf ihre Bedürfnisse einzugehen.
Mit der neuen Infrastruktur allein ist es aber nicht getan. Die grosse Veränderung bei der KV-Reform liegt im Rollenverständnis der Lehrperson. Der Anteil des klassischen Frontalunterrichts nimmt tendenziell ab. Die Lehrperson ist zwar nach wie vor für die Wissensvermittlung verantwortlich, nimmt aber vermehrt auch die Rolle des Coachs oder Lernbegleiters ein und gibt als Leader die Struktur des Unterrichts und die Lernziele vor. Ein vielfältiges Aufgabenprofil mit Chancen und Herausforderungen.
Ein Team der PH Zürich unterstützt die Lehrpersonen mit Hospitationen und Gruppencoachings, in denen die Erkenntnisse besprochen und Entwicklungspotenziale identifiziert werden. So wird unter anderem überprüft, inwieweit die Ziele aus der KV-Reform für den Unterricht erreicht und in die neue Lernumgebung der Loft School integriert werden können. Dazu gehört zum Beispiel die Zusammenlegung von Klassen innerhalb eines Faches, bei der ein Lehrpersonen-Team im Tandem zusammenarbeitet. «In einer synchronen Zusammenarbeit können Klassen gemischt werden. Dies ermöglicht dem Tandem-Team verschiedene Möglichkeiten und Optionen bei der Begleitung der Lernenden und ermöglicht eine Differenzierung der Didaktik und des Lerntempos. So erhält etwa ein Teil der Lernenden einen fachlichen Input, während ein anderer Teil selbstgesteuert lernt und individuell betreut wird», sagt Stefan Zehnder. Er begleitet zusammen mit der PH Zürich die Hospitationen der Lehrpersonen im Teamteaching.
Ein weiteres Anliegen ist die Etablierung der interdisziplinären Zusammenarbeit anhand von Praxissituationen. Dies kann zum Beispiel ein Verkaufs- und Beratungstraining in Kombination mit dem Englischunterricht sein. Allerdings setzt das eine inhaltliche und zeitliche Abstimmung der Lerninhalte aus den verschiedenen Disziplinen voraus. Daniel Degen, Dozent an der PH Zürich und Leiter des Begleitprojekts an der Loft School Uster, sieht ein grosses Potenzial in der Zusammenarbeit über die eigene Disziplin hinaus. Er ist sich aber auch bewusst, dass dies einen grossen Koordinationsaufwand bedeutet und das neue Umfeld zuerst erprobt werden muss. Im Moment planen die Lehrpersonen ihren Unterricht noch grösstenteils für sich selbst. Die offenen Lernräume haben den positiven Nebeneffekt, dass die Lehrpersonen inhaltliche Überschneidungen über die Klassen hinaus feststellen und daraus neue Umsetzungsideen entwickeln.
Neue Dynamik spürbar
In der neuen Loft School Uster ist zurzeit eine grosse Dynamik spürbar. Die Lehrpersonen fühlen sich durch den flexiblen Lernraum in der Loft School ermutigt, neue Techniken auszuprobieren und in Form von Prototyping Erfahrungen zu sammeln, die dem Anliegen der Handlungskompetenzorientierung tatsächlich gerecht werden. Nicht zuletzt ermöglicht die Bewegungsfreiheit und Zirkulation der Lehrpersonen im Raum selbst einen anderen Zugang zu den Lernenden. Der offene Raum wird dazu genutzt, zu beobachten, wie andere Kolleg:innen arbeiten. Diese Transparenz kann als Team und für die Schulentwicklung sehr förderlich sein und dazu motivieren, Dinge noch einmal aus einer anderen Perspektive zu betrachten und neue Wege zu gehen.
Dazu kommen die Erfahrungen aus den Rückmeldungen der Lernenden. Diese Erkenntnisse gilt es zu berücksichtigen und in die weitere Planung einfliessen zu lassen. Das Projektteam der PH Zürich setzt sich nun dafür ein, in einem nächsten Schritt ein didaktisches Konzept für die Loft School zu entwickeln – ein Prozess, der sich letztlich auch positiv auf die Kultur und die Entwicklung der Organisation auswirken kann.