«Ich habe ‹glücklich› in den Stern geschrieben»

Fotos: zVg

Mitten in Athen blitzt das Logo der PH Zürich auf den Handys von jungen Mädchen aus Afrika und Afghanistan auf. Sie lernen in einem Online-Kurs mehr über sich und ihre Fähigkeiten. Der Kurs wurde von der PH Zürich für Menschen auf der Flucht entwickelt.

Die Strassen in diesem Stadtteil Athens sind eng, aber voller Gerüche und Klänge. Viele Migrantinnen und Migranten leben hier, sie können sich die Mieten leisten, weil sich einige der Vermieterinnen und Vermieter entschieden haben, ihre Wohnungen günstig anzubieten. So ist es nicht verwunderlich, dass auch die Unterkunft für unbegleitete minderjährige Mädchen mit Fluchthintergrund in dieser freundlichen Umgebung liegt.

In einem leicht baufälligen, dreistöckigen Mehrfamilienhaus wohnen 20 Mädchen. Die meisten von ihnen stammen aus Somalia, einige sind aus dem Kongo, der Elfenbeinküste und aus Afghanistan. Man hört die Teenager von Weitem. In der Unterkunft trifft Akzente sie im Wohnzimmer, das auch als Klassenzimmer dient. Sie sind in der Pause, quatschen in Somali, Paschto, Englisch, Französisch und Kituba, einer Sprache der Republik Kongo.

In der Küche sitzt Dimitra Skempi. Sie ist eine der Trainerinnen des CORE-Programms Strengthen Your Life Skills (CORE). CORE wurde von der PH Zürich entwickelt. Es fördert Life Skills wie Selbstreflexion oder Teamfähigkeit. Der Online-Kurs läuft auf dem Computer, dem Handy, aber auch offline auf Kiwix, einer App. Dimitra ist voller Energie. «Es ist so inspirierend, mit dieser Gruppe von Mädchen zu arbeiten», sagt sie. «Sie machen begeistert mit, weil sie Lektion für Lektion entdecken, was sie für Fähigkeiten haben.» Die Arbeit mit CORE helfe den Bewohnerinnen der Unterkunft, daran zu glauben, dass sie viel Potenzial haben und die Zukunft positiv beeinflussen können.

Stärkung des Selbstwertes
Die Stärkung des Selbstwertes ist das Ziel des CORE-Programms. Es wurde bereits in einem früheren durch den gemeinnützigen Fonds des Kantons Zürich finanzierten Projekt in Unterkünften für Flüchtlinge in Griechenland und dem Libanon durchgeführt. Die Kurse in Athen für die unbegleiteten Flüchtlingsmädchen werden vom Staatssekretariat für Migration finanziert.

Ein hoher Selbstwert hilft, die richtigen Entscheidungen zu fällen. Eine Eigenschaft, die bei gefährdeten Jugendlichen wie den unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen, die auf sich allein gestellt in einer völlig neuen Umgebung handeln müssen, besonders wichtig ist.

Magdalena Baraka, die zweite CORE-Trainerin im improvisierten Klassenzimmer, schaltet den Fernseher aus. Die Pause ist vorbei. Bevor die eigentliche CORE-Lektion startet, in der es darum geht, die eigene Persönlichkeit darzustellen, gibt es Auflockerungsübungen. Dann nehmen die Mädchen ihr Handy hervor und öffnen den CORE-Kurs. Er wird in verschiedenen Sprachen angeboten. In der Unterkunft wird er auf Griechisch durchgeführt, denn CORE fördert auch die Sprachkompetenzen.

In der heutigen Aufgabe füllen die Mädchen den «Skills-Stern» aus. In der Mitte des Sterns wird der Name eingefügt und in jedem Strahl eine Eigenschaft, die zu einem passt. Dann fordert Dimitra die Mädchen auf, sich gegenseitig den Stern zu zeigen und über die Begriffe zu diskutieren, die sie eingefügt haben. Wörter wie schön, klug, normal, stark stehen da. Die Diskussionen sind lebhaft. Die Stimme einer jungen Afghanin schallt aus dem Stimmengewirr hervor. «Hey, ich habe ‹glücklich› in meinen Stern geschrieben. Wir leben in einem ‹happy house›, das macht mich glücklich.» Alle lachen. Natürlich sind nicht alle immer glücklich.

Jugendliche unbegleitete Flüchtlinge
Griechenland hat in den letzten Jahren eine noch nie dagewesene Zahl unbegleiteter Minderjähriger aufgenommen. Nach Angaben des Sondersekretariats für den Schutz unbegleiteter Minderjähriger in Griechenland leben derzeit etwa 2220 unbegleitete Minderjährige in Griechenland. Davon sind 88 Prozent Knaben und 12 Prozent Mädchen. Sie leben in 72 Unterkünften für Flüchtlinge und in 82 sogenannten Semi Independent Living Apartments (SILs). Der Anteil der Mädchen hat sich während des Sommers 2022 auf einen Schlag verdoppelt. Die Gründe dafür kennt man nicht genau. So schnell wie möglich wurden zwei neue Einrichtungen für Mädchen bereitgestellt.

Bevor es in die Pause geht, geben die Mädchen Feedback zu ihren Erfahrungen mit dem «Skills-Stern». Dimitra fasst zusammen. Lernen bedeute nicht nur, Rechnen und Schreiben zu beherrschen. Genauso wichtig sei es zu üben, die eigenen Gedanken und Gefühle ausdrücken zu können. Die Beziehungen, die dadurch entstehen, gäben einem Sicherheit. Für minderjährige unbegleitete Mädchen, die auf der Flucht teils schreckliche Dinge erlebt haben, sind diese Verbindungen, die nur in einem geschützten Raum entstehen können, eine absolute Notwendigkeit.

Serie «PHZH Global»

In der Serie «PHZH Global» besucht Akzente Bildungsprojekte, welche die Abteilung Internationale Bildungsentwicklung der PH Zürich im Ausland durchführt.