Catherine Lieger, Sie setzen sich seit Jahren mit Spielen als Lernform auseinander. Warum soll heute im Zyklus 1 gespielt werden?
Lehrpersonen stellen immer häufiger fest, dass ihr Unterricht, so wie sie ihn verinnerlicht haben, nicht mehr funktioniert. Dies höre ich tagtäglich in Gesprächen mit betroffenen Lehrpersonen, die auf uns zukommen, meist aus einer Notsituation heraus.
Wie zeigt sich das in der Praxis?
Die Heterogenität in den Klassen ist heute sehr gross. Es gibt Kinder, die im frühen Alter schon lesen und schreiben können. Andere Kinder wiederum sind nicht fähig, 45 Minuten lang etwas aufzunehmen. Wenn in einer Klasse mit 20 Kindern 6 Kinder querstehen, dann ist eine Lehrperson ziemlich gefordert. Da braucht es neue Instrumente. Doch viele suchen die Lösung in alten didaktischen Formen, fallen in ein Hamsterrad. Dies führt dazu, dass immer mehr betroffene Lehrpersonen an ihre Grenzen stossen. Sie fordern Unterstützung ein, zum Beispiel in Form von Klassenassistenzen. Doch auch hier sind angesichts von Budgetsituationen oder des Lehrpersonenmangels Grenzen gesetzt. An diesem Punkt erlebe ich dann jeweils die Bereitschaft, das Ganze neu zu denken.
Spielen als Lernform, wie geht das?
Unser Verständnis des Spiels ist es nicht, dass jedes Kind tun und machen kann, was es will, und die Lehrperson für Ordnung sorgt. Es ist vielmehr ein begleitetes Spielen. Die Kinder übernehmen unterschiedliche Rollen, nehmen partizipativ am Geschehen teil. Die Lehrperson ist nicht nur Beobachterin, sie übernimmt einmal die Regie, dann spielt sie wiederum selbst mit oder übernimmt die Spielleitung, wenn Instruktionen nötig sind. Dabei hilft ein breites Repertoire, um auf die unterschiedlichen Situationen flexibel einzugehen und die Kinder zu begleiten.