«Während der Berufswahl wird das Coaching immer wichtiger»

René Schneebeli, Co-Studiengangsleiter des Lehrgangs CAS Berufswahl-Coach an der PH Zürich. Foto: Christoph Hotz

Die Berufswahl findet in einer Lebensphase statt, in der bei Jugendlichen viel in Veränderung ist. Der Berufswahl-Coach begleitet die Jugendlichen individuell, bezieht aber auch die Erziehungsberechtigten und weitere Beteiligte in den Prozess mit ein. René Schneebeli erläutert im Interview, worauf es dabei ankommt.

René Schneebeli, welche Fähigkeiten braucht es, um Jugendliche im Berufswahlprozess gut zu begleiten?
Grundsätzlich braucht es eine intrinsische Motivation, Jugendliche bestmöglich darin unterstützen zu wollen, eine Basis für den zukünftigen Weg in den Beruf zu legen. Diese Aufgabe erachte ich als sehr wertvoll, weil Jugendliche gerade in der Pubertät mit vielen Umstellungen konfrontiert sind – körperliche Veränderungen, Loslösung von zu Hause, schulischer und sozialer Druck und dann noch die Wahl des zukünftigen Berufs. Da kann das Engagement eines Berufswahl-Coaches meines Erachtens eine wichtige Stütze sein. Es ist also eine Art Herzensangelegenheit.

Wen sprecht ihr mit dem CAS Berufswahl-Coach konkret an?
Mit dem Angebot sprechen wir Lehrpersonen an, die sich mehr auf das Coaching von Jugendlichen ausrichten möchten. Dazu gehört das Brückenangebot in Form der Berufsvorbereitungsjahre. Wir möchten aber auch Lehrpersonen der Sekundarstufe I erreichen, die den Jugendlichen und Lehrpersonen während der beruflichen Orientierung beratend zur Seite stehen. Auch die Berufsfachschulen sind wichtig, an denen Jugendliche zwar bereits im beruflichen Kontext unterwegs sind, aber doch Unterstützung in Form von Coaching benötigen. Der CAS Berufswahl-Coach ist insbesondere auch interessant für Sozialarbeiter:innen oder Arbeitsagog:innen im betrieblichen Umfeld, die mit Jugendlichen zusammenarbeiten und sie beim Berufswahlprozess begleiten möchten.

Das scheint eine wichtige, aber nicht ganz einfache Aufgabe zu sein.
Ich glaube, als Berufswahl-Coach braucht es eine innere Haltung und die Bereitschaft, sich mit Jugendlichen auseinanderzusetzen, für die der schulische Weg nicht einfach war und die nicht gleich eine Lehrstelle oder eine weiterführende Ausbildung gefunden haben. Wir beobachten heute in Zürich, dass viele Jugendliche in Brückenangeboten einen Migrationshintergrund haben. Interessanterweise sehen wir aber auch, dass die Fluktuation bei Lehrpersonen in den Brückenangeboten tiefer ist als an den Volksschulen. Das mag ein Zeichen sein, dass diese sinnstiftende Aufgabe geschätzt wird.

Der Berufswahl-Coach – eine neue Perspektive für bestehende Lehrpersonen?
Bei Brückenangeboten und während der Berufswahl auf der Sekundarstufe I, aber auch an den Berufsfachschulen wird der Aspekt des Coachings immer wichtiger. Die klassische Lehrperson steht vorne und erzählt, der Coach begleitet. Dieser Rollenwechsel wird vielfach als Bereicherung empfunden. So fällt das Dasein als Lehrperson ja nicht weg, nur wird der Schwerpunkt in Richtung Coaching verstärkt. Des Weiteren ist ein Coach fähig, innerhalb der Schulstrukturen Entwicklungsprozesse zu initiieren und zu koordinieren. Die Schulen werden sich aufgrund neuer Anforderungen und Wünsche weiterentwickeln müssen. Hier ist die Verfügbarkeit von Coachingkompetenzen eine wichtige Ressource.

