Anna-Tina Hess: Wie Sie, sofern Sie meine letzte Kolumne in diesem Magazin gelesen haben, wissen dürften, bin ich in diesem Schuljahr vor allem als Vikarin in der Schule unterwegs. Mein Ziel, meinen zukünftigen Arbeitsort zu finden, habe ich inzwischen erreicht. Aber dazu mehr, wenn es dann so weit ist.
Was ich ebenfalls weiss, ist, wo ich nicht arbeiten möchte: auf der ersten Primarstufe als Heilpädagogin. «Mike, chum underem Tisch füre! Marlene, nöd de Finn haue! Ronnie, sitz bitte zrugg a din Platz! Und jetzt nämed alli d Hefter füre! Stooooooopp!» Die Primarlehrerin der ersten Klasse ist bereits fast heiser vom vielen Reden, ihr Kopf ist rot und ihr Hals fleckig. Ich staune, wie ruhig sie dennoch dabei bleibt. Sie setzt kurzerhand einen Zauberhut auf, nimmt einen Kessel hervor und versucht, mit einer Geschichte die Schülerinnen und Schüler dazu zu bringen, ihre Aufmerksamkeit nach vorne zu richten. Für einen Moment gelingt das, dann zerfällt die Ruhe wieder. Selbstverständlich, wer neu in die Schule kommt, muss erst mal ganz Grundsätzliches lernen. Stillsitzen, aufmerksam zuhören und sich obendrauf auch noch auf viele neue Schulfächer konzentrieren. Bis dies etwas sitzt, braucht es allerdings gute Nerven. Auch wenn die vielen immer wieder begeistert strahlenden Kinderaugen dafür entschädigen – und das tun sie wirklich –, musste ich mir eingestehen, dass ich mich lieber mit pubertierenden Teenagern herumschlage. Nicht zuletzt auch deshalb, weil ich mit Zauberhut und Kessel in der Hand vielleicht höchstens vor meinem 6-jährigen Göttibueb eine Falle machen würde.
Georg Gindely: So war das nicht gedacht. Das ging mir durch den Kopf, als ich vor 30 Schülerinnen und Schülern stand und umständlich versuchte, ihnen einen Zaubertrick mit zwei Büroklammern zu zeigen, den ich am Tag zuvor im Internet entdeckt hatte. Eigentlich wollte ich die Quereinsteigerausbildung machen, weil ich mir mehr Abwechslung in meinem Berufsalltag wünschte. Aber das war zu viel! Ich kann nicht zaubern – und musste zusammen mit einem Kollegen einen fünfstündigen Zauberei-Workshop leiten, weil ich mich wie so oft zu spät in eine Liste eingetragen hatte und nur noch dieses Thema offen war. Am Jugendfest der Gemeinde im Sommer wird die ganze Gruppe dann einen öffentlichen Zauberauftritt hinlegen, inklusive Zersägenummer. Keine Ahnung, ob und wie wir das hinkriegen werden (ich hoffe, Sie lesen darüber nicht im «Blick»). Der Workshop aber lief wider Erwarten gut. Das hatte damit zu tun, dass ich die Schülerinnen und Schüler aufgrund meiner Unwissenheit und mangelnder Begabung einfach machen liess. Ich bot nur den Trick mit den Büroklammern dar, der mehr schlecht als recht funktionierte, den aber dennoch alle nachmachen wollten. Danach waren die Jugendlichen an der Reihe: Sie zeigten einander, was sie bereits konnten (deutlich mehr als ich), und entwickelten zusammen neue Tricks und Darbietungen. Es war ein richtig gelungener Morgen – und ein Mutmacher für den schulischen Alltag. Du musst als Lehrperson gar nicht so viel können und wissen. Gib den Jugendlichen ein bisschen Inspiration, motiviere sie und schenke ihnen Vertrauen. Dann zahlen sie es dir auf zauberhafte Weise zurück.