Kinder und Lehrpersonen können einander nicht aussuchen. Doch eine tragfähige Beziehung ist für den Lernerfolg bekanntlich massgebend. Wie bedeutsam dies auch aus Sicht von Kindergartenkindern ist, zeigt die Masterarbeit von Natascha Infante und Martina Läubli-Haeny.
Den beiden Lehrerinnen war es wichtig, die Schüler:innen bereits in diesem frühen Alter selbst zu Wort kommen zu lassen. «Wir erachten Kinder als vollwertiges Gegenüber», schreiben sie in der Einleitung. «Wir haben Interesse an ihrer Lebenswelt und an ihren Gedankengängen.» Die Studie wurde in sieben Schulen mit je vier Kindern des zweiten Kindergartenjahres durchgeführt. Zur Einstimmung erzählten die Autorinnen den Teilnehmenden das Bilderbuch «Mutig, mutig» von Lorenz Pauli und Kathrin Schärer, in dem es um verschiedene Formen von Mut geht. Die darin vorkommenden Tiere dienten zudem als Spielfiguren im Würfelspiel, das die Forscherinnen selber entwickelt hatten. Dieses sollte den Interviews einen spielerischen Rahmen geben sowie die Konzentration unterstützen.
Bei einigen Spielfeldern mussten die Kinder Fragen beantworten, die sich auf selbst erstellte Videos und Fotos aus dem Kindergartenalltag bezogen. Ein Video zeigte zum Beispiel eine Pausensituation: Einige Kinder schaukeln, während andere darauf warten, ebenfalls an die Reihe zu kommen. Eines der wartenden Kinder will bei der Lehrerin Hilfe holen. Die Studienteilnehmenden mussten erklären, wie die Lehrerin ihrer Meinung nach reagieren müsste. Zudem konnten die Kinder anhand von Fotos verschiedener Menschen angeben, wie sympathisch ihnen diese waren. Nach eingehender Literaturstudie hatten die Autorinnen fünf verschiedene Qualitätsdimensionen der Schüler-Lehrer-Beziehung definiert: Anerkennung, kognitive Aktivierung, Sympathie, Verletzung und Vertrauen. Anhand dieser Aspekte wurden die Antworten codiert. Aus den Aussagen der Kategorie Vertrauen schlossen die Autorinnen zum Beispiel, wie wichtig den Kindern Regeln und Verlässlichkeit sind. Dies machten sie an Formulierungen fest wie: «Ich wür säge dene Buebe, wo uf de Schaukli gsi sind, jetzt dörf d’Eloise au emol.» Wann sich Kinder verletzt fühlen, zeigte sich unter anderem in folgender Antwort: «Ich finds nöd guet, wänn sie mir seit, mer muess mega schön usmale und ich chan nöd schön male.»
Die Masterarbeit «Mutig sein – den Kindern eine Stimme geben» wurde 2022 von der Stiftung Pestalozzianum mit einem Studienpreis ausgezeichnet. Die Jury überzeugte der innovative Ansatz, bei dem das Erleben von Kindergartenkindern im Zentrum steht. Die stetige Reflexion der eigenen Kommunikation sowie der Haltung den einzelnen Kindern gegenüber sei für Lehrpersonen zentral, sagt Co-Autorin Martina Läubli-Haeny, Mentorin an der PH Zürich. Auch ihre Kollegin Natascha Infante, Kindergartenlehrerin in Zürich, hat von der Auseinandersetzung mit dem Thema profitiert. «Seither achte ich mehr auf meine Sprache und den Tonfall», erzählt sie. «Es ist mir bewusst geworden, was ein einzelnes Wort auslösen kann.»