Gibt es denn Potenzial, die Aufgabe als Berufswahl-Coach in der Praxis wahrzunehmen?
Wir beobachten heute eine steigende Tendenz der beruflichen Anforderungen an die Lehre. So gibt es viele Jugendliche, die nach der Schule ohne Lehrstelle dastehen. Hier kommen dann die Brückenangebote in Form der Berufsvorbereitungsjahre ins Spiel, welche je nach Situation der Jugendlichen unterschiedliche Schwerpunkte haben und in denen das Berufswahl-Coaching eine zentrale Rolle spielt. Derzeit läuft im Kanton Zürich das Pilotprojekt Berufsvorbereitung plus (BVJplus) für integrierte Sonderschülerinnen und Sonderschüler, die bis zum Abschluss der obligatorischen Schulzeit keine geeignete Anschlusslösung gefunden haben. Wir vermuten, dass dieses Projekt auf längere Sicht erhalten bleibt und dafür auch ein entsprechender Bedarf an Berufswahl-Coaches aufkommt. Zudem gibt es immer noch viele Lehrpersonen, die ohne das Diplom des Berufswahl-Coachs oder der Fachlehrperson Berufswahlunterricht unterwegs sind.

Sie haben die Sonderschüler:innen angesprochen. Man hört auch von der Steigerung an psychischen Belastungen bei Jugendlichen im Allgemeinen.
Die steigende Zunahme der psychischen Belastungen bei jungen Menschen ist eine grosse Herausforderung, wie dies auch die aktuelle Studie des Bundesamtes für Statistik zeigt. Das Thema Inklusion bleibt im Berufswahlprozess präsent. So kommt es insbesondere bei Jugendlichen mit psychischen Problemen dann zur komplexen Abgrenzung der unterschiedlichen Instanzen wie des RAV, der IV oder anderer sozialer Institutionen. Alle haben das Interesse, die Jugendlichen in den ersten Arbeitsmarkt zu integrieren. Hier zeigt sich, dass die Coaches in den Brückenangeboten eine tragende Rolle im Leben eines Jugendlichen spielen können. So ist an dieser Stelle neben dem Coaching auch viel Koordination und Abstimmung gefragt, um dem Einzelfall gerecht zu werden. Als Berufswahl-Coach ist man Bezugsperson für Jugendliche, die sich in einer einzigartigen Lebenssituation befinden. Ich glaube, das macht die Arbeit des Berufswahl-Coachs so reizvoll.

Um was geht es in dem Angebot CAS Berufswahl-Coach konkret?
Der CAS Berufswahl-Coach vermittelt aktuelles Wissen und vertiefte Kompetenzen in der beruflichen Orientierung. Der Schwerpunkt liegt im Bereich des Coachings und in der Begleitung des Berufswahlprozesses bei Jugendlichen. Der Lehrgang ist sehr stark auf die Praxis ausgerichtet. So absolvieren die Teilnehmer:innen einen 10-tägigen Einsatz in der Praxis bei Berufsberatungsstellen oder regionalen Betrieben. Zusätzlich erhalten sie Einblick in wichtige Schnittstellen wie Sozialversicherungen, Bildungsämter und andere Anlaufstellen für Jugendliche. Nach dem Abschluss des CAS Berufswahl-Coach kann auf Wunsch die EDK-anerkannte Weiterbildung CAS Fachlehrer:in Berufswahlunterricht absolviert werden.

CAS Berufswahl-Coach in Zahlen
Begleiten und Fördern von Jugendlichen in ihrer Laufbahn

  • 8 Monate
  • 14 Präsenztage plus 24 Tage Selbststudium inkl. Leistungsnachweise
  • 10 ECTS

Start: 16. Oktober 2023

Der CAS wird von der PH Zürich und der PH Thurgau angeboten.

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