Zwei ehemalige Kindergarten- und Unterstufe-Studierende der PH Zürich, Martina Burger und Selina Stern, arbeiten seit drei Jahren erfolgreich als Tandem zusammen und führen gemeinsam eine Kindergarten- und eine Unterstufenklasse im Schulhaus Hohfuri in Bülach. Im Interview geben sie einen Einblick in ihren Berufsalltag und zeigen die vielen Vorteile dieser Art der Zusammenarbeit auf.
Sie führen gemeinsam eine Kindergarten- und eine Primarklasse. Wie sieht das konkret im Alltag aus?
Martina Burger: Ich bin Klassenlehrperson für die Unterstufe und Selina ist Klassenlehrperson für den Kindergarten. Die Administration ist somit getrennt. Konkret unterrichte ich von Montag bis Mittwoch auf der Unterstufe und Donnerstag und Freitag im Kindergarten. Selina übernimmt die Klassen entsprechend an den anderen Tagen.
Haben Sie die Stunden nach Fächern aufgeteilt?
Selina Stern: Nein, wir haben bewusst nicht nach Fächern aufgeteilt. Ich glaube, wenn wir das so machen würden, dann könnten wir mit irgendjemandem zusammenarbeiten und bräuchten dieses Tandem nicht. Wir arbeiten beide an allen Wochentagen und können uns somit auch regelmässig austauschen.
Der Austausch scheint bei Ihrem Tandem zentral zu sein. Müssen Sie sich mehr austauschen als andere Lehrpersonen?
Stern: Ja, wir müssen uns schon viel austauschen. Jedoch haben wir uns auch bewusst für dieses Tandem-Modell entschieden. Wir planen gemeinsam und tauschen uns oft aus. Das Schöne ist: Wir können uns zusammen aufregen, uns aber auch zusammen über Lernerfolge von Schülerinnen und Schülern freuen.
Burger: Da wir im gleichen Gebäude unterrichten und uns die Schülerinnen und Schüler oft gemeinsam sehen, wissen sie, dass wir uns austauschen und jeweils über alles Bescheid wissen.
Bringt das Modell auch eine Entlastung?
Burger: Auf jeden Fall. Eine zweite Meinung ist oft hilfreich. Und auch für die Kinder ist es ein gutes Modell. Sie erhalten immer wieder eine neue Chance. Zudem habe ich mehr Energie, wenn ich weiss, dass Selina es am nächsten Morgen dann nochmals versuchen wird, nachdem ich bereits die vorherigen Tage mit den Kindern gearbeitet habe.
Stern: Es tut gut, wenn man sich mit jemanden austauschen und auch mal Frust abladen kann. Ich weiss, dass Martina die Schülerinnen und Schüler gleich gut kennt wie ich. So können wir gemeinsam nach Lösungen suchen.
Sind Sie sich punkto Unterrichtspraxis ähnlich oder ergänzen Sie sich eher?
Burger: Organisatorisch sind wir sehr ähnlich. Wir haben zudem ähnliche Wertvorstellungen, dadurch wissen die Kinder, dass bei uns beiden die gleichen Regeln gelten.
Stern: Wir haben ähnliche Ansichten, geben uns aber auch gegenseitig weitere Inputs, etwas Neues auszuprobieren. Heute bin ich etwa mit einem Heft zu Martina gegangen und habe gesagt: «Schau, der Schüler hat das noch nicht verstanden.» Martina hat dann für ihn eine Anleitung geschrieben mit einer anderen Methode.
Gibt es Beispiele für stufenübergreifende Projekte?
Stern: Aufgrund der Pandemie konnten wir leider nicht so viele Projekte wie geplant durchführen. Wir hatten viele Ideen, zum Beispiel beim Thema Geld einen Marktstand zu machen, an dem die Kindergartenkinder einkaufen und die Unterstufen-Schülerinnen und -Schüler rechnen. So hätten wir verschiedene Aspekte wie Handel, sozialen Umgang und mathematische Fähigkeiten kombinieren können.
Burger: Zu Beginn unserer Zusammenarbeit haben wir einmal Salzteigigel gemacht. Die Erstklässler haben die Anleitungen vorgelesen und die Kindergartenkinder haben die Igel gemacht. Die Kinder haben grosse Freude an solchen Projekten und insbesondere bei den älteren Kindern merkt man, wie sie Verantwortung für die Kindergartenkinder übernehmen können.
Wieso haben Sie sich für das Modell entschieden?
Stern: Der Kindergarten war immer eher meine Welt. In den Praktika habe ich dann aber auch die Unterstufe kennengelernt und ich wollte diese Welten vereinen.
Burger: Du wolltest mehr im Kindergarten unterrichten und ich eher auf der Unterstufe. Trotzdem war mir klar, dass ich nicht ausschliesslich auf der Unterstufe unterrichten wollte.
Was war Ihre Inspiration?
Stern: Im Kindergarten- und Unterstufe-Studium haben wir die beiden Stufen sehr gut kennengelernt. Ich habe mich auch für dieses Arbeitsmodell entschieden, weil es den gesamten ersten Zyklus umfasst.
Welches sind die grössten Herausforderungen?
Stern: Man muss sich sehr gut mit seinem Tandem verstehen. Im ersten Jahr mussten wir uns finden und vieles absprechen. Mittlerweise wissen wir, wie das Gegenüber tickt. Zudem ist es teilweise schwierig, wenn man 45 Kinder kennen muss. Es geht nicht nur darum zu wissen, wie das Kind heisst, sondern ebenso, welche Stärken und Schwächen es hat.
Wie sind Sie sich überhaupt begegnet?
Burger: Wir haben zusammen studiert, uns jedoch erst hier im Schulhaus Hohfuri besser kennengelernt und dann gemerkt, dass wir beide das Gleiche wollen – auf beiden Stufen unterrichten.
Stern: Als wir bei der Schulleitung angefragt haben, ob wir im Tandem zusammenarbeiten können, war diese zu Beginn etwas skeptisch. Wir haben dann den Auftrag erhalten, ein Konzept zu schreiben, in welchem wir den Mehrwert für die Schülerinnen und Schüler und das Schulteam aufzeigen. Die Schulleitung hat uns das Vertrauen entgegengebracht und wir konnten starten. Inzwischen hat sie das Modell anderen Schulen in Bülach gezeigt und Werbung dafür gemacht. Nun gibt es bereits ein zweites Tandem an unserer Schule.
Und wie haben die Eltern reagiert?
Stern: Zuerst waren sie etwas skeptisch. Das lag wohl daran, dass wir noch nicht viel Erfahrung auf der Unterstufe hatten. Anfangs verstanden die Eltern unser System teilweise auch nicht ganz und dachten, dass wir die Klassen mischen. Es war deshalb einiges an Aufklärungsarbeit erforderlich. Einige Eltern der Drittklässler haben gesagt, dass sie es super finden, dass die Kinder Zugang zu zwei Lehrerinnen haben.
Wie reagieren andere Lehrpersonen?
Burger: Ich war erstaunt, wie viele Personen über Umwege von unserem Modell bereits gehört hatten.
Stern: An unseren Treffen mit ehemaligen Studienkolleginnen möchten diese auch immer mehr über das Modell erfahren. Ich hoffe, dass sich noch mehr Personen dafür entscheiden.
Sie würden das Modell also weiterempfehlen?
Stern: Auf jeden Fall. Ich bin viel ausgeglichener. Dazu ein Beispiel: Wenn ich einem Kind die ganze Woche sagen muss, dass es seine Hausschuhe richtig versorgen soll, dann braucht das enorm viel Energie. Dann ist es gut, wenn die andere Person übernimmt.
Burger: Sonst hat man jeweils fünf Tage die gleichen Kinder und am Montag beginnt das Ganze von vorne. Mit unserem Modell haben auch die Kinder mehr Chancen, weil wir über mehr Energie verfügen.
Stern: Ein grosser Vorteil ist ausserdem, dass wir als Unterstufenlehrpersonen wissen, wie der Kindergarten funktioniert und was die Kinder schon gelernt haben.