Tagebuch des Nachdenkens

«Das Foto schaute mich an» (Suhrkamp Verlag 2022)

Kein Buch über den Krieg, aber ein von Kriegen umklammertes Buch, so nennt die ukrainische Autorin ihre Fototexte, die zwischen 2015 und 2021 «im Walzerschritt», sprich alle drei Wochen in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung erschienen sind. Nach der russischen Annexion der Krim musste Katja Petrowskaja ihre Stimme neu suchen.

Das Nachdenken über die Stille und Schönheit einzelner Fotos hat ihr geholfen. Entstanden sind 56 sprachliche Annäherungen an ebenso viele Fotos. Der Bilderbogen ist weit gespannt, von der seitenverkehrt reproduzierten Aufnahme aus dem Album einer Sowjetfamilie bis zu Robert Franks ikonischem Trolley-Bild aus dem New Orleans der 1950er-Jahre. Durch ihre Augen sehen wir Offensichtliches neu und erleben scheinbar Unwesentliches als wichtig. Im kulturellen, historischen und biografischen Echoraum der Autorin wachsen den Bildern Flügel. Sie tragen uns nach Ost und West, zu Arm und Reich und – Schritt für Schritt – zu uns selbst.

Katja Petrowskaja.
Das Foto schaute mich an. Kolumnen.
Berlin: Suhrkamp Verlag, 2022. 256 Seiten